# taz.de -- Wie Tennis und Squash, aber weicher | |
> EXOTISCH In Spanien und Südamerika ist Padel-Tennis Volkssport. Dank | |
> spanischen Migranten wächst nun auch in Berlin die Nachfrage | |
VON MORITZ FÖRSTER | |
„Joder!“, fluchen die einen, „Bueníssimo!“, jubeln die anderen. Die ei… | |
spielen sich also gerade großen Scheiß zusammen, während die Vor- und | |
Rückhände bei den anderen bestens sitzen. Sieben Spanier und ein Deutscher | |
beackern die beiden Padel-Tennis-Plätze in der Nähe des S-Bahnhofs Ostkreuz | |
– sie tragen zwei Doppel aus. Während sich die Paarungen die gelben | |
Filzbälle um die Ohren jagen, rauscht alle paar Minuten eine S-Bahn vorbei. | |
Padel-Tennis? Wenn Sie von dieser Sportart bislang noch nichts gehört | |
haben, liegt das daran, dass sie in Deutschland noch in den Kinderschuhen | |
steckt. Beim Padel-Tennis stehen sich Doppelpaarungen gegenüber, wie beim | |
Tennis durch ein Netz getrennt. Eine Wand oder ein Plexiglas umrandet das | |
Spielfeld. Wie beim Squash dürfen die Bälle, nachdem sie auf dem Boden | |
aufgetickt sind, noch gegen die Wand prallen, bevor sie zurückgespielt | |
werden. Selbst starke Schmetterbälle returniert das gegnerische Team daher | |
häufig, indem es diese erst von der Rückwand abprallen lässt. Mit etwas | |
Pech entwickelt sich so aus einem eigenen Angriffsschlag plötzlich eine | |
Steilvorlage für den Gegner. Gezählt wird wie beim Tennis, aufschlagen | |
müssen die Spieler allerdings von unten. | |
Alexander Hillbricht, der Betreiber der Anlage nahe dem Ostkreuz, hält den | |
Ballsport mit den sogenannten Padeln (die ähnlich wie die | |
Beachtennis-Schläger aussehen, aber aus Kunststoff oder Kohlefasern sind) | |
für spektakulärer als den gängigen Tennissport: „Beim Padel-Tennis kommen | |
längere Ballwechsel und mehr unterschiedliche Spielsituationen als in | |
anderen Rückschlagsportarten zustande, das Spiel ist insgesamt etwas | |
komplexer, da man im gesamten Raum denken muss.“ | |
## Führende „Padel-Stadt“ | |
Berlin hat sich – auch dank der spanischen und südamerikanischen Community | |
– zur führenden deutschen „Padel-Stadt“ entwickelt. Gerade für spanische | |
Neuberliner ist der Padel-Tennisplatz ein wichtiger Anlaufpunkt, denn in | |
ihrer Heimat ist der Sport sehr populär. | |
Inzwischen entdecken auch deutsche Hauptstädter zunehmend ihr Faible für | |
die Rückschlagsportart. Die Unterschiede zum Squash: Es wird in Deutschland | |
ausschließlich Doppel gespielt, und der Ball ist weicher, das Spiel dadurch | |
langsamer – es ist weniger anstrengend als Squash. | |
Hillbricht, der in Valencia in einer Tennis-Akademie trainierte und dort | |
auch Padel-Tennis entdeckte, steht an diesem Montagabend mit drei Spaniern | |
auf dem Platz. | |
Seine Mitstreiter Angel Alarcos, Emilio Munoz und Luis Muniesa haben | |
jahrelang in Saragossa und Madrid Padel-Tennis gespielt. In ihrer Heimat | |
hat jeder Stadtteil, jede Wohnsiedlung eine eigene Anlage. Padel-Tennis ist | |
dort Volkssport. | |
Erstmals gespielt wurde der Sport in den 60er Jahren von Enrique Corcuera | |
in Mexiko. Von dort breitete er sich über Südamerika nach Spanien aus. „Das | |
Schöne daran ist, dass, anders als zum Beispiel beim Tennis, auch bei | |
Anfängern sofort Ballwechsel zustande kommen“, erklärt Angel Alarcos. | |
Mütter und Väter spielen in Spanien mit ihren Kindern, Freunde treffen sich | |
am Nachmittag zum gemeinsamen Padeln und die Top-Spieler messen sich auf | |
Turnieren oder in Ligaspielen. | |
Alarcos zog nach seinem Wirtschaftsstudium vor zwei Jahren nach Berlin und | |
ist noch auf Jobsuche. „Man baut sich beim Padel-Tennis ein Netzwerk auf | |
und findet neue Freunde“, erklärt der 28-Jährige in fließendem Deutsch. So | |
gut Deutsch lernen möchte auch der 19-jährige Emilio Munoz, der für einen | |
Sprachkurs nach Berlin kam. Das Einzige, was ihn davon abhält: Munoz, der | |
in einem Monat nach Spanien zurückkehrt und dort Informatik studiert, | |
padelt am liebsten jeden Tag. Und dabei spricht er meistens Spanisch – wohl | |
auch ein Grund, dass sich der Dritte im Bunde, Luis Muniesa, der seit neun | |
Monaten in der spanischen Botschaft arbeitet, noch schwertut mit der | |
deutschen Sprache. | |
## Zur Integration | |
Für die Integration der Neu-Berliner spielt der Sport dennoch eine wichtige | |
Rolle. Sebastian Braun, Sportsoziologe an der Humboldt-Universität, spricht | |
etwa von einem „besonderen Vergemeinschaftungs- und | |
Vergesellschaftungspotenzial“, das die Klubs böten. Umstritten ist in der | |
Wissenschaft allerdings, ob dieser Effekt für Migrantensportgruppen | |
gleichermaßen zutrifft. Die einen befürchten, dass Parallelgesellschaften | |
entstehen. Andere weisen darauf hin, dass sich Migranten in diesen Gruppen | |
aktiv organisieren und ihr soziales Leben in einer für sie neuen | |
Gesellschaft eigenverantwortlich gestalten. | |
Dass die große spanische Gemeinschaft in Berlin den Markteintritt für | |
Padel-Tennis erleichtert hat, hält Alexander Hillbricht unterdessen für | |
sehr wahrscheinlich – schließlich komme der neue Sport in anderen Regionen | |
längst nicht so gut an wie in der Hauptstadt. Während in Berlin rund 13.200 | |
spanische Staatsbürger wohnen, sind es in Hamburg gut 5.500 und in München | |
rund 7.300. Allein 2012 kamen 3.326 spanische Staatsbürger nach Berlin. | |
Im Sommer 2012 hat Hillbricht seine beiden Plätze eröffnet, bereits kurz | |
nach der Winterpause schrieb der gelernte Steuerfachmann schwarze Zahlen. | |
Inzwischen hat „Padel Berlin“ – so der Name des Klubs – über 150 | |
Mitglieder. An diesen Trend anknüpfen möchte auch der Padel Club Berlin | |
International, der zweite Verein an der Spree, den es seit vergangenem | |
September gibt und der in Johannisthal beheimatet ist. | |
Am Ostkreuz ist es unterdessen dunkel geworden. Noch immer zischt der Ball | |
hin und her, inzwischen unter Flutlicht. Kurz vor Spielende hechtet Munoz | |
noch mal verzweifelt einem Ball hinterher. „Vamos! Vamos!“, ruft ihm sein | |
deutscher Doppelpartner Hillbricht lautstark zu. Er hat die Sprache auf dem | |
Court inzwischen gut drauf. | |
21 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
MORITZ FÖRSTER | |
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