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# taz.de -- Ein Tyrann, der hoffte, dass Gott ihm verzeiht
> General Augusto Pinochet war in seiner Heimat gefürchtet. Im Ausland –
> vor allem in den USA – genoss der Juntachef hohes Ansehen
PORTO ALEGRE taz ■ Der Diktator prahlte gern: „In diesem Land bewegt sich
kein Blatt, ohne dass ich es weiß“, hat Augusto Pinochet einmal gesagt. 16
Jahre lang herrschte er in Chile, von 1973 bis 1990. Und er verfolgte seine
Gegner gnadenlos. Am Sonntag ist Pinochet im Alter von 91 Jahren gestorben.
Noch in den letzten Monaten tauchte der Greis immer wieder in den
Schlagzeilen auf. Anfang Dezember wurde er zum dritten Mal wegen
Menschenrechtsverletzungen angeklagt und vorläufig unter Hausarrest
gestellt. Noch am 25. November, an seinem 91. Geburtstag, bekannte er sich
trotzig zur „politischen Verantwortung für all das, was getan wurde mit dem
einzigen Ziel, Chile groß zu machen und seinen Zerfall zu vermeiden“.
1915 in der Küstenstadt Valparaíso geboren, trat Pinochet als 17-Jähriger
in die dortige Militärschule ein. Mit Ende dreißig wurde er unter der
Regierung Videla Kommandant eines Lagers, in dem Anhänger der verbotenen
Kommunistischen Partei interniert waren. Dort traf er erstmals auf Salvador
Allende, der als Vertreter des Kongresses das Lager besuchte. Ab 1956
diente Pinochet als Chiles Militärattaché in Washington. Ab 1965 besuchte
er mehrfach Schulungen der U. S. Army, vermutlich stammen viele seiner
engen Verbindungen zu hochrangigen US-Militärs und der CIA aus dieser Zeit.
Im August 1973 ernannte ihn der Sozialist Salvador Allende, der 1970 die
Präsidentenwahl gewonnen hatte, zum Oberbefehlshaber des Heeres. Drei
Wochen später, am 11. September 1973, war es General Pinochet, der den
Putsch gegen den Präsidenten anführte.
Mehr als 3.000 Oppostionelle wurden in den Jahren der Diktatur ermordet,
oder sie „verschwanden“. 30.000 Menschen litten in den Folterzentralen der
Junta, hunderttausende Chilenen gingen ins Exil.
Zur gleichen Zeit wurde Chile zum weltweiten Vorreiter des Neoliberalismus:
Privatisierungen, Massenentlassungen, die Unterdrückung der Gewerkschaften
und Sozialabbau bescherten in- und ausländischen Unternehmen hohe Gewinne.
Die Wirtschaft boomte, die Kluft zwischen Arm und Reich wuchs.
Die Militärdiktatur habe sich durch eine „Kombination von Terror, Projekt,
Zwang und politischem Scharfsinn“ so lange halten können, meint der
Soziologe Tomás Moulian. Zudem habe das Regime der demokratischen
Opposition in den 80er-Jahren seine „Formel des Wandels“ aufgezwungen:
Durch ein neues Wahlrecht bekam die Rechte im Parlament eine
Sperrminorität, mit der sie bis heute Änderungen in der Verfassung von 1980
verhindern kann. Die Militärs blieben mächtig – bis 1998 war Pinochet
Heereschef.
Bis heute ist Chile eines der zehn Länder mit der ungerechtesten
Einkommensverteilung, meint Tomás Hirsch. Der zweimalige linke
Präsidentschaftskandidat der Humanistischen Partei ist überzeugt, dass die
langsam mahlenden Mühlen der Justiz, aber auch die zu behutsame Politik der
„Concertación“ – der seit 1990 regierenden Koalition aus Sozialisten und
Christdemokraten – Pinochet letztlich vor seiner gerechten Strafe bewahrt
haben.
Als Pinochet ab 1998 auf Betreiben des spanischen Richters Baltasar Garzón
in britischer Auslieferungshaft saß, drängte die damalige chilenische
Regierung unter dem Christdemokraten Eduardo Frei so lange auf dessen
Rückführung aus Gesundheitsgründen, bis London einlenkte. Wie zum Hohn
erhob sich Pinochet bei seiner Ankunft in Chile noch auf der Landebahn aus
dem Rollstuhl.
Bei einer Vernehmung 2005 sagte der ehemalige Juntachef, er bedauere
„Verluste“, glaube aber nicht, Fehler gemacht zu haben: „Gott wird mir
verzeihen, wenn ich übertrieben habe.“
GERHARD DILGER
12 Dec 2006
## AUTOREN
GERHARD DILGER
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