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# taz.de -- Wenn das Holz gefriert
> Von den Pappeln wird er gefürchtet. Denn die liebt der Priester des
> groben Stechbeitels besonders. Der Holzbildhauer Stephan Balkenhol mit
> einer Werkschau im Duisburger Museum Küppersmühle
VON PETER ORTMANN
Schnell weg da, weg da, weg.
Mach‘ Platz,
sonst gibt‘s noch Streit,
wir sind spät dran
und haben keine Zeit.
(Hermann van Veen)
Diesen hektischen Zustand, vom niederländischen Barden einst treffend in
ein Lied gepackt, kennt jeder. Doch was wäre, wenn plötzlich, von der einen
auf die andere Sekunde, die Zeit erfröre und die Menschen in ihren
Bewegungen erstarrten? Man könnte um sie herumlaufen, in ihre Gesichter
starren, ihre Kleidung und Habseligkeiten mal in Ruhe betrachten. Ein
voyeuristischer Gedanke, zugegeben, aber kein uninteressanter und es wären
nicht Wenige, die da um einen herum stünden.
Im Duisburger Museum Küppersmühle kann man die Obsession noch ausleben.
Hier wird momentan die bislang umfassendste Werkschau des Bildhauers
Stephan Balkenhol (1957 geboren im hessischen Fritzlar) gezeigt. Sein
Lieblingswerkstoff ist grobstrukturiertes Holz von Pappeln, aus dem er
Skulpturen und Reliefbilder hackt und haut und anschließend bemalt.
Pappelholz war ein schnell nachwachsender Rohstoff, den es um Fritzlar
herum zu Hauf gab und für den Fließbandarbeiter, der unentwegt hölzerne
Unikate schuf, genau richtig.
Bekannt wurde Balkenhol mit geschnittenen Portrait-Reliefs seiner Freunde
bereits Anfang der 1980er Jahre. Gleich nach dem Studium erhielt er bei
Ulrich Rückriem in Hamburg eine Förderkoje auf der renommierten Kunstmesse
art cologne, wo er bereits seine fast seriell hergestellten Holzstelen mit
Menschen und Tieren aus einem Stück zeigte. Schon damals wurden sie ein
Renner bei den Kunstsammlern. Heute hat fast jedes Museum oder
Konzernzentrale in Deutschland eine dieser, auf den ersten Blick gefälligen
Skulpturen ergattert. Auch seine 2006 entstandene Fußballer-Serie dürfte
das Weltmeisterschaftsjahr nicht im Atelier verbracht haben. Das ist schön
für die Brieftasche, aber wohl schlecht fürs künstlerische Image. Auch wenn
Balkenhol, inzwischen zu Recht Professor an der Kunstakademie in Karlsruhe,
als einer der wichtigsten deutschen Bildhauer gilt, ausgerechnet der
Nordrhesse erhielt noch nie eine Einladung zur documenta in Kassel. Das ist
zwar schade, aber sicher auch kein Grund gerade darüber im Katalog
reflektieren zu lassen.
Zurück in den Duisburger Innenhafen. Dort besticht die Masse an Arbeiten,
auch wenn die einzelnen Figuren dabei ihre Konturen verlieren. Der Priester
des groben Stechbeitels, Balkenhol arbeitet manisch ohne Hilfe, schafft es
seinen Figuren, trotz der grobschlächtigen Oberfläche, oder gerade
deswegen, ein merkwürdiges gefrorenes Leben einzuhauchen. Bei ihm spielt es
keine Rolle, ob es sich dabei um einen Mann unter einem Fliegenpilz oder
ein kopulierendes Löwenpaar handelt. Alle Skulpturen besitzen diesen fast
mystischen Blick ins Nichts, der allein die so genannte Gefälligkeit im
Werk negiert und jedes einzelne zum Leben erweckte Holz-Stück zu einem
Erlebnis werden lässt.
Seine jüngste Arbeit ließ die Pappeln in Hessen aufatmen. Die 4,60 Meter
große, eigens für die große Werkschau, die durch drei Museen wandert,
geschaffene Ikarus-Statue ist aus Bronze. Sie allein füllt in Duisburg
visuell einen ganzen Raum. Ikarus ist da bereits auf dem Boden
aufgeschlagen, ein paar Federn liegen umher. Für Balkenhol ist das
untypisch, denn seine Figuren atmen positive Luft. „Ich will alles auf
einmal: Sinnlichkeit, Ausdruck, aber nicht zu viel, Lebendigkeit, aber
keine oberflächliche Geschwätzigkeit, Momentanität, aber keine Anekdote,
Witz, aber keine Kalauer, Selbstironie, aber keinen Zynismus. Und in erster
Linie eine schöne, stille, bewegte, viel- und nichtssagende Figur“, sagt er
selbst zu seinen Arbeiten.
Handwerklich hat er es zur Meisterschaft gebracht, routiniert, ruhig und
abgeklärt wirken seine Schläge mit dem Holzwerkzeug. Und seine Figuren sind
jede Anfahrt wert.
Bis 28. Januar 2007
3 Jan 2007
## AUTOREN
PETER ORTMANN
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