# taz.de -- Vier Tage des Ruhms | |
> Das Deutsche Pferdemuseum zeigt John Lennon. Der war zwar kein Reiter, | |
> hat aber vor 40 Jahren einen Abstecher an die Aller gemacht – weil | |
> Regisseur Richard Lester für seinen Film „How I won the war“ einen | |
> Gegensatz zur Wüste brauchte | |
AUS VERDENBENNO SCHIRRMEISTER | |
Dies ist auch die Geschichte einer Panne. Das liegt natürlich daran, dass | |
das Deutsche Pferdemuseum generell nur sporadisch in der taz erwähnt wird. | |
Klar, wer Kinder hat, war vielleicht schon mal da. Kinder und Pferde, das | |
passt gut zusammen, ist auch hübsch dort, die ganze Geschichte der | |
Hippologie und der Equimorphen vom Urpferd bis zur Przewalski-Nachzucht | |
anschaulich aufbereitet. Auch besteht die Möglichkeit der vertiefenden | |
Forschung durch eine Fachbibliothek mit 16.000 Bänden, die weltweit | |
ihresgleichen sucht. Und ein handbetreibbares historisches Karrussell ist | |
aufgebaut, mit hübschen Holzpferdchen, versteht sich, und dass junge | |
Museumsgäste auf denen reiten ausdrücklich erwünscht ist. | |
Nicht zu berühren sind freilich die Königlichen Geschirre, die Ernst August | |
als Dauerleihgabe in die edel restaurierte und für den Museumsbetrieb | |
behutsam zurechtgemachte ehemalige Kaserne gegeben hat: ein Kummetgeschirr | |
für sechs und ein Brustblattgeschirr für acht Rosse. Vor einem Jahr war | |
noch in einer der Vitrinen ein ausgestopftes Fohlen zu sehen, das nur | |
dreibeinig zur Welt gekommen war, und deshalb früh verendet ist. Das ist | |
zwar natürliche Auslese, ging den Kindern aber trotzdem ziemlich nahe. Das | |
süße Pferdebaby! Jetzt ist das Exponat ersetzt: An seiner Stelle ist nun zu | |
sehen, wie es zugeht, wenn ein Pferdezahnarzt ein Pferdegebiss richtet. | |
Es tut sich also etwas im Verdener Museum. Aber leider hat der | |
Pferdefachredakteur der taz nord einen unbefristeten Urlaub angetreten. Und | |
das Infomaterial, das er sich hat zuschicken lassen, ist jenseits seines | |
Postfachs nicht verbreitet worden. Vielleicht hat er den Text auch | |
freiberuflich anderswo vertickt, lukrativer. Jedenfalls hätte die Botschaft | |
schon längst übermittelt werden müssen. Jetzt wird sie es gerade so eben | |
noch kurz vor Toresschluss. Sie lautet: Das Deutsche Pferdemuseum in Verden | |
zeigt John Lennon. | |
John Lennon ist kein Pferd. John Lennon ist wirklich der Oberbeatle John | |
Winston Lennon (1940–1980), und auch als Reiter ist er nur sehr | |
gelegentlich in Erscheinung getreten: Aus der „Sgt. Pepper’s“-Epoche gibt | |
es Bilder, die ihn auf dem Rücken eines Schimmels zeigen. Und in den 1970er | |
Jahren sind Fotos geschossen worden, wie er mit Sohn Julian ein | |
Schaukelpferd in Bewegung hielt. | |
Aber: Lennon war einmal in Verden, und zwar sogar genau im Backsteinbau der | |
alten Holzmarktkaserne, wo heute das Pferdemuseum residiert. Im Herbst | |
1966, also vor exakt 40 Jahren – und hat der Aufenthalt auch nur vier Tage | |
gedauert, so ist nun dafür gesorgt, dass die Spur eine bleibende ist: Nicht | |
nur, dass das Museum eine Sonderausstellung organisiert hat, bei deren | |
Finissage am Sonntag verschiedene Kreismusikschüler Musik der 1960er | |
vortragen werden, mit Schwerpunkt: Beatles, natürlich. Man hat ihm auch ein | |
Denkmal errichtet: drei höhenabgestufte, ungefähr mülltonnengroße Stelen an | |
einer Straßenecke nahe des Aller-Ufers. „Das ist“, erklärt | |
Museums-Direktorin Gisela Fürle, „ziemlich genau der Platz, an dem die | |
Filmszene entstanden ist.“ | |
Filmszene? Jawoll. Es war nämlich so, dass Richard Lester „eine typische | |
Brücke“ brauchte, wie er sie „gerade in Achim fand“, und „dazu die | |
Heidelandschaft als Kontrast zur Wüste“. Der Film hieß: „How I Won The | |
War“, eine sarkastisch-krude Kriegsfilm-Persiflage, in der die Allerquerung | |
von Achim-Etelsen eine Rheinbrücke spielt, und Lennon den Soldaten | |
Gripweed. Eine kleine Rolle: Zu Gripweeds wichtigsten Sätzen gehört seine | |
Klage über Fußschweiß, seine wichtigste Szene ist das Abfeuern der | |
Signalpistole. Brachial-experimentell erzählt der Film die Absurdität des | |
Krieges, veranschaulicht durch den Auftrag, in der nordafrikanischen Wüste | |
hinter den feindlichen Linien einen Cricket-Platz zu errichten, den der | |
komplett idiotische Leutenant Goodbody für seinen Zug dankend | |
entgegennimmt. Dieses Klamauk-Geschehen hat Lester mit Dokumentar-Aufnahmen | |
von der Alliierten-Landung in der Normandie kombiniert, blutspritzendes | |
Hardcore-Material noch heute, und damit die ZuschauerInnen nicht zur Ruhe | |
kommen, foppt er sie durch den massiven Einsatz des Brecht‘schen V-Effekts: | |
Trotz John Lennon ein Flop an den Kinokassen, wäre der Film ohne den | |
populärsten aller denkbaren Darsteller wahrscheinlich komplett vergessen. | |
Die Erinnerung an den Film gibt es also nur in Funktion der kulminierenden | |
Beatlesmania – kurz vor den Dreharbeiten hatte Lennon den Ruhm seiner | |
Popgruppe ganz zurecht mit dem von Jesus verglichen und sich damit | |
furchtbaren Ärger eingehandelt. Genau das legitimiert auch die Ausstellung | |
– und sei es als später Ausläufer dieser Erschütterung in der Südheide. S… | |
dokumentiert das erhebliche Medienecho, das der für die Rekrutenrolle | |
erforderliche Kurzhaarschnitt Lennons hervorrief, sie versammelt | |
Original-Devotionalien, Filmplakate und Zeitungsausschnitte. Und vor allem: | |
die Aussagen von Verdenern, die das Schuleschwänzen und das Zaungastdasein | |
während der Dreharbeiten unversehens zu Zeitzeugen geadelt hat, getrieben | |
von einer weltweiten Hysterie, als deren Epizentrum sich die Kreisstadt an | |
der Aller vier Tage im Herbst 1966 fühlen durfte. Oder musste. Vier Tage | |
lang Ruhm, vier Tage lang Nabel der Welt: Das ist schon ein Denkmal wert. | |
27 Oct 2006 | |
## AUTOREN | |
BENNO SCHIRRMEISTER | |
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