# taz.de -- Die mit dem Raum tanzt | |
> BÜHNE Für die Unverwechselbarkeit vieler Inszenierungen hat im letzten | |
> Jahrzehnt die Bühnenbildnerin Katrin Brack gesorgt. Jetzt ist eine | |
> Werkschau erschienen | |
VON KATRIN BETTINA MÜLLER | |
Eigentlich könnte man über Katrin Brack wie über eine Malerin reden: Statt | |
Farbe auf Leinwand zu werfen, schleudert sie Luftschlangen in den Raum. | |
Oder man könnte behaupten, dass ihre von Nebel, Schaumkaskaden und Schnee | |
gebildeten Atmosphären den künstlichen Naturen des dänischen Künstlers | |
Olafur Eliasson sehr nahe stehen. Aber Katrin Brack ist weder Malerin noch | |
Konzeptkünstlerin, sondern eine der gefragtesten Bühnenbildnerinnern der | |
Zeit. | |
Es gibt wenige Bühnenräume, die in ihren Mitteln so reduziert und | |
gleichzeitig doch so verschwenderisch reich ausgestattet, so abstrakt und | |
doch von einer ganz konkreten Dinghaftigkeit geprägt wirken wie die von | |
Katrin Brack. Für einen „Tartuffe“ in der Regie von Dimiter Gotscheff ließ | |
sie 2006 fünf Minuten lang Konfettikanonen Kaskaden von Luftschlangen in | |
den sonst leeren Bühnenraum ballern: Und alles, was danach geschah, | |
zeichnete in dem knöcheltiefen Papier neue, verschlungene Muster auf den | |
Bühnenboden. Für ein Molière-Projekt von Luk Perceval fielen 2007 kleine | |
Schneeflocken fast vier Stunden ununterbrochen aus dem Bühnenhimmel, bis | |
man als Zuschauer beinahe besoffen von dieser ständigen Abwärtsbewegung | |
glauben konnte, selbst gegen den Strom allmählich nach oben zu driften. In | |
einem „Prinz Friedrich von Homburg“, den Arnim Petras inszenierte, tränkte | |
Bracks Dauerregen jede Hose und jeden Rock, bis die Erdenschwere jedes | |
Körpers bis in die kleinste Faser zu spüren war. | |
Katrin Brack, 1958 in Hamburg geboren, lebt heute in Wien. Dreimal wurde | |
sie im letzten Jahrzehnt in der Umfrage der Zeitschrift Theater heute zur | |
Bühnenbildnerin des Jahres gewählt. Am Erfolg der Regisseure Dimiter | |
Gottscheff, Angela Richter und Luk Perceval haben ihre in der Erinnerung | |
haftenden Räume großen Anteil. | |
## Keine Simulationen | |
Blättert man in dem neuen Bildband, den der Verlag Theater der Zeit über | |
sie herausgebracht hat, dann fällt ihre Liebe zum Talmi-Glanz auf, zum | |
Ausstellen der einfachsten Mittel, die für Glamour und die Welt der | |
Illusionen stehen: Girlanden aus Gold („Büchner/Leipzig/Revolte“) und | |
Girlanden aus Silber („Anatol“), Luftballons („Ubukönig“) und | |
Glühbirnenketten („Der Fall Esra“) erzählen stets auch vom Theater als der | |
Wunschmaschine, einem Ort von märchenhaftem Glanz, wo alles, was auf die | |
Bühne kommt, auch Illusion bleiben darf. Dabei gibt es andererseits wohl | |
kaum Bühnenbilder, die so wenig behaupten, etwas anderes darzustellen als | |
das Material, aus dem sie sind, wie die von Katrin Brack. Nie wird etwas | |
simuliert oder abgebildet. | |
Eine einzelne Glühbirne, eine Schneeflocke: Bracks Bühnenbilder sind | |
zerlegbar in winzig kleine Teilchen, die erst in großen Massen zur | |
elementaren Energie werden. Mit diesen Teilchen in die Leere | |
hineinzuzeichnen und alles Hineingeschriebene am Ende der Aufführung auch | |
wieder zergehen zu lassen, das weist schon in die Transzendenz. | |
Doch vor diesem hohen Gedankenflug steht erst einmal der Körper und wie | |
Bracks Installationen den Schauspieler herausfordern. Sie kommen natürlich | |
im Brackbuch zu Wort: „Den Kampf mit ihren Materialien, ihren | |
Naturkunstgewalten nimmt man lustvoll auf“, sagt die Schauspielerin Almut | |
Zilcher, „die Materie nimmt dich mit, treibt dich an, verwandelt dich, | |
macht dich unsichtbar, sichtbar, nackt, lässt dich verschwinden, vergehen | |
(…)“. Und Wolfram Koch, der in ihren Bühnen Stücke von Koltès, Tschechow | |
und Jarry gespielt hat, meint: „Ein Raum von Katrin Brack ist ein | |
zusätzlicher Schauspielkollege, den so keiner auf dem Besetzungszettel | |
hatte – unberechenbar, störrisch, hält sich nicht an Verabredungen, macht | |
einen wütend. Man muss ihn so nehmen, wie er ist, nicht zwingen, dann | |
spielt er mit.“ | |
## Existent nur im Verlauf | |
Tatsächlich müssen die Schauspieler in den Strukturen, die Brack | |
vorzeichnet, den Raum selbst erst mit ihrem Körper und ihrer Stimme | |
konstituieren, darin Tänzer viel ähnlicher als in anderen Bühnenbildern. Es | |
gibt in dem Buch keine Skizzen oder Werkstattbesuche, nur Fotografien der | |
Inszenierungen, meist doppelseitig. Das heißt, man kann ihre Bühnenbilder | |
nicht unabhängig von der Aufführung sehen, sie manifestieren sich nur im | |
Verlauf, existieren vorher und nachher nur als Idee. Denn ihre Räume | |
tanzen. Sie entstehen erst in der Bewegung und entfalten sich in der Zeit. | |
Ein Nachteil des zweisprachigen (deutsch und englisch) Buches ist | |
allerdings, dass die Namen der Theaterfotografen, die diese umfassende | |
Werkschau ermöglichten, nicht zu finden sind. | |
■ „Katrin Brack: Bühnenbild/Stages“. Von Katrin Brack. Hrsg. von Anja | |
Nioduschewskis, Theater der Zeit, 2010, 256 Seiten, 28 € | |
6 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
KATRIN BETTINA MÜLLER | |
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