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# taz.de -- „Ich nehme meine Hörer mit zurück in die Kindheit“
> ZEITREISEN Der Hörspieler Andreas Fröhlich über Juniordetektive, Stimmen,
> Kassettenkinder – und wie er im Sommer einen Rekord aufstellen will
INTERVIEW PAUL WRUSCH
taz: Herr Fröhlich, Sie haben Ken von Barbie gesprochen, sind die deutsche
Stimme von Edward Norton und die der Burger-King-Werbung. Ihre größte Rolle
aber ist Bob Andrews, einer der drei Teenagerdetektive von „Die drei ???“.
Wie tickt er?
Andreas Fröhlich: Man weiß gar nicht, was Bob eigentlich für einer ist.
Kein richtiger Detektiv, nur zuständig für Recherchen und Archiv. Wenn
überhaupt, ist er ein Mittler zwischen Justus und Peter.
Justus ist der Chef des Trios. Peter der smarte Angsthase. Bob nur Nummer
drei.
Eigentlich sollte ich beim Start des Hörspiels 1978 Peter sprechen. Aber
ich konnte so schlecht lesen mit dreizehn. Und Bob hatte weniger Text.
Sie nehmen immer noch regelmäßig neue Folgen auf. Drei Jahrzehnte sind Sie
schon Bob. Klammern Sie sich an Ihre Kindheit?
Das Kindsein ist ein wunderbares Nebenprodukt meines Berufs und speziell
des Sprechers bei den „Drei ???“. Ich halte mich ja nicht an der Kindheit
fest, sondern denke mich in eine kindliche Rolle hinein.
Angefangen mit den Hörspielen haben Sie mit sieben Jahren. Wie kam es dazu?
Begonnen hat das im Kinderchor vom Sender Freies Berlin. Da bin ich durch
ein Nachbarskind hingekommen. Es hat sich aber sehr schnell herausgestellt,
dass ich überhaupt nicht singen kann. Ich hab während der Aufnahmen fürs
Radio die ganze Zeit nur gequatscht und mit Absicht falsch gesungen. Da hat
man mich rausgeworfen.
War das schlimm?
Gar nicht. Es ging ja gleich weiter. Ich wurde in die Hörspielabteilung des
SFB geschickt. Dort habe ich bei den ersten Aufklärungshörspielen
mitgemacht. Ich fand das alles lustig. Nur dass ich über Geschlechtsteile
reden musste, dafür habe ich mich geschämt. Das kannte ich von zu Hause
nicht.
Wie fanden das Ihre Eltern?
Mein Vater, Jahrgang 1915, ein alter, harter Knochen, der hat sich
aufgeregt. Ich erzählte ihm, dass ich „Ich habe einen Pimmel“ sagen musste.
Da hat er beim Sender angerufen und gesagt, ich käme da nie wieder hin. Er
hielt den SFB ohnehin für einen Sender voller roter Socken und linker
Bazillen. Damit war meine Karriere erst mal beendet.
Es ging aber weiter beim SFB. Hat Ihr Vater nachgegeben?
Da lag etwas Zeit dazwischen. Ich habe dann Kindernachrichten gemacht, das
hielt mein Vater für seriös. Da gab’s damals fünfzehn Mark pro Sendung. Ich
fand das toll. Schnell ging es mit anderen Hörspielen weiter und mit ersten
Synchronarbeiten.
Wie haben Ihre Eltern darauf reagiert, dass Sie damit praktisch schon einen
Beruf hatten?
Ich hatte jetzt keine Eislaufeltern, die sagten, du musst. Ich hatte
wirklich Lust. Ich war selbst ein großer Hörspielhörer, damit bin ich
aufgewachsen. Ich fand es natürlich toll, im Studio genau die zu treffen,
die ich von den Hörspielen kannte. Günter Pfitzmann, Hans Clarin und solche
Leute. Stimmen spielten schon damals eine große Rolle für mich.
War Ihre eigene Stimme denn so außergewöhnlich?
Nein. Die haben händeringend nach Kindersprechern gesucht damals. Ich klang
naiv, unschuldig. Und ich spielte gern Sachen nach.
Und aus dem Spiel wurde ein Beruf?
Es wurde Routine. Ich wusste, wie es funktioniert. So in der Pubertät
konnte ich mich nicht mehr hören, nicht mehr sehen, nicht riechen. Und die
Stimme, die war plötzlich nicht mehr die eigene. Ich begann, mich mit
meiner Stimme unwohl zu fühlen. Ich habe mich für andere Dinge
interessiert, für Mädchen. So von sechzehn an bis nach dem Abi, da gab es
schon ein großes Desinteresse an dem Beruf.
Das galt aber nicht für Ihre Rolle als Bob Andrews bei den „Drei ???“.
Nein. Gerade die Aufnahmen haben ja Spaß gemacht. Wir sind mit dem Flugzeug
nach Hamburg, da gab’s Tomatensaft, dann sind wir ins Studio. Die
Regisseurin war eher Kindergärtnerin. Wir haben viel Scheiße gebaut, ihr
schlaflose Nächte beschert. Wir haben den Requisitenschrank leer geräumt
und sind mit dem Luftgewehr an die Alster gezogen.
Wie sehr ähnelten die drei jungen Hörspielsprecher den drei jungen
Detektiven?
Wir sind den Rollen zu der Zeit schnell entwachsen. Wir waren in der
Pubertät, wollten uns ausprobieren. Oli war zum Beispiel Punker. Das muss
man sich mal vorstellen: Justus Jonas, der Detektiv, trägt in Wirklichkeit
Lederkluft und sitzt mit Sicherheitsnadeln in der Backe vorm Mikro.
Und was waren Sie?
Ich war der Spinner, der Träumer. Ich hab mich für Filme und Filmregie
interessiert. Ich wollte kein Kommerzzeug machen, das fand ich alles
furchtbar.
Wann war Ihnen klar, dass Sie in dem Beruf bleiben wollen?
Relativ spät. Nach dem Abi 1984 habe ich mich ausprobiert, hab alles
gemacht, vor der Kamera, hinter der Kamera, Synchron, Hörspiel. 1988 habe
ich dann alles hinter mir gelassen, Freundin, Auto, Wohnung, und bin mit
einem Freund für ein dreiviertel Jahr durch Asien gereist. Diese Reise war
für mich der Wendepunkt. Ich musste mich orten und justieren. Und dann habe
ich mich sehr eindeutig für die Arbeit als Hörspieler entschieden. Gegen
die Arbeit vor der Kamera oder auf der Bühne. Ich wollte nicht sichtbar
sein.
Stehen Sie gern im Hintergrund?
Ja, schon. Ich liebe es, im Dunkeln zu arbeiten, ohne Beobachtung. Wobei es
bis heute so ist, dass je länger ich etwas tue, desto größer ist die
Wahrscheinlichkeit, dass ich was Neues beginne.
Wirklich? „Die drei ???“ machen Sie seit 32 Jahren!
Ja, das ist die große Ausnahme. Das ist dieser rote Faden, der sich durch
mein Leben zieht. Der ist so lang, der rote Faden, dass man nicht sagen
kann, man hört jetzt damit auf.
Aber Sie würden gern aufhören und Bob Andrews endlich loswerden?
Nein. Warum sollte ich so etwas Erfolgreiches nach so langer Zeit aufgeben?
Ich lebe diese Rolle auch nicht. Wir sind sechsmal im Jahr im Studio in
Hamburg. Das ist immer wie ein kleiner Kindergeburtstag. Wir gehen abends
Schnitzel essen und einen trinken. Und tauchen während der Aufnahmen in den
Kosmos der „Drei ???“ ab. Aber sobald die Aufnahmen vorbei sind, lege ich
die Rolle ab.
„Die drei ???“ ist die erfolgreichste Hörspielserie der Welt. Über 40
Millionen Mal haben sich die 138 Folgen verkauft. Der Großteil der Hörer
ist zwischen 20 und 40 Jahre alt. Warum hören ausgerechnet Erwachsene
dieses Kinderhörspiel?
Sie wollen sich die Kindheit bewahren. Hat viel mit Heimat, Geborgenheit
und heiler Welt zu tun.
Man entdeckt ja auch ein Relikt der Kindheit wieder, die Kassette. Der
Großteil der „Drei ???“ wird immer noch als Kassette verkauft.
Ja, die Kassettenkinder. Es geht wohl darum, die Kassette einzulegen, die
erste Seite zu hören, irgendwann macht es klick, und man ist eingeschlafen.
Die Leute hören ja die Folgen selten zu Ende. Es ist ein unglaublich
beliebtes Schlafmittel und absolut unbedenklich in den Nebenwirkungen.
Die Fans wollen nicht erwachsen werden?
Wenigstens am Abend, zum Einschlafen nicht. Da nehme ich die mit dem
Fahrstuhl zurück in die Kindheit. Das kenne ich auch. Meine alten
Märchenschallplatten liegen auch hier rum.
Überrascht Sie der Erfolg der „Drei ???“?
Anfangs gab es ja nichts Vergleichbares. Dann Alfred Hitchcock, der der
Serie seinen Namen gegeben hat, und das ansprechende Design. Und es ist
wohl entscheidend, dass wir drei Sprecher über all die Jahre dabei waren.
Das hat sich etabliert. Wir sind irgendwie die Stones der Hörspielszene.
Und den alten Fans liefern wir einen Kick der Vergangenheit.
Nun sind Sie ja nicht nur Bob Andrews. Sie haben auch Bücher von Henning
Mankell eingelesen und etliche Fantasyromane. Wie läuft die Auswahl? Spielt
Ihr Geschmack dabei überhaupt eine Rolle?
Absolut. Ich mag keine Splatter- und Horrorgeschichten. Extrem
gewalttätiges Zeug, das ekelt mich. Ich identifiziere mich damit, wenn ich
etwas lese. Am meisten mag ich Ich-Erzählungen. Wenn sie leicht tragisch
sind, aber auch humorvoll. Ich habe im vergangenen Jahr eine Edition
herausgebracht mit Sachen, die ich für mich entdeckt habe. Alles
Ich-Erzählungen unterschiedlichster Art, die aber alle etwas mit mir zu tun
haben. Da steckt mein Herzblut drin, war aber ein finanzielles Fiasko.
Ist der deutsche Hörbuchmarkt denn inzwischen nicht mehr lukrativ?
Vor fünf Jahren gab es einen wahnsinnigen Hörbuchboom. Die Rechte sind
relativ günstig, die Produktion auch, und es verkaufte sich. Vor drei
Jahren war der Höhepunkt, und seitdem geht es ziemlich bergab. Es ist alles
schon rauf und runter gelesen worden.
Sie sind seit Ihrer Jugend auch Synchronsprecher. Aber Sie haben einmal
gesagt, dass Sie gar kein Fan der Synchronisation sind.
Das stimmt.
Ist das nicht eine etwas ungewöhnliche Aussage für jemanden, der damit sein
Geld verdient?
Ich schätze gute Synchronisationen, und in Deutschland wird akribisch
gearbeitet. Aber ich bin so lange in dem Job, dass ich alle Stimmen in
Deutschland schon kenne. Ich kann nicht mehr entspannt einen Film gucken,
ohne auf die Sprecher zu achten. Filme im Original zu sehen hat eine ganz
andere Qualität. Zudem sind die Arbeitsbedingungen schlechter geworden.
Früher waren es achtzig Takes, also Einsätze, am Tag, inzwischen sind es
280. Man kommt sich vor wie bei Siemens in der Materialverarbeitung.
Deshalb habe ich mich aus der Synchronisation bis auf die zwei, drei festen
Stimmen rausgezogen.
In anderen Ländern, etwa in Skandinavien, den Beneluxstaaten oder in
Osteuropa, wird viel weniger synchronisiert als in Deutschland …
… ja, und dort sprechen die alle perfekt Englisch. Bei uns wurde schon vor
1939 synchronisiert. Die Amerikaner haben ihre Schwierigkeiten mit
Synchronisation. Die verstehen das gar nicht.
Wann ist eine Synchronisation gelungen?
In erster Linie sollte Synchronisation nicht auffallen. Der Zuschauer soll
ja die Illusion haben, dass die Figuren auf der Leinwand Deutsch im
Original sprechen. Es ist aber oft eine Verfälschung. Man muss immer an
einem Kompromiss arbeiten. Viele US-Regisseure haben heute ein Auge darauf,
wie hier synchronisiert wird. Die lassen sich die Sachen schicken, wählen
Stimmen aus.
Was macht eine gute Stimme aus?
Ich höre gern Persönlichkeit hinter der Stimme. Ich mag Stimmen, die etwas
Unverwechselbares haben. Eine gute Stimme ist vor allem Geschmackssache.
Was prägt diesen Geschmack?
Das hat immer mit verschütteten Erinnerungen zu tun. Wir mögen Stimmen, die
uns vertraut vorkommen. Etwa von Personen, die irgendwann in der Kindheit
aufgetaucht sind. Das passiert ganz unbewusst.
Pflegen Sie Ihre Stimme?
Kaum. Nur mit Zigaretten, Rotwein, Espresso.
Aber trainieren müssen Sie schon, oder?
Auch nicht. Irgendwann lernte ich, mit der Stimme, die ja ein Werkzeug ist,
umzugehen. Die Stimme an sich ist gar nicht so interessant. Es geht darum,
dass einem zugehört wird, und es wird zugehört, wenn man einer Stimme
glaubt. Dazu muss sie authentisch sein. Das Schlimmste ist, wenn der
Sprecher sich in seine eigene Stimme verliebt.
Besonders in der Werbung klingen viele Sprecher selbstverliebt. Sie
sprechen auch Spots. Burger King, Shell, O2, Audi und viele mehr. Würden
Sie für jedes Produkt werben?
Nein. Keine politischen Parteien, kein Alkohol, keine Zigaretten. Ich würde
auch nicht für Media Markt werben, weil mir die Art der Werbung nicht
gefällt.
Weil die so aggressiv ist?
Ja. Ich bin im Grunde genommen kein großer Freund von Werbung. Da geht man
rein, spricht eine Stunde und geht dann nach Hause.
Das klingt abgeklärt.
Ich identifiziere mich ja nicht mit dem Produkt, für das ich werbe. Werbung
ist Geld verdienen. Werbung ist Teil der Arbeit als Hörspieler, das ist ein
Handwerk. Da ist höchste Konzentration gefragt.
Sie reden sich die Werbung schön.
Finde ich gar nicht. Noch einmal: Werbung ist bloß Geldverdienen. Nichts
weiter. Es ist trotzdem eine professionelle Arbeit. Oft geht mir Werbung,
wenn ich sie höre oder sehe, unglaublich auf den Keks. Bei bestimmten
Stimmen hat es mich früher immer gegruselt, wie furchtbar da gesprochen
wurde. Mittlerweile beherrsche ich das auch, weiß, wie ich meine Stimme
einsetze, dass sie so richtig werbisch klingt. Eigentlich furchtbar. Aber
ich kann mir durch Werbung Sachen ermöglichen. Ich kann Projekte machen,
die kein Geld bringen.
Etwa Ihre Hörspieledition?
Genau. Aber immerhin hab ich den Deutschen Hörbuchpreis dafür bekommen.
Sie arbeiten auch an einem Buch. Wie lange schon?
Einige Jahre.
Ist das Arbeit oder Freizeit?
Weder noch. Das ist das Buch.
Wird das ein Roman?
Ja.
Eine Ich-Erzählung?
Genau.
„Die drei ???“ gibt es seit 2002 auch auf der Bühne. Die Tour letztes Jahr
sahen über 100.000 Menschen, wenn man alle Auftritte zusammenrechnet. Wie
kamen Sie eigentlich darauf, ein Hörspiel auf die Bühne zu bringen?
Das ist ja eigentlich absurd. Ein Hörspiel ist zum Hören da, nicht zum
Gucken. Die Idee kommt von uns. Die Aufnahmen bei den „Drei ???“ laufen
schräg ab. Es geht ziemlich wild zu, wir spielen, stehen auf, wirbeln
herum, rütteln aneinander. Wir dachten, das könnte man auch live machen.
Anfangs vor 200 Leute in einer Buchhandlung, dann war das Interesse so
groß, dass wir vor 500 Menschen, dann vor 1.200 gespielt haben. Und bei der
letzten Tour in Köln etwa vor 13.000.
Hat Sie das enorme Interesse an Ihnen als Sprechertrio überrascht?
Das hat uns umgehauen. Wir hatten Angst. Was sagen die, wenn der Vorhang
aufgeht und drei alte Männer da stehen, die vorgeben, Justus, Peter und Bob
zu sein? Das hätte auch in die Hose gehen können wegen der
Desillusionierung. Die Leute gucken anfangs oft an sich runter, sehen, dass
sie auch 25 Jahre älter geworden sind. Dann gibt es eine unglaubliche
Sympathie für uns. Für die Fans war das wichtig, dass die sehen, dass wir
dahinter stehen und das nicht nur runterlesen.
Und am 21. August gibt es erstmals ein Open-Air auf der Berliner Waldbühne.
Das wird unglaublich. 22.000 Leute passen da rein. Das wird das größte
Live-Hörspiel aller Zeiten.
■ Paul Wrusch, 25, ist taz-Redakteur. Vor vier Jahren grub er alte
Kinderkassetten aus und hört nun zum Einschlafen „Bibi Blocksberg“, „TKK…
oder „Die drei ???“
12 Jun 2010
## AUTOREN
PAUL WRUSCH
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