# taz.de -- Eine mörderische Rhetorik | |
> ■ Die Regierung des Kongo übernimmt in ihrem Abwehrkampf gegen die | |
> Rebellen jene Hetzschablonen, mit denen 1994 in Ruanda der Völkermord an | |
> den Tutsi ideologisch vorbereitet wurde. In Kinshasa hat eine Jagd auf | |
> Tutsi eingesetzt. | |
Elf Tage nach Beginn der Revolte gegen das Regime Kabila droht in der | |
Demokratischen Republik Kongo die Gefahr, daß der neuerliche Bürgerkrieg zu | |
einem ethnischen Konflikt mit blutigen Konsequenzen ausartet. Denn im Kampf | |
gegen die neue Rebellion, die von Banyamulenge-Tutsi geführt und von Ruanda | |
unterstützt wird, greift die Regierung Kabila zu einer Rhetorik der | |
Rassenhetze, wie sie das Afrika der Großen Seen seit dem Völkermord in | |
Ruanda 1994 von offizieller Seite nicht mehr erlebt hat. | |
„Das kongolesische Volk wird den Traum von einem Hima-Tutsi- Reich in einen | |
Alptraum für die Tutsi in der Region der Großen Seen verwandeln“, tönte | |
Kongos Informationsminister Didier Mumengi auf einer Pressekonferenz am | |
Dienstag. Das war von einem Regierungsmitglied die bisher klarste | |
Darstellung der politischen Linie, die die Regierung in Kinshasa der | |
Bevölkerung seit Tagen pausenlos einhämmert: Da es sich bei der Rebellion | |
um eine ruandische Invasion, um einen Teil eines Tutsi-Komplotts zur | |
Errichtung eines zentralafrikanischen Großreiches handele, könne der Feind | |
nur durch einen Krieg Kongos gegen Ruanda geschlagen werden. | |
Eine nach der anderen werden die Hetzschablonen, mit denen 1994 in Ruanda | |
der Völkermord an den Tutsi ideologisch vorbereitet wurde, seit einigen | |
Tagen in der offiziellen kongolesischen Propaganda neu aufgelegt. Die Tutsi | |
oder die Banyamulenge – generell gleichgesetzt mit Ruandern – trügen | |
„Masken“, die sie jetzt „fallen lassen“ würden. Sie seien herrschsüch… | |
expansionistisch und hinterlistig, man könne ihnen nicht trauen. Staatliche | |
Medien ergehen sich geradezu darin, die „wahre Identität“ der zu den | |
Rebellen übergewechselten ehemaligen Tutsi-Regierungsmitglieder Bizima | |
Karaha und Deogratias Bugera offenzulegen. | |
Denkmuster, die von Ruandas Hutu-Extremisten gerne verwandt wurden, finden | |
sich jetzt auch in den Erklärungen Kabilas wieder. In seiner Rede am | |
Donnerstag letzter Woche übernahm der kongolesische Präsident die von Hutu- | |
Propagandisten immer wieder vorgebrachte Warnung vor einem | |
„Groß-Tutsiland“, dessen Errichtung schon lange zum geheimen politischen | |
Ziel aller Tutsi in der Region erklärt worden sei. Auch erwähnte er die bei | |
Hutu-Extremisten beliebte Gleichsetzung von Tutsi mit Kakerlaken, als er | |
sich in Bezug auf den Konflikt zwischen dem kleinen Ruanda und dem großen | |
Kongo über „den Kakerlaken, der den Elefanten schlucken will“, mokierte. | |
Diese aus dem Hutu-Tutsi-Konflikt Ruandas und Burundis vertraute | |
Verteufelung des Gegners paßt im Kongo gut zur schon länger praktizierten | |
Rhetorik des „nationalen Wiederaufbaus“, wonach sich alle Kongolesen geeint | |
hinter die Regierung zu scharen hätten. Die staatliche Nachrichtenagentur | |
ACP bringt Meldungen mit Überschriften wie: „Der demokratische Arbeiterbund | |
appelliert an die arbeitenden Massen von Stadt und Land, sich den | |
Streitkräften anzuschließen, um den ruandischen Feind zu bekämpfen.“ Die | |
Bevölkerung wird aufgefordert, „Ruander und andere Störer“ der Polizei zu | |
melden. Von Großdemonstrationen wird berichtet, auf denen begeisterte | |
Kongolesen von zehn Jahren aufwärts Transparente tragen mit Parolen wie: | |
„Nein zur Tutsi-Expansion“, „Marschieren wir auf Ruanda“, „Auf Wieder… | |
in Kigali“ oder „Annektieren wir Ruanda als zwölfte Provinz“. | |
Diese Rhetorik bleibt nicht ohne Folgen. Seit Beginn der Rebellion hat in | |
Kinshasa eine Jagd auf Tutsi und Ruander generell eingesetzt. Viele von | |
ihnen sind nachts aus ihren Häusern geholt und eingesperrt worden. Der | |
Erzbischof von Kinshasa beschwerte sich letzte Woche über wiederholte | |
Übergriffe von Regierungstruppen auf kirchliche Einrichtungen. Die größte | |
unabhängige Menschenrechtsorganisation Asadho berichtet: „Ruandischstämmige | |
Personen, besonders Tutsi, sind verhaftet, geschlagen, gefoltert und sogar | |
hingerichtet worden. Razzien in der Stadt Kinshasa, durchgeführt einerseits | |
von den Sicherheitskräften und andererseits von der Bevölkerung, haben zu | |
Plünderungen, Vergewaltigungen und mutwilligen Zerstörungen von | |
Tutsi-Eigentum geführt.“ Die Lage im von Regierungstruppen kontrollierten | |
Gebiet sei daher „beunruhigender“ als im Rebellengebiet. | |
Immer wieder werden auch Forderungen laut, die gesamte ruandische | |
Minderheit im Osten des Kongo zu verjagen. Eine solche ethnische Säuberung | |
war 1996 Auslöser der ersten Banyamulenge-Revolte, die dann Laurent Kabila | |
an ihre Spitze hob und den Diktator Mobutu stürzte. Wie sich diesmal die | |
Geschichte entwickelt, ist schwer einzuschätzen. Da der Großteil der | |
Armeeführung die Rebellen stützt, steht Kabila vor der schwierigen Aufgabe, | |
die eigene Armee zurückerobern zu müssen. Zu diesem Zweck hat er bereits | |
einen „Volkswiderstand“ und die Rekrutierung von „zehn Millionen | |
Milizionären“ angekündigt. Er soll auch dabei sein, ruandische | |
Hutu-Milizionäre anzuwerben, die seit ihrer Flucht aus Kongo/Zaire beim | |
Sturz Mobutus im westlichen Nachbarland Kongo- Brazzaville sowie bei den | |
Unita- Rebellen in Angola stationiert sind. | |
Was dann ihr Kriegsziel ist, hat die kongolesische Regierung schon | |
klargemacht: die weitere Destabilisierung Ruandas. „Der Krieg wird dorthin | |
getragen, von wo er gekommen ist“, tönte Kabila am vergangenen Donnerstag. | |
Sein Sprecher Yerodia Abdoulaye Ndombasi, von Mobutu übernommen, wurde | |
inzwischen deutlicher: „Sie sind es gewöhnt, Leuten die Kehle | |
durchzuschneiden“, sagte er über die Ruander. „Wir werden ihnen die Kehlen | |
durchschneiden.“ Dominic Johnson | |
14 Aug 1998 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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