# taz.de -- Du sollst dir ein Bild von der Welt machen | |
> GEOPOLITISCHE KARTOGRAFIE Nach 1991 und 2001 zeigt Aurel Scheibler 2011 | |
> erneut eine Einzelausstellung des Weltkunstaktivisten Öyvind Fahlström, | |
> der 1976 starb und seither ununterbrochen neu entdeckt wird | |
VON INGO AREND | |
Politik, so hatte es ein Berater Helmut Kohls einmal formuliert, ist die | |
Kunst der intelligenten Wiederholung. Nach dieser Maxime scheint Aurel | |
Scheibler auch seine Galeriearbeit auszurichten. Sonst würde er zum | |
zwanzigjährigen Jubiläum seiner Galerie nicht wieder Öyvind Fahlström | |
ausstellen; so wie schon 1991 und 2001, als Scheibler noch in Köln für die | |
Avantgarde trommelte. Im Sinne seines Künstlers ist das jedenfalls. Auch | |
Fahlström war nie müde geworden, sein Mantra zu wiederholen, das da | |
lautete: Der Künstler soll sich ein Bild von der Welt machen. Und: Kunst | |
soll politisch sein. | |
Das klingt nach Agitation und Propaganda. Und in gewisser Hinsicht sind das | |
die Weltkarten des 1928 geborenen Künstlers, der nach seinem Studium in | |
Stockholm, in Paris und New York wirkte, auch. Denn von Lyndon Johnson, | |
Richard Nixon, Salvador Allende und Papst Paul VI. sind darauf alle | |
politischen Reizfiguren der sechziger und siebziger Jahre versammelt. 1974 | |
entwickelte er sogar ein Brettspiel „Kidnapping Kissinger“. | |
Gleichzeitig ist diese geopolitische Kartografie von Waffenhandel und | |
Umweltverschmutzung ein raffiniertes ästhetisches Unterfangen. So wie hier | |
Fahlström die komplexitätsreduzierende Bildsprache des Comic mit der | |
gestischen Bildidee des Informel verbindet, ist seine Kunst überhaupt eine | |
einzigartige Kombination aus High and Low. Und eine Begegnung von Politik | |
und Poesie, die die „Mappings“, die derzeit die Biennalen der Welt | |
dominieren, zur drögen Pseudosoziologie verblassen lässt. | |
Fahlström war ein Kind des rebellischen Geistes der sechziger Jahre, der | |
immer beides im Auge hatte: Politik und Kunst. 1953 definiert er sie in | |
seinem „Manifesto“ für konkrete Poesie Sprache als Spielmaterial. 1972 | |
verfasste er sein Somba-Manifest für eine „Gesellschaft der Zukunft“. | |
Fahlström zog Multiples und Editionen Originalen vor und liebte die Idee | |
des beweglichen Bildes. Bei Scheibler lassen sich auf einer kleinen | |
Installation mit dem beziehungsreichen Titel „White House“ von 1968 mit | |
Magneten aufsitzende Utensilien – eine kleine Banane, einen | |
Che-Guevara-Kopf oder einen Penis – verrücken. Und auf einer | |
Pool-Installationen kann man die auf dem Wasser treibenden Gliederpuppen | |
der globalen Mächte in eine andere Richtung pusten. | |
Ein Beispiel dafür, welche Anziehungskraft dieser Mann immer noch | |
entwickelt, ist der schwedische Kurator Daniel Birnbaum. Der jetzige Chef | |
des Moderna Museet in Stockholm widmete auf seiner „Welten machen“-Biennale | |
in Venedig 2009 Fahlström einen ganz Raum. Dieser starb 1976, kaum 48 Jahre | |
alt, in Stockholm an Krebs. | |
Der binäre Kode USA = Kapitalismus = Faschismus, der Fahlströms Werk | |
durchzieht, kommt einem angesichts einer Weltmacht von Chinas finanziellen | |
Gnaden heute überholt vor. Wie wenig sein Werk aber bloß ein Museumsstück | |
ist, zeigt seine Installation „Garden – World Model“ aus dem Jahr 1973. S… | |
lassen sich als Blumen des Bösen verstehen. Aus fünfzehn Blumentöpfen | |
wachsen da schlingpflanzenartige Gebilde aus Papier, auf denen das ganze | |
Elend der damaligen Zeit in einer an den Cartoonisten Robert Crumb | |
erinnernden Krakelschrift aufgezeichnet ist: Die Ausplünderung der globalen | |
Ressourcen durch die USA, die Explosion der Umweltverschmutzung. Sie lässt | |
sich aber auch als Flowerpower einer nachhaltigen Utopie goutieren. | |
Fahlströms Idee einer „global cooperation, on a non-profit, people-first | |
basis for all“, wie es auf einer Blüte steht, kann man jedenfalls heute | |
noch getrost unterschreiben. | |
■ Bis 21. April, Öyvind Fahlström, Galerie Aurel Scheibler, Charlottenstr. | |
1, Di.–Sa. 11–18 Uhr | |
23 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
INGO AREND | |
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