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# taz.de -- Kein Prinz in der Einöde
> INDEPENDENTKINIO In „Butter on the Latch“ und „Thou Wast Mild and Lovel…
> entfaltet Josephine Decker eine düstere Romantik (Forum)
VON ANDREAS BUSCHE
Die amerikanische Filmemacherin Josephine Decker gehört mit gleich zwei
Filmen im Forum-Programm zu den Entdeckungen auf der diesjährigen
Berlinale. Im letzten Jahr stand sie mit ihrem Spielfilmdebüt „Butter on
the Latch“ noch auf der Shortlist der hoffnungsvollsten
US-Independent-Produktionen ohne Vertrieb. Das dürfte sich nach der
Berlinale, wo „Butter on the Latch“ zusammen mit ihrem zweiten Spielfilm
„Thou Wast Mild and Lovely“ gezeigt wird, ändern. Das Forum beweist seit
Jahren ein gutes Händchen für das US-amerikanische Independentkino. Decker
stammt aus dem Umfeld der Mumblecore-Szene. Sie war in kleineren Rollen in
den Filmen von Joe Swanberg, Onur Tukel und Spencer Parsons zu sehen, hat
Dokumentationen fürs Fernsehen produziert und arbeitet nebenbei als
Performancekünstlerin.
## Keine spröde Redseligkeit
Einflüsse der „Performance Art“ sind auch in den fluiden Einstellungen von
„Butter oft he Latch“ unübersehbar. Ihr Erstling hat weniger mit der
spröden Redseligkeit der Mumblecore-Filme gemeinsam als mit dem
naturalistischen Regionalismus im aktuellen US-Independentkino – den Filmen
von Kelly Reichardt, Debra Granik oder Matthew Porterfield. Decker
vermeidet jedoch eine dokumentarische Ästhetik zugunsten einer radikal
subjektivierten Erzählhaltung. Besonders „Butter of the Latch“ gehorcht der
Logik des Stream of Consciousness: Elliptische Sprünge brechen immer wieder
die Handlung ihrer Filme auf, die Kombination aus abrupten Schnitten und
assoziativen Bildfolgen verfassen ein unwirkliches Zeitgefüge.
Verfremdungseffekte, die durch dislozierte Geräusche noch verstärkt werden.
Für „Butter on the Latch“ hat Decker zudem einen speziellen Drehort
gefunden: das Balkan Camp in den kalifornischen Redwood-Wäldern bei
Mendocino. Hier treffen sich jedes Jahr Fans der Balkan-Folkore zu einem
Musikfestival. Auch die Freundinnen Sarah und Isolde mischen sich unter die
(echten) Besucher. Doch schon bald weist die Vertrautheit der Mädchen aus
unerklärlichen Gründen Risse auf. Eine traumatische Erfahrung scheint die
beiden zu verbinden. Isolde hat gerade eine Trennung hinter sich, während
Sarahs Fixierung auf den jungen Musiker Steph zunehmend obsessive Züge
annimmt.
Decker findet eine Balance zwischen der unbeschwerten Festivalstimmung und
der immer stärker zutage tretenden Entfremdung der Freundinnen. Die häufig
eingesetzten Unschärfen sind ein frühes Indiz für Sarahs fragilen Zustand,
der sich bald in ihrer Wahrnehmung der Umwelt zeigt. Der Wald, in dem sich
die Mädchen immer wieder verlieren, wird zur Projektion ihrer Ängste.
Ist der Horror in „Butter on the Latch“, der die weibliche Perspektive von
Peter Weirs „Picknick am Valentinstag“ in eine konsequent ästhetisierte
Form überführt, noch impliziert, bekommt er in „Thou Wast Mild and Lovely“
eine konkrete Gestalt – Reminiszenzen an „Texas Chainsaw Massacre“ sind
nicht zufällig. Akin, gespielt von Joe Swanberg, verbringt den Sommer ohne
seine Familie auf einer kleinen Farm in Kentucky. Sarah, die Tochter des
Farmers Jeremiah und Erzählerin des Films, hat eine blühende pubertierende
Fantasie. Sie ist das Pioniermädchen aus dem amerikanischen Western,
sehnsüchtig wartet sie auf ihren Prinzen, der sie aus der Einöde rettet.
Als Akin auf der Farm auftaucht, scheint die Konstellation zunächst
eindeutig. Er kann sich Sarahs Avancen zwischen mädchenhafter Unschuld und
kühler Berechnung nur schwer entziehen. Decker inszeniert das scheue
Liebesspiel mit einer ätherischen Leichtigkeit, die sie immer wieder an
beiläufige Naturbilder anknüpft.
Den Malick-ähnlichen Naturzauber gibt Decker schließlich aber für eine
düstere Wendung zum Genre hin auf. Man merkt „Thou Wast Mild and Lovely“
an, dass Decker in dem Jahr zwischen den beiden Filmen einiges dazugelernt
hat. Diese Rationalität verleiht „Thou Wast Mild and Lovely“ oftmals eine
Konkretion, der sich „Butter on the Latch“ noch erfolgreich widersetzt.
Deckers zweiter Film, der auf der Berlinale seine Weltpremiere erlebt, ist
manchmal etwas zu eindeutig in seiner Geheimnishaftigkeit. Da werden die
Kühe und Felder etwas zu bewusst als Produktionswerte eingesetzt. Trotz
allem lässt sich schon jetzt sagen, dass das US-amerikanische
Independentkino mit Josephine Decker eine eindrucksvolle weibliche Stimme
gefunden hat.
■ „Butter on the Latch“: 8. 2., Zoo Palast, 22 Uhr; 9. 2., Cubix 7, 15 Uh…
11. 2., CineStar8, 22 Uhr ■ „Thou Wast Mild and Lovely“: 9. 2., CineStar …
20 Uhr; 10. 2., Cubix 9, 22.15 Uhr; 12. 2., Kino Arsenal 1, 15 Uhr
8 Feb 2014
## AUTOREN
ANDREAS BUSCHE
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