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# taz.de -- Der Steinzeit-Mann
> GESCHICHTE Im Steinzeitpark Albersdorf im Kreis Dithmarschen wird eine
> Kulturlandschaft der Zeit um 3.000 vor Christus rekonstruiert, samt
> Gräbern und Hütten. Die eigentliche Attraktion aber ist der
> Museumspädagoge Werner Pfeifer, der im Steinzeitpark ein Leben wie in der
> Steinzeit führt
VON FRIDA KAMMERER
Noch vor der Ausfahrt Albersdorf an der A7 sieht man eins von diesen
braunen Schildern, die auf Besonderheiten der Region hinweisen sollen:
Steinzeitpark. Gemeint ist ein rund 40 Hektar großes Areal, in dem es um
die Stein- und Bronzezeit geht. Wem die 40 Hektar zu viel sind, kann auch
nur den kleinen Rundgang durch das Dorf machen. Die naturbelassene
Landschaft kann auch mit dem Fahrrad erkundet werden.
Begonnen hat alles 2003 als bei Rastorf, zehn Kilometer südlich von Kiel,
bei Ausgrabungen des archäologischen Landesamtes der Grundriss eines Hauses
aus der Jungsteinzeit gefunden wurde. Das Haus wird auf 15 Meter Länge und
sieben Meter Breite geschätzt. Genau kann man das nicht sagen, nur die
Ausgrabungsstellen und die Löcher in den gefundenen Baumstämmen lassen
darauf schließen.
Die Originalgräber sind leider nicht zu besichtigen, das sind historische
Stätten und stehen unter Denkmalschutz. Diese wurden aber nur 100 Meter
weiter originalgetreu nachgebaut, inklusive Höhlenmalereien und echten
Urnen. Die Kinder können in den Gräbern in einem Sandkasten selber
„Ausgrabungen“ machen. Ein künstliches Hammelskelett gilt es in 30
Zentimetern Tiefe zu finden. Kinder können außerdem selber Naturfarben
mischen und damit malen, Beutel aus Leder basteln und Feuer machen. Beliebt
ist auch der Bogenschießstand, bei dem auf eine Zielscheibe geschossen
wird.
Die wohl interessanteste Attraktion im Steinzeitpark ist Werner Pfeifer.
Der 49-jährige Museumspädagoge ist in Namibia geboren und aufgewachsen. Der
Liebe wegen zog er nach Deutschland und studierte hier Biologie und
Erdkunde auf Lehramt.
Heute steht er in selbstgenähten Lederleggins mit Lederweste vor seinem
Haus. Es ist ein Nachbau jener Häuser, deren Reste bei den Ausgrabungen
gefunden wurden. Er hat ein kleines Haupthaus, das, bis auf das Gerüst,
komplett aus Reet besteht. Hier gibt es drei Baumstümpfe mit Rehfell als
Hocker und eine Feuerstelle. Zwar hat das Dach ein Loch als Abzug, aber
wenn der Wind richtig bläst, wird es schnell rauchig im Häuschen.
Über dem Feuer hängt ein Topf, ein Mitbringsel aus Namibia. Das Abendessen
wird darin gekocht. Was es gibt? „Den letzten Auerhahn von Albersdorf, mit
selbst ausgegrabenem Gemüse!“, sagt Pfeifer mit stolzer Brust – und fängt
gleich an zu lachen. „Nein, den hab’ ich nicht selbst gefangen, der ist vom
Sky nebenan. Genau wie das Gemüse.“
Mit seinem gräulichen Vollbart sieht Pfeifer wirklich aus, als käme er aus
der Steinzeit. Er erinnert ein wenig an Maestro, den netten Mann aus „Es
war einmal ... der Mensch“.
Die Lederleggins sind mit groben Stichen selbst zusammengenäht. Wie bei
einer Cowboyhose, die man beim Reiten über der Jeans trägt. Vorne und
hinten hängt ein Lederschurz über den Lenden. Die Lederweste steht weit ab
und wird auch nur durch grobe Stiche zusammengehalten.
Jetzt im Sommer, wenn es warm ist, wohnt Pfeifer richtig in dem
Steinzeitdorf. Zwar geht er beim Discounter um die Ecke einkaufen, dann in
normalen Kleidern und gelegentlich auch mit dem Auto, aber er verbringt den
ganzen Tag dort.
Das Steinzeitdorf arbeitet eng mit dem archäologischen Institut der
Universität Hamburg und dem Ökologiezentrum der
Christian-Albrechts-Universität Kiel zusammen. Oft bekommt Pfeifer von den
Studenten Besuch. Die Hamburger planen momentan ein kleines Boot aus
Tierhäuten zu bauen. Pfeifer ist das nicht groß genug, er möchte ein
richtiges Kanu, mit dem er auch auf dem kleinen Teich vor seiner Tür fahren
kann.
Die Werkzeuge dafür hat er schon. Stolz zeigt er „den ersten Akkubohrer der
Geschichte“. An einem dünnen Holzstab wird ein zurecht geschlagener
Feuerstein befestigt. Auf die andere Seite des Hölzchens wird eine Kerbe
gefeilt. Dort wird ein Stück Schnur drüber gelegt. An die beiden
Schnurenden wird auch ein kleiner Holzscheit mit einem Loch gebunden, die
Schnur bildet nun ein Dreieck, das Stöckchen wird durch das Loch geschoben.
Zieht man den Holzscheit nach oben oder unten, verdrillt sich der Faden um
den Stock und dreht sich dadurch wie von allein.
„Das ist der absolute Renner bei den Kindern“, sagt Pfeifer. Wenn die
Kinder den Bohrer einmal entdeckt hätten, dann würden sie ihn kaum mehr aus
der Hand geben.
Das Modell gibt es auch etwas simpler: Einfach ein Stock mit Kerbe und
Feuerstein nehmen, an einen Faden zwei Schlaufen machen und schon kann man
den Stock beliebig lange reiben, ohne dass die Hände nach unten rutschen.
So kann man Bohren oder Feuer machen.
Bald wird Pfeifer wieder Besuch bekommen. Ein paar Studenten und Freunde
wollen ein paar Tage bei ihm bleiben. Darüber freut sich Pfeifer am
meisten, wenn er mit mehreren im Steinzeitdorf ist. Rüdiger Kelm vom Museum
für Archäologie und Ökologie Dithmarschen freut sich über Menschen wie
Pfeifer: „Er macht das Dorf erst wirklich lebendig.“
19 Jul 2014
## AUTOREN
FRIDA KAMMERER
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