# taz.de -- Wilkinson und seine letzten scharfen Pässe | |
> RUGBY Der RC Toulon gewinnt den Heineken-Pokal. Bald geht es um den | |
> „European Champions Cup“ | |
CARDIFF taz | Jonny Wilkinson sei der erste Rugbyspieler, dessen Spiel wie | |
eine Computeranimation wirke, schrieb ein englischer Journalist vergangene | |
Woche. Die verlässliche Präzision, die das Spiel des Mannes mit der Nummer | |
10 auszeichnet, erreicht in seinen besten Momenten tatsächlich fast den | |
Zustand der Perfektion. | |
So wie Samstagabend im Millennium Stadium von Cardiff, als Wilkinson beim | |
23:6 seines Klubs RC Toulon gegen die Saracens aus London 13 Punkte machte | |
und einen Versuch mit einem traumhaften Pass einleitete. Als Wilkinson zwei | |
Minuten vor Abpfiff ausgewechselt wurde, feierte ihn ein ganzes Stadion mit | |
„Jonny, Jonny“-Rufen. Kurz danach stemmte der Kapitän vor 80.000 Zuschauern | |
den riesigen Pokal in die Höhe, den Heineken Cup, Trophäe des wichtigsten | |
europäischen Vereinswettbewerbs, im Grunde nur vergleichbar mit der | |
Champions League im Fußball. | |
Für Wilkinson ist es zu deren Ende die Krönung seiner Karriere. Der Mann | |
aus Surrey hält fast alle Rekorde, die eine Nummer 10 im internationalen | |
Rugby halten kann. Journalisten bezeichnen ihn oft als „Maschine“, weil | |
Wilkinson so selten Emotionen zeigt. Er hat das eher als Kompliment für | |
seine professionelle Berufsauffassung verstanden. In Cardiff sagte er in | |
Andeutung einer Gefühlsregung, es werde bestimmt komisch sein, wenn er am | |
Wochenende kein Spiel mehr haben und beim Aufwachen kein Kribbeln mehr im | |
Bauch spüren werde. Am Samstag aber endete nicht nur die internationale | |
Karriere eines der besten Rugbyspielers aller Zeiten. | |
Nach 19 Jahren bricht im internationalen Rugby eine neue Ära an, ab der | |
kommenden Saison heißt der wichtigste Rugby-Europapokal „European Rugby | |
Champions Cup“. Nach langem Geschacher geht die Organisation in die Hände | |
der Vertreter der sechs Nationen (Frankreich, England, Irland, Schottland, | |
Wales, Italien) und den Klubvereinigungen aus England und Frankreich sowie | |
Vertretern der Regionen aus Wales über (Irland und Wales schicken die | |
besten Spieler in Regionalauswahlen ins Rennen). Nur noch 20 statt 24 Teams | |
nehmen an der Gruppenphase teil. Die Sponsoreneinnahmen werden sich in den | |
kommenden fünf Jahren auf rund 120 Millionen Euro verdoppeln. Auch die | |
neuen Fernsehverträge versprechen mehr Geld, in den teilnehmenden Ländern | |
ist Rugby ein Sport mit riesigem TV-Publikum. Vor allem französische | |
Topklubs locken mit immensen Gehältern die besten Spieler. Wilkinson soll | |
in Südfrankreich rund eine Million Euro verdienen. Im Kader von Toulon | |
standen am Samstag nur drei Franzosen, das Budget für die Mannschaft liegt | |
bei zehn Millionen Euro. In Frankreich sind es schillernde Klubpräsidenten, | |
die konkurrieren. Vor allem Irland und Wales leiden unter der Dominanz der | |
Franzosen, die besten Spieler wechseln dorthin. | |
In Hamburg scheiterte derweil die deutsche Rugby-Auswahl vor rund 3.000 | |
Zuschauern gegen Russland beim Versuch, ein Ticket für die | |
Weltmeisterschaft 2015 in England zu ergattern. TOBIAS SCHÄCHTER | |
26 May 2014 | |
## AUTOREN | |
TOBIAS SCHÄCHTER | |
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