# taz.de -- Die Farm, die Pipeline und das „öffentliche Interesse“ | |
> PIPELINE STORIES Julia Trigg Crawford suchte einst als Headhunterin | |
> Führungskräfte für Unternehmen, jetzt verteidigt sie ihre Farm gegen die | |
> Keystone XL | |
AUS PARIS, TEXAS, DOROTHEA HAHN | |
Wer Julia Trigg Crawford auf ihrer Farm bei Paris, im Nordosten von Texas, | |
besucht, geht zu einem Shooting-Termin. Wird fotografiert und gefilmt. | |
Nicht von der Gastgeberin. Sondern von zwei Männern in signalfarbenen | |
Westen, die auf der unwillkommenen Baustelle auf ihrem Land auf und ab | |
patrouillieren. | |
Die beiden arbeiten für Michels Pipeline, ein Subunternehmen von | |
TransCanada. Weshalb sie die Aufnahmen machen? „Für den Fall, dass etwas | |
passiert, brauchen wir eine Dokumentation“, sagt ein Mann aus Tulsa. Er | |
stellt sich als „Inspektor“ vor. Und sagt: „Ich weiß nicht, ob ich für … | |
gegen die Pipeline bin“. | |
Schon in den Wochen, bevor TransCanada im Mai damit begonnen hat, den Boden | |
auf dem beschlagnahmten Korridor auf der Red Arc Farm aufzureißen, wurde | |
Julia Trigg Crawford auf ihrem eigenen Land auf Schritt und Tritt | |
beobachtet und fotografiert. Die selbstbewusste Texanerin hatte das Geld | |
von TransCanada abgelehnt und sich öffentlich gegen die Keystone XL | |
ausgesprochen. Offenbar befürchteten die Pipelinebauer Demonstrationen. | |
Rund 100 Kilometer weiter südlich, in Winnsboro, hatten „Treesitter“ | |
Baumhäuser auf der geplanten Pipeline-Trasse gebaut und bezogen. Ende | |
vergangenen Jahres blockierten sie darin wochenlang die Bauarbeiten (vgl. | |
taz vom 5. 1. 2013). | |
Aber Julia Trigg Crawford geht anders vor. Sie gibt eine archäologische | |
Studie in Auftrag. An Stellen, von denen TransCanada behauptet hatte, sie | |
wären „leer“, findet ihr Archäologe indianische Begräbnisstätten, Schmu… | |
und Töpferei. Und sie zieht vor Gericht. | |
Sie ist eine erfahrene Geschäftsfrau. Hat jahrelang in Houston als | |
„Headhunterin“ gearbeitet und Führungskräfte für große Konzerne gesucht… | |
angeheuert, darunter auch für die Ölindustrie. Ende des letzten Jahrzehnts | |
– und nach einer Scheidung – steigt sie in Houston aus, um ein ganz anderes | |
Management zu übernehmen: die Leitung der Familienfarm im Nordosten von | |
Texas, mit Rindern und Pferden, Mais und Soja. | |
Kaum hat sie umgesattelt, wird bekannt, dass TransCanadas Pipeline über ihr | |
Land führen soll. Statt sich in die Landwirtschaft zu stürzen, wird die | |
54-Jährige zu einer „akzidentellen Aktivistin“. Sie schreibt einen Blog | |
([1][http://www.standtallwithjulia.com]), sie sammelt Geld für ihren | |
Rechtsstreit, sie organisiert ein Open-Air-Konzert unter den Eichen auf | |
ihrem Land, sie reist zu Hearings in die texanische Hauptstadt Austin und | |
sie wird – im Sommer 2011 – bei einer nationalen Demonstration gegen die | |
Keystone XL vor dem Weißen Haus in Washington festgenommen. | |
Je aktiver sie ist, desto länger wird ihre Liste von Anliegen. Anfangs will | |
Julia Trigg Crawford „nur“ ihr Land verteidigen. „Ich bin die Verwalterin | |
dieses Landes“, sagt sie, „wieso sollte ein ausländisches Unternehmen das | |
Recht haben, darauf ein Projekt zu seiner Bereicherung zu bauen?“ | |
Dann fällt ihr auf, dass jene, die das Recht auf Privateigentum so vehement | |
verteidigen, anders argumentieren, wenn es um Öl geht. Sie lernt etwas über | |
die Gefahren der Ölpest für Land und Wasser. Sie findet die ersten | |
Unterstützungsbriefe und kleine und großen Geldsendungen in ihrem | |
Briefkasten, und ist zu Tränen gerührt. Und dann versteht sie, dass es in | |
Texas einfacher ist, eine Genehmigung für eine Ölpipeline zu bekommen als | |
einen Schönheitssalon zu eröffnen. „Man muss lediglich auf dem Antrag bei | |
der Texas Railroad Commission ankreuzen, dass die Pipeline im öffentlichen | |
Interesse ist“, sagt sie: „Niemand überprüft das. Es basiert auf | |
Vertrauen.“ | |
Ende August weist ein Berufungsgericht in Texas die Klage der | |
Crawford-Familie zurück. Aber Julia Trigg Crawford will nicht aufgeben. Sie | |
will vor das Oberste Gericht von Texas ziehen, um nachzuweisen, dass | |
TransCanada nicht im öffentlichen Interesse des Bundesstaates Texas liegt. | |
„Viele meinen, dass es eine Torheit ist, gegen Big Oil zu kämpfen und dass | |
ich meine Zeit verschwende“, sagt sie, „aber ich werde meine Prinzipien | |
verteidigen. Auch wenn es langwierig und schwer ist.“ | |
13 Nov 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.standtallwithjulia.com | |
## AUTOREN | |
DOROTHEA HAHN | |
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