# taz.de -- Rückkehr eines Verstoßenen | |
> FC BAYERN Kurt Landauer ist Klubchef, als die Roten 1932 Meister werden. | |
> Die Nazis vertreiben den jüdischen Kaufmann, der nach dem Krieg wieder | |
> Präsident wird. Jetzt wird sein Leben verfilmt | |
AUS ESSEN HOLGER VIETH | |
Es war ein imposantes Zeichen gegen das Vergessen. Im Herbst 2009 zeigten | |
Fans des FC Bayern in der Südkurve ihres Stadions ein gigantisches | |
Transparent. Es zeigte Kurt Landauer, den ersten Präsidenten des Vereins, | |
der die Meisterschaft mit den Roten gewann – lange bevor Franz Beckenbauer | |
oder Uli Hoeneß die Geschicke des Vereins bestimmten. 1932 war das, kurz | |
vor der Machtübernahme der Nazis, die für Landauer schwerwiegende Folgen | |
hatte. Denn Landauer war Jude. | |
Nach jahrelanger Diskriminierung floh der angesehene Geschäftsmann ins Exil | |
in die Schweiz. Dabei hatte er die Stadt nie verlassen wollen. Bis zum | |
letzten Augenblick harrte er in München aus, obwohl die Nationalsozialisten | |
ihn 1938 sogar zwei Monate ins KZ gesperrt hatten, aus dem er mit Glück | |
wieder entkam. Dem bewegenden Leben von Kurt Landauer wird nun, mehr als 50 | |
Jahre nach seinem Tod, ein filmisches Denkmal gesetzt. In Kooperation mit | |
dem Westdeutschen Rundfunk und anderen Partnern produziert der Bayerische | |
Rundfunk ein aufwendiges Historiendrama, dem Kritiker schon jetzt | |
vorwerfen, es wolle auf der Erfolgswelle vom „Wunder von Bern“ mitreiten. | |
Tatsächlich spielt der Fußball nur eine Nebenrolle. | |
Weil der Film aber nicht gänzlich ohne sportliche Szenen auskommt, hat sich | |
die Crew dieser Tage beim TuS Helene Essen eingenistet. Im Stadion des | |
Ruhrgebietsvereins, der seine baufällige Heimstätte ohnehin umbauen wollte, | |
dürfen sie sich austoben, Tribünen einreißen, Requisiten aufbauen und | |
Komparsen als Sechzger- und Bayernspieler über den Platz laufen lassen. Das | |
Stadion habe sich gut geeignet, da in Bayern fast nur noch moderne Arenen | |
stünden, sagt Produzent Michael Souvignier. Oder wie es ein Mitglied der | |
Crew zusammenfasst: „Das Ruhrgebiet sieht dem Nachkriegsdeutschland | |
heutzutage ja an vielen Orten sehr ähnlich.“ | |
Stets am Set unterwegs ist Regisseur Hans Steinbichler, der das Pulk an | |
Laiendarstellern lautstark choreografiert. Von ein paar Rückblenden | |
abgesehen spielt der Film in Nachkriegsdeutschland, nach dem Ende der | |
Herrschaft der NSDAP, während der fast die gesamte Familie von Landauer in | |
Bayern ausgelöscht wurde. Vier seiner fünf Geschwister verlor er in diesen | |
Jahren. | |
1947 entschloss sich Landauer, der im Film von Josef Bierbichler verkörpert | |
wird, zurück nach München zu reisen – in das Land der Mörder seiner | |
Familie. In eine völlig zerstörte Stadt. Eine Stadt, in der er eigentlich | |
nur einen Zwischenhalt auf der Reise nach Amerika eingeplant hatte – die | |
aber trotz allem seine Heimat war. Und so wird aus dem Zwischenstopp ein | |
Daueraufenthalt. Zu stark ist seine Liebe zu einer alten Bekanntschaft, der | |
er in München wiederbegegnet, und zu seinem Verein. Doch so wie früher wird | |
es für Kurt Landauer nie wieder werden, obwohl er schnell wieder zum | |
Vereinsboss des FC Bayern aufsteigt und dies bis 1951 bleibt. | |
Zu viel ist geschehen in den dunkelsten Jahren der deutschen Geschichte. Zu | |
tief sitzen Verletzungen auf der einen und Schuldgefühle auf der anderen | |
Seite. Genau in diesem Spannungsfeld bewegt sich der Film, der | |
voraussichtlich im Herbst 2014 im deutschen Fernsehen zu sehen sein wird. | |
Weniger beleuchtet werden die frühen Jahre in Landauers Amtszeit bei dem | |
Klub, die zeigen, woher der FC Bayern eigentlich kommt. Mit 17 Jahren, kurz | |
nach der Jahrhundertwende, stand Landauer das erste Mal für den neu | |
gegründeten FC Bayern auf dem Platz. Seine Mitstreiter waren Studenten, | |
Kaufleute und andere Gebildete, die die allzu strikten Regeln der | |
Turnvereine verachteten. Obwohl zutiefst bürgerlich, war er in seinen | |
Anfangsjahren ein weltoffener und liberaler Klub, bei dem Kategorien wie | |
Religion und Rasse keine Rolle spielten. | |
Mit dem jüdischen Kaufmann Landauer als Funktionär kam der Erfolg. Und der | |
hatte System. So machte sich Landauer für eine stark internationale | |
Ausrichtung des Vereins und eine gezielte Nachwuchsförderung stark. Eine | |
Philosophie, die nicht allzu weit entfernt von der des FC Bayern im Jahr | |
2013 ist. Auch die Professionalisierung trieb er voran, etwa indem er | |
zahlungskräftige Sponsoren an Land zog. | |
Als andere Vereine noch längst nicht so weit waren, lockte Landauer | |
professionelle Trainer aus England und anderen Ländern, in denen der Sport | |
eine erste Blüte erlebte, zum FC Bayern. Um die Jugendkader zu verbreitern, | |
gestattete er es außerdem, dass die Betriebsmannschaften von jüdischen | |
Kaufhäusern unter dem Dach des Klubs spielen dürfen. Doch nicht alle Phasen | |
des Lebens von Kurt Landauer sind gut erforscht. Gerade private Anekdoten | |
über ihn sind kaum überliefert. „Die Quellenlage ist leider sehr dünn“, | |
sagt der Historiker Dirk Kämper, der das Drehbuch zu dem Film beigesteuert | |
hat. | |
Doch so liberal und weltoffen der FC Bayern auch war. Bei ihm setzten sich | |
die Nazis schließlich mit ihrer Weltanschauung durch. Zwar gab es viele, | |
die die Ideale der Weimarer Republik auch bei ihrem Fußballklub bewahren | |
wollten. Offener Widerstand gegen die NS-Schergen ging von den | |
Vereinsmitgliedern aber nicht aus. | |
Obwohl der FC Bayern der 30er Jahre vergleichsweise unangepasst war und | |
erst spät nazifiziert wurde, haben sich die Funktionäre lange Zeit | |
schwergetan mit der Aufarbeitung der Klubgeschichte. So beschäftigt man | |
sich in der Geschäftsstelle des Vereins erst seit kurzer Zeit mit der | |
eigenen Vergangenheit. Obwohl es eigentlich für den Klub sprechen sollte, | |
dass ein Jude ihn vor und nach dem Krieg führte, hatten die | |
Verantwortlichen offenbar lange Angst davor, zu tief in der Historie zu | |
graben. | |
„Da gab es Berührungsängste, weil man selbst zu wenig über die | |
Vergangenheit wusste“, versucht sich Kämper an einer Erklärung. Dietrich | |
Schulze-Marmeling veranschaulicht das in seinem Buch „Der FC Bayern und | |
seine Juden“. Demnach herrschte beim FC Bayern bis zur Jahrtausendwende | |
völlige Ignoranz, was die eigene Geschichte anbelangt. Was zählte, war nur | |
der kurzfristige Erfolg. So musste sich eine Journalistin der in London | |
ansässigen Totally Jewish nach der 0:3-Niederlage der Bayern gegen Lyon im | |
Jahr 2001 von einem Klub-Angestellten anhören, dass ihn dieser „alte Scheiß | |
nicht interessiert“, als sie sich nach Kurt Landauer erkundigte. Auch der | |
amtierende Präsident Uli Hoeneß habe sich bereits einmal in ähnlicher Form | |
geäußert, schreibt Schulze-Marmeling: „Ich war zu dieser Zeit nicht auf der | |
Welt.“ | |
So waren es die oft gescholtenen Mitglieder der Ultra-Gruppe „Schickeria“ | |
und einige wenige kritische Wissenschaftler und Journalisten, die das | |
Andenken an den 1961 verstorbenen Landauer wiederbelebt haben und die | |
Verantwortlichen wohl mit dazu gebracht haben, vor wenigen Jahren einen | |
Schritt nach vorne in Sachen Vergangenheitsbewältigung zu machen. 2009, zum | |
125. Geburtstag Kurt Landauers, besuchte Rummenigge die KZ-Gedenkstätte in | |
Dachau und legte einen Kranz zu seinem Gedenken nieder. Er war es auch, der | |
ankündigte, dass der Klub ab jetzt offener mit seiner Vergangenheit umgehen | |
wolle. | |
An dem Film über Landauer beteiligt sich der FC Bayern jedoch nicht. Die | |
Recherchen führte Kämper auf eigene Faust durch. Der Verein weiß jedenfalls | |
von dem Filmprojekt. Produzent Souvignier sagt: „Uli Hoeneß freut sich auf | |
den Film.“ | |
3 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
HOLGER VIEHT | |
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