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# taz.de -- „Wir waren frei und wild“
> DIE MODEMACHERIN Claudia Skoda lebte mit Martin Kippenberger zusammen und
> kleidete David Bowie ein. Ihre avantgardistischen Strickkleider verkauft
> sie heute in Mitte – auch wenn sie den Stadtteil inzwischen „ein bisschen
> spießbürgerlich“ findet
INTERVIEW NINA APIN FOTOS LIA DARJES
taz: Frau Skoda, Sie sind eine Pionierin der deutschen Modeszene: Schon in
den 70ern entwarfen Sie glamouröse Strickkleider, David Bowie trug Ihre
Sachen. Weiß das junge Shopping-Publikum, das hier in Mitte in Ihren Laden
kommt, wer Sie sind?
Claudia Skoda: Nein, die junge Generation kennt mich nicht mehr. In den
70er und 80er Jahren waren wir sehr bekannt – damals haben viele von denen
noch nicht gelebt. Wir sind heute vor allem Impulsgeber, ein
Experimentierlabor. Wir machen Sachen, die der Markt nicht hergibt. Die
modernen Strickmaschinen sind zwar unglaublich vielseitig und können sehr
hohe Stückzahlen produzieren– wir setzen dagegen auf Handarbeit.
Ihre Strickmode ist nicht ganz billig – ein Pullover kostet um die 400
Euro. Wer sind Ihre Stammkunden?
Das sind Leute, die das Individuelle suchen, die sich anders kleiden wollen
als die Masse. Die aber auch nicht so Label-fixiert sind. Mich in die
Reihen großer Kollektionsfirmen wie Jil Sander oder Strenesse einzureihen,
ist nie meine Absicht gewesen. Ich wollte nie Massenprodukte herstellen.
Ich arbeite auch nicht wie andere Firmen mit Angestellten, die sich
beworben haben. Mein kleines Team ergibt sich aus dem erweiterten
Bekanntenkreis. Mir war immer wichtig, dass der Schaffensprozess vor allem
Spaß macht – für alle. Ich habe bis heute Strickerinnen, die in Heimarbeit
für mich produzieren, und zwei Subunternehmen. Die haben ein sehr
spezielles Know-how und begleiten mich schon lange. Ich hatte mir ja als
Autodidaktin das Stricken selbst beigebracht. Ich färbte und webte mir
eigene Garne, baute Strickmaschinen für meine Bedürfnisse um. Mit denen
kann nicht jeder arbeiten.
Wie familiär es in Ihren Anfängen zuging, konnte man kürzlich bei der
Martin-Kippenberger-Ausstellung im Hamburger Bahnhof sehen: Kippenberger
schoss 1977 unzählige Fotos von Ihrer Lebensgemeinschaft in der Zossener
Straße und dokumentierte die Entstehung einer Skoda-Modenschau.
Kippenbergers Bodeninstallation ist heute legendär – wie erinnern Sie sich
an die Zeit?
An dem Kippenberger-Mosaik, das übrigens lange den Boden unserer
Fabriketage zierte, kann man sehen, wie wir gearbeitet haben: völlig frei
und wild, gar nicht marktbezogen. Wir lebten in einer Kommune, in der jeder
einen künstlerischen Beruf hatte: Klaus Brüger war Schlagzeuger bei
Tangerine Dream, später bei Iggy Pop. Jenny Kapitän wurde Muse von Helmut
Newton, Angelique Riemer malte, mein damaliger Mann Jürgen Skoda war
Bildhauer, Reinhard Bock drehte Super-8-Filme. Das war der feste Kern. Dazu
hatten wir immer Besucher oder temporäre Bewohner. Das Haus war offen, die
Leute kamen vorbei, und wenn man sich gut verstand, blieben sie. Man machte
Projekte zusammen, ging wieder auseinander – es ging locker und familiär
zu. Mit den „Jungen Wilden“ am Moritzplatz und den Gründern des SO 36 waren
wir befreundet. Kippenberger war zu der Zeit ein neidischer Beobachter
dieser Szene, zu der er nicht gehörte. Er war damals ja noch kein
etablierter Künstler.
Die Kreuzberger Hausbesetzer reagierten damals ziemlich unfreundlich auf
die Künstler und ihr Domizil, das SO 36. Man warf Farbbeutel und
verprügelte Besucher. Wie haben Sie das erlebt?
Ich hatte mit dieser Besetzerszene gar nichts zu tun. Das waren ja keine
Künstler. Und wir keine Besetzer – für unsere Fabriketage zahlten wir
natürlich Miete. Meine aktive Polit-Zeit war nach 1970 vorbei, ich fühlte
mich eher dem künstlerischen Underground zugehörig.
Sie fuhren 1972 mit Ihrer ersten Kollektion im Gepäck nach München zu den
Olympischen Spielen und verkauften Ihre Kleider an arrivierte Damen.
Mussten Sie sich von der Szene keine Kommerz-Vorwürfe anhören?
Nö. Ich habe aber auch niemanden gefragt. Ich produzierte ganz viele
Kleider und verkaufte sie an zwei Läden in München. Das lief so gut, dass
ich im nächsten Jahr nach Südfrankreich bin: Ich wollte gezielt an reiche
Yachtbesitzer und ihre Damen verkaufen. Mit zwei Freundinnen und einem
Freund aus der WG lief ich an der Promenade entlang. Die Kleider glitzerten
im Sonnenlicht, und wenn uns Leute ansprachen, sagten wir: „Könnt ihr
kaufen.“ Und das taten sie: In Monte Carlo fingen die Frauen mitten auf der
Straße an, sich die Kleider anzuziehen!
Wie sahen denn diese Sachen aus?
Das waren fließende Kleider mit Farbverläufen aus hauchdünnem Strick. Bunt,
glitzernd, etwas gipsymäßig – so etwas kannte man bis dato nicht. Über
Barcelona zogen wir damit weiter nach Ibiza und veranstalteten mit dort
ansässigen Künstlern zusammen eine Modenschau. Dabei lernten wir Martin
Kippenberger kennen und waren sofort auf einer Wellenlänge. Er drehte mit
einer billigen Kaufhaus-Kamera einen kleinen Film über die Vorbereitungen
zur Modenschau. Der ist demnächst auf der Ausstellung zu unserem Jubiläum
in Duderstadt zu sehen. Zusammen mit dem berühmten Bodenmosaik.
Wer hat Ihre Mode in Berlin gekauft? Die Stücke waren mit über 1.000 Mark
für ein Kleid recht teuer und auch exzentrisch. Für die Wilmersdorfer
Witwen war das wohl eher nichts.
Es gab in Westberlin durchaus Frauen, die das Geld hatten und etwas
flippiger aussehen wollten. Unsere Sachen waren zwar gewagt, aber eben auch
super sexy und feminin.
Zu welchen Gelegenheiten konnte man in Berlin so etwas überhaupt tragen?
Die Berliner Modeszene spielte sich im Nachtleben ab, in den Clubs,
Studentenkneipen, Galerien: Da machte man sich groß zurecht – und das auf
sehr kreative Weise. Tagsüber sah man davon nichts, da war es eine
langweilige Stadt mit gesellschaftlichen Anlässen wie Strandbad und
Sechstagerennen. Es gab trotzdem eine kleine Couture-Szene in Berlin. Das
bekannte Modekaufhaus Horn am Ku’damm hat tatsächlich eine Saison lang
meine Kleider verkauft. Der Einkäufer durfte danach nichts mehr bei mir
bestellen, weil in Horns eigener Abendkleiderabteilung alles hängen blieb –
meine Kleider waren viel progressiver. Eigentlich habe ich ja mit Anzügen
für Männer angefangen, aber der Renner waren dann doch die Frauenkleider.
Und das, obwohl prominente Männer wie David Bowie und Iggy Pop Skoda
trugen.
Iggy Pop suchte sich immer mal was Fetziges für seine Bühnenauftritte raus,
das wir für ihn dann zerrissen haben. Und auch Bowie trug gern
Einzelstücke. Er sagte immer: Was du machst, ist zu glamourös für Berlin.
Du musst nach New York. Bowie wusste, dass ich auf keinen Fall nach Paris
wollte, obwohl ich dort viele Kunden hatte. Aber dort hätte ich mich den
Regeln des etablierten Modebetriebs beugen müssen. Dazu war ich nicht
bereit.
Haben Sie eigentlich niemals die Versuchung verspürt, auf dem großen Markt
durchzustarten?
Dafür hätte man ein richtiges Management gebraucht und auch eine größere
Fertigungsabteilung. Ich produzierte lieber mit Heimarbeitern. Und es ging
mir grundsätzlich gegen den Strich, von einem Modell mehr als fünf Stück zu
verkaufen, ich wollte das nicht an 200 Frauen sehen. Lieber habe ich also
in New York einen Laden eröffnet und pendelte zwischen beiden Städten.
Meine Produktion blieb hier.
Sie waren zuvor Lektorin, aber dann haben Sie sich begeistert in die Welt
der Mode geworfen. Hat das damit zu tun, dass Sie aus einer
Schneiderfamilie kommen?
Eher im Gegenteil. Diese Tradition hat mich eher abgeschreckt. Schon mein
Großvater hatte eine große Maßschneiderei mit Werkstätten im Berliner
Umland. Nach dem Krieg hatten mein Vater und meine Stiefmutter in Steglitz
ein Geschäft, in der Nähe vom Titaniapalast, das damals ein Revuetheater
war. Die ganzen Stars kamen und ließen sich von meiner Stiefmutter Kostüme
nähen. Als Kind hockte ich dazwischen und dachte: Nie in meinem Leben will
ich damit was zu tun haben. Ich sah meine Eltern ja immer nur arbeiten, Tag
und Nacht.
Haben Sie jetzt kürzere Arbeitszeiten?
Ich kann jedenfalls freier arbeiten als meine Eltern. Trotzdem habe ich
auch lange Tage: Neben dem eigentlichen Produkt kümmere ich mich um die
Vermarktung, das Kaufmännische. Ich führe das Geschäft mehr oder weniger
alleine. Meine Stärken liegen allerdings eindeutig im Kreativbereich. Ich
wünsche mir schon jemanden, der mir die andere Arbeit abnimmt. Aber bisher
habe ich das noch nicht geschafft.
Als Berlin 1988 Europäische Kulturhauptstadt wurde, beauftragte Sie der
Senat mit der Organisation einer Gala. Sie nahmen an und blieben dann
dauerhaft hier. Warum?
Man hatte mich gefragt, weil meine Modenschauen anders waren als die
herkömmlichen Laufsteg-Shows: Es waren Spektakel mit Musik, Tanz,
Schauspiel und Kunst, die ich selbst konzipierte und durchführte. Dafür
hatte ich mir den Markennamen „Dressater“ schützen lassen. Die eigentliche
Modenschau stand unter dem Motto „Dress to thrill“, dafür hatte ich acht
verschiedene Designer eingeladen. Vivienne Westwood aus London, die anderen
kamen aus Los Angeles, Irland, Ungarn, Japan, Frankreich. Alle, die in
dieser Zeit außergewöhnliche Sachen machten, steuerten eine Kollektion bei.
Der drei Meter breite Laufsteg war aus Kruppstahl und hing an einem Seil
von der Decke, entworfen vom Architekten Hans Kollhoff. Die Musik schrieb
Steven Brown von Tuxedo Moon. All das war möglich, weil es einen üppigen
Etat gab. Das machte richtig Spaß. Als Avantgarde-Designerin musste man
sonst meist low budget arbeiten.
1988 war eine politische Zeit: Linksalternative besetzten das Lenné-Dreieck
und organisierten Widerstand gegen die IWF-Tagung. Auch gegen das Label
„Kulturhauptstadt“ gab es Proteste. Wie fühlte sich das als
Senatsbeauftragte an?
Es gab eine Menge Neider, auch aus der Modeszene. Dieses Kleinliche und
Missgünstige, das nervte total! Eigentlich wollte ich sofort wieder nach
New York zurück, bekam dann aber zwei tolle Folgeaufträge, bei denen ich
das Dressater weiterführen konnte. Für eine Dienstleistungsbörse und auf
der Funkausstellung. Ich mochte das. Dann aber fiel die Mauer und mit der
Förderung war Schluss. Die Senatsverwaltungen hatten plötzlich andere
Aufgaben, die mussten Volksbibliotheken für Ostberlin bauen. Es gab also
nur einen Weg: mich als Berliner Modedesignerin mit einem Laden
präsentieren. New York kam nicht mehr in Frage: Für mich war die
Maueröffnung ein großartiges Ereignis – ich konnte es kaum erwarten,
rüberzugehen und mir alles anzugucken. Schließlich hatte ich noch
Erinnerungen an die Zeit vor dem Mauerbau.
Ihr erstes Berliner Geschäft haben Sie auf dem Kurfürstendamm eröffnet.
Warum sind Sie nicht gleich in den Osten?
1991 war das noch Brachland, ich hätte dort nichts verkauft. Ich ging erst
mal an den Ku’damm und ließ mir den gesamten Laden von dem Designer Marc
Newson gestalten. Er sah aus wie ein Raumschiff und lockte
Architekturstudenten aus aller Welt an. Nach zehn Jahren war dann die Zeit
endlich reif für Mitte. Das war wie ein Umzug von einer Stadt in die
andere. Ich hatte zunächst Werkstatt und Laden in der Linienstraße. Das war
irre, was da alles los war, wie sich alles beinahe täglich veränderte. Zwei
Jahre später zog ich nochmal um in die Alte Schönhauser Straße. Ich hatte
Werkstatt und Laden in einem Haus, später wohnte ich auch da. Die Nachbarn
waren toll, jeder Laden war besonders: Die Architekturbuchhandlung Pro
Quadratmeter, die Designer von Elternhaus, der Modellhut, später Monsieur
Wong. Dann nahm die Entwicklung ihren Lauf. Inzwischen ist es dort fast wie
in der Wilmersdorfer Straße, ein bisschen spießbürgerlich.
Sind Sie deshalb in die Mulackstraße umgezogen?
Nein, das lag vor allem daran, dass die Miete in der Alten Schönhauser um
fast das Dreifache gestiegen war. Dort verdrängen jetzt die großen Ketten
die designergeführten Läden – es ist der ewig gleiche Prozess, wie ich ihn
bereits in Kreuzberg und New York erlebt habe. Ich war damals vor Boss da
und habe geholfen, die Gegend hip zu machen. Aber so ist das halt.
Sie verstehen sich als Impulsgeberin für die Modeszene. Besteht da nicht
die Gefahr, dass jemand Ihre Entwürfe klaut und sie als Industriestrick
billig verkauft?
Das passiert andauernd. Gerade mir, die ich mitgeholfen habe, den Strick
als Thema in der Mode zu etablieren. Vorher waren Strickteile nur
Accessoires. Jetzt kann man sie aus keiner Designerkollektion wegdenken.
Immer wieder kommen mir Stücke dann allzu bekannt vor: Kürzlich habe ich
bei der Männershow von Etro sogar eine Originalhose von mir gesehen – die
war vorher bei mir im Laden gekauft worden. Klar ist das dreist, aber es
bringt wenig, sich darüber aufzuregen. Ich versuche es positiv zu sehen:
Meine Entwürfe finden Anklang!
Das klingt sehr entspannt – nervt es Sie denn nicht, wenn andere Ihre Ideen
zu Geld machen?
Ach, ich habe in den Neunzigern und nuller Jahren auch schon Kollektionen
für andere gemacht, für Marccain oder Joop, das hatte auch seinen Reiz.
Skurril wurde es allerdings, als ich für das Berliner Label Zappa
Strickkollektionen in Hongkong machen sollte. Da hingen in der Agentur
Strickmodelle aus aller Welt, die es nachzumachen galt. Darunter Stücke von
mir – ich wurde dafür bezahlt, dass ich mich selbst kopierte. Lustig,
nicht?
7 Sep 2013
## AUTOREN
NINA APIN
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