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# taz.de -- Die lässige Vermählung von Club und Neuer Musik
> MAERZMUSIK „Falten Sie dieses Notenblatt in 128 gleich große Vierecke“:
> Der Komponist Enno Poppe konzipiert eine Oper als IQ-Test
Ganz schön laut hier. Nicht nur das übliche Stimmengewirr kleidet das Foyer
im Haus der Berliner Festspiele klanglich aus, sondern auch die Skulptur
„Gateway“ des Künstlers Benoit Maubrey, die insgesamt siebenhundert
Lautsprecherboxen auf beiden Seiten des Eingangsbereichs zum Hauptgebäude
versammelt. Da die Installation im Rahmen des „MaerzMusik“-Festivals
entstand, ist sie nicht nur zum Begucktwerden da, sondern vor allem auch
zur Beschallung – und dazu, etwas von dem lässigen Clubambiente zu
verströmen, das man bei diesem Festival so gern vermählen möchte mit dem
Geist der Neuen Musik, die im Allgemeinen eine eher nichtlässige Sache ist.
Auch das Event, mit dem das Festival am Freitag offiziell eröffnet wurde,
ist durchaus eine Mischung aus beidem. „IQ“ heißt die Oper, die der
Berliner Komponist Enno Poppe in Zusammenarbeit mit dem Autor Marcel Beyer
als Librettisten und Anna Viebrock als Regisseurin, Kostüm- und
Bühnenbildnerin erarbeitet hat; eine Produktion, die als Auftragsarbeit für
die Schwetzinger Festspiele entstand.
Auf Anna Viebrock – die dadurch berühmt wurde, dass sie dem Theater des
Christoph Marthaler seine visuelle Prägung gab – kann man sich natürlich
verlassen. Die Mitwirkenden tragen ausgesucht altmodische Hosen und
Pullöverchen, Kleidchen und Mützen, und auch den hinteren Bereichen des
Bühnenbilds haftet jenes liebenswert Verstaubte an, mit dem man das
Marthaler-Viebrock-Theater zu assoziieren gewohnt ist. Dieser Look
behauptet selbstbewusst die individuelle Eigenart der Einzelnen gegen die
Zumutungen des gleichmacherischen Testwesens.
Denn Enno Poppe und Marcel Beyer haben eine Oper in der Form eines IQ-Tests
erstellt. Der Komponist hatte eine Formidee (nämlich eine Oper in soundso
vielen soundso großen Stücken zu komponieren); der Autor fand einen Stoff,
der da hineinpasste. Eine Konzeptoper also, die immerhin so inszeniert ist,
dass sie doch recht wenig langweilt.
Alle Mitwirkenden üben verschiedene Tätigkeiten aus – es geht ja unter
anderem um Hochbegabung. Die Mitglieder des Kammerorchesters agieren auch
als KleindarstellerInnen auf der Bühne und bilden, wenn nötig, den Chor.
Die solistischen AkteurInnen müssen nicht nur singen und spielen, sondern
auch im gemeinsamen Finale ein Instrument klimpern.
Dächte man sich die Inszenierung allerdings weg, blieben dem
rezitativlastigen Werk nur wenige starke Szenen, in der die Musik sich ihr
Recht auf freies Spiel nimmt. Während des Rechentests schwingt das
Schlagwerk sich zu komischer Dramatik auf; und im einzigen arienähnlichen
Auftritt – einer Bluesnummer – hat Sängerin Anna Hauf Gelegenheit zu
zeigen, über welch gegensätzliche Register ihr Stimmorgan verfügt.
Verständlich, natürlich, dass man die vermutlich aufwendigste Produktion
des Musiktheater-Schwerpunkts an den Anfang des Festivals gesetzt hat. Aber
wenn die Kunst vor allem vom Kopf her kommt, wird man halt nur selten
wirklich davon mitgerissen. In den nächsten Wochen freilich sollten sich
noch genügend weitere Gelegenheiten bieten, das aktuelle neue Musiktheater
in seinen kleineren Formen genauer in Augenschein zu nehmen. KATHARINA
GRANZIN
■ Nächste Musiktheaterproduktion in der MaerzMusik: „Shiva for Anne“,
16.–18. 3., je 20 Uhr im Haus der Berliner Festspiele
17 Mar 2014
## AUTOREN
KATHARINA GRANZIN
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