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# taz.de -- Die Diva, der Gigolo und der kleine Mann
> MODE Made in Italy: Das Londoner Victoria & Albert Museum zeigt in der
> Ausstellung „The Glamour of Italian Fashion 1945–2014“ den Glanz, die
> Idee und die Wirtschaftsmacht eines Synonyms für international gültigen
> Luxus
VON BRIGITTE WERNEBURG
Das ist das Ende des Italian Glamour, ging es mir durch den Kopf, als ich
in South Kensington beobachtete, wie ein kleiner Mann in seinen goldenen
Ferrari stieg. Ausgerechnet hier, wo ihn das Victoria & Albert Museum
gerade in einer Ausstellung zur italienischen Mode groß feiert, zeigt es
sich, wie er, peinlich und unsäglich komisch zugleich, als plumpes Vehikel,
Geld zu zeigen, missverstanden wird.
Wenig verwunderlich, dass es mir dann so schien, als komme „The Glamour of
Italian Fashion 1945–2014“ ein wenig wie eine Beerdigung erster Klasse
daher. Gerade, weil die Schau hervorragend gelungen ist. Denn ohne Weiteres
erfahren die BesucherInnen im Verlauf des reich bestückten, mit
handverlesenen Kleidern, Accessoires und ausgesucht informativen Dokumenten
dennoch übersichtlich gestalteten Parcours, wie sich die italienische Mode
aus bescheidenen, noch vorindustriellen und handwerklich geprägten
Umständen zur international gültigen Luxusmarke Made in Italy entwickelt
hat. Und ohne Weiteres erkennen sie am Ende einen deutlichen Stillstand,
wenn nicht Niedergang.
Nicht grundlos beschließt die Ausstellungskuratorin Sonnet Stanfill den
Rundgang mit einem Film, in dem sie einige italienische Spitzendesigner
nach den Ursachen der Krise und möglichen Lösungsvorschlägen befragt.
Unverhohlen attackiert Jacopo Etro, der kreative Kopf von Etro, Giorgio
Armani, wenn er von 70-Jährigen spricht, die nicht los- und junge Talente
hochkommen lassen können. Doch liegen die Probleme, man denke nur am den
goldenen Ferrari, nicht eher an der Willfährigkeit der Designer gegenüber
ihrer Klientel, als an ihrem Alter?
In einer gut bewachten Vitrine ist das Diamant-Smaragd-Set aus Collier,
Ohrschmuck und Ring zu bestaunen, mit dem Richard Burton Elizabeth Taylor
umwarb, nachdem sie sich beim Dreh von „Cleopatra“ heftig ineinander
verliebt hatten. Der Hollywoodstar erstand es 1964 bei dem
höchstrenommierten römischen Juwelier Bulgari. Und das meinte etwas anderes
als die Luxusmarke Bulgari, die seit 2011 zu Bernard Arnaults LVMH-Gruppe
gehört und Sponsor von „The Glamour of Italian Fashion 1945–2014“ ist.
Burton konnte es sich leisten, seiner Liebsten diesen einer Königin
würdigen, viel fotografierten, ikonischen Schmuck zu schenken, weil er
selbst geliebt wurde. Weltweit strömten Millionen von Menschen in seine
Filme und machten ihn reich. Heute kommt für einen solchen Kauf statt des
großartigen Schauspielers und walisischen Arme-Leute-Kinds der Londoner
Banker in Betracht, Absolvent einer britischen Elite-Universität, der den
Libor-Zinssatz manipuliert, „Deutschland, Deutschland über alles“ singt und
dafür fette Boni kassiert.
## Zukunft in der Garderobe
Und dabei fing doch alles einmal so schön an, wie die Ausstellung zeigt.
Nun ja. Es fing unter anderem mit einem, um das Mindeste zu sagen,
politisch belasteten Designer an. Als enger Freund von Edda und Galeazzo
Ciano, Mussolinis Tochter und seinem Schwiegersohn und Außenminister, blieb
der Florentiner Aristokrat Emilio Pucci nach dem Krieg zunächst im
Schweizer Exil. Und weil er sich dort langweilte, begann der Marchese
schicke Skimode zu schneidern. Als er 1947 nach Italien zurückkehrte,
machte er die Freizeit- und Sportkleidung zu einem zentralen Thema der
italienischen Schneiderkunst.
Mit Puccis beispielhaft stilsicher vorexerzierten, informellen Eleganz
begann der Siegeszug der italienischen Mode. Vor allem die Amerikaner, ganz
speziell aber Hollywood begeisterten diese lässige Art der Kleidermode.
Mochten die Damen der New Yorker Gesellschaft nur Paris, aber nicht Pucci
kennen, schwelgte Marilyn Monroe längst in seinen körperbetonenden Jerseys.
Als einziges der Modestudios, die in der legendären Florentiner Sala Bianca
vertreten waren, wo Giovanni Battista Giorgini ab 1952 die ersten
Modeschauen nach dem Krieg organisierte, hat Pucci überlebt. In wenigen
Garderoben, das wird im Rundgang deutlich, steckte so viel Zukunft wie in
seiner.
Unwillkürlich zieht einen, nach einigen wunderschönen Abendkleidern von
Couturiers wie Maria Grimaldi oder Simonetta, deren Namen heute nur noch
Kennern etwas sagen, eine darauf folgende, simple Bluse in ihren Bann. Die
Aztekenfigur ihres Musters schaut überhaupt nicht folkloristisch aus, eher
nimmt sie die Pop-Art vorweg, noch heute ist sie ein attraktives, frisches
Kleidungsstück.
Ohne die kaufkräftige amerikanische Begeisterung für die italienische
Lässigkeit, die gleichwohl mit kostbaren Stoffen, hervorragender
Verarbeitung, vor allem im Bereich der Lederwaren punktete, mit
jahrhundertealten Handwerkstraditionen und -techniken, hätte sich kaum eine
italienische Luxusindustrie entwickelt.
In den 50er Jahren war es vor allem der Schuhmacher Salvatore Ferragamo,
der die Stars von der Westküste (wo er selbst in Hollywood dreizehn Jahre
lang eine Boutique betrieben hatte) und die Damen von der Upper Eastside
nach Florenz lockte. Fendi gab ihnen dazu die großartigen Pelze.
In den 60er Jahren ging es dann um die Bambushenkeltasche von Gucci.
Valentino schneiderte für Elizabeth Taylor. In den 70er Jahren war
schließlich nichts hipper als Fiorucci. Der Mailänder Modemacher arbeitete
erstmals mit Camouflageprints. Seine New Yorker Niederlassung, wo die junge
Madonna und Andy Warhol einkauften, stand im Ruf, ein „Daytime Studio 54“
zu sein.
Und dann kam 1980 „American Gigolo“ in die Kinos und Giorgio Armani in die
Kleiderschränke. Die 80er und 90er Jahre müssen als die großen
italienischen Modejahrzehnte gelten, an deren Anfang neben Armanis rasanter
Karriere auch der steile Aufstieg von Gianni Versace stand. Neugründungen
im Verlauf der 80er Jahre wie Moschino oder Dolce & Gabbana beziehungsweise
die Neubelebungen alter Häuser wie Prada oder eben Gucci unter Tom Ford
sprechen für die Vitalität der Szene.
Mit viel Geschick lässt Sonnet Stanfill zwischen diesen Leuchttürmen des
Italian Glamour einzelne Figuren hervortreten, die wesentliche Innovationen
in der Luxus- und Modeindustrie verantworteten, ohne dass sie über den
Kreis der Fachleute hinaus bekannt geworden wären. Und sie thematisiert in
Diagrammen und Videos auch die regionalen wie globalen Wirtschaftsräume der
italienischen Mode. In Neapel etwa steht Rubinacci dann für eine
Maßschneiderei, die das Jackett schon in den 50er Jahren ungefüttert ließ,
was erst Armani als Standard durchsetzte.
Walter Albini ist eine andere solche Figur. Der Stylist, Modeillustrator
und Designer war ein Pioner des italienischen Pret-à-porter. Mit Krizia und
Missoni zeigt er seine eigene Linie in Mailand statt in Florenz und leitete
damit den Aufstieg der lombardischen Hauptstadt zum italienischem
Modezentrum ein. Heute steht Mailand synonym für Italiens maßgeblichen
Einfluss auf den internationalen Lifestyle nicht nur der Leisure Class,
sondern vor allem des Mittelstands. Ein Name wie Brioni beschwört deshalb
in Deutschland unweigerlich die Zeiten der Hartz-IV-Gesetzgebung herauf.
War das schon das Ende des Italian Glamour? Vielleicht müssen ja kleine
Männer gar nicht in goldene Ferraris steigen, um eine große Idee zu
ruinieren.
■ Bis 27. Juli, Victoria & Albert Museum, London , Katalog 35 £
24 Apr 2014
## AUTOREN
BRIGITTE WERNEBURG
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