| # taz.de -- Hannover wär so gern royal | |
| > VERGANGENE GRÖSSE Die 300-jährige Personalunion mit dem britischen Thron | |
| > war Hannovers große Zeit. Die Erinnerung daran wird in der | |
| > Landeshauptstadt bis heute hoch gehalten – ein einseitiges Vergnügen | |
| VON ANDREA SCHARPEN | |
| Hannover feiert seine Könige. Überall hängen Union Jacks. Sogar eine | |
| Straßenbahn fährt im rot-weiß-blauen Design. Es scheint, als wollten die | |
| Hannoveraner was abhaben vom Glanz der britischen Royals. | |
| Und die erleben durch Baby George gerade einen internationalen Hype, | |
| während die heutigen Welfen eher durch Pinkelpannen an türkischen Pavillons | |
| im kollektiven Gedächtnis geblieben sind. Trotzdem: „Der Wunsch danach, | |
| sich mit eigenen Royals zu identifizieren, ist groß“, sagt der | |
| Kunsthistoriker Thorsten Smidt. | |
| Das 300-jährige Jubiläum der Personalunion zwischen London und dem | |
| Kurfürstentum Hannover kommt da gerade recht. „Uns spielt diese Faszination | |
| der Menschen in die Hände“, sagt Smidt, Kurator der Hauptausstellung zur | |
| Personalunion im Niedersächsischen Landesmuseum. | |
| 123 Jahre und fünf Generationen lang saßen Hannoversche Herrscher auf dem | |
| britischen Thron. Doch auch vor 300 Jahren eilte Hannover nicht gerade der | |
| Ruf einer pulsierenden Metropole voraus. Verglichen mit dem schon damals | |
| weltumspannenden Reich der Briten war das Kurfürstentum eher ein | |
| politisches Leichtgewicht. „Die Engländer haben sich auf das Konstrukt nur | |
| eingelassen, um die protestantische Thronfolge zu sichern“, erläutert | |
| Smidt. Herbeigesehnt hatte die Hannoveraner in London also niemand, sie | |
| galten neben den katholischen Thronanwärtern lediglich als das kleinere | |
| Übel. „In London hatten sie keine sehr hohe Meinung vom Kurfürstentum“, | |
| sagt Smidt. | |
| Zu sehen ist das auch an den bitterbösen englischen Karikaturen, die im | |
| Wilhelm-Busch-Museum ausgestellt sind. Die Zeichner gingen kritisch mit den | |
| deutschen Königen ins Gericht – und die boten viel Stoff: Georg I. und | |
| Georg II. wurden mit der Insel nie richtig warm, sprachen nur schlecht | |
| Englisch. Georg III. galt als geisteskrank und konnte viele Jahre nicht | |
| regieren. Georg IV. hatte Spielschulden und Affären. | |
| In London hingen die Karikaturen für jeden gut sichtbar in den | |
| Schaufenstern der sogenannten Printshops. Dagegen konnten auch die | |
| verunglimpften Monarchen nichts ausrichten, denn in England galt seit Ende | |
| des 17. Jahrhunderts weit gehende Presse- und Meinungsfreiheit. „An diese | |
| kritische Öffentlichkeit mussten sich die hannoverschen Könige erst | |
| gewöhnen“, sagt die Direktorin des Wilhelm-Busch-Museums, Gisela | |
| Vetter-Liebenow. Karikiert wurden alle relevanten politischen Themen – nur | |
| Hannover spielte keine Rolle. „Innenpolitik war einfach wichtiger“, sagt | |
| Vetter-Liebenow. | |
| Zudem habe das britische Parlament akribisch darauf geachtet, dass kein | |
| Geld aus englischen Töpfen nach Hannover floss, sagt Smidt. „Der König | |
| sollte seine Stammlande nicht bevorzugen.“ Trotzdem habe das Kurfürstentum | |
| von der Personalunion profitiert. „Gerade zwischen Wissenschaftlern, | |
| Erfindern, Musikern und Militärs gab es einen regen Austausch“, sagt Smidt. | |
| Auch die Universität Göttingen wurde international, galt als | |
| Aufklärungsuniversität. 353 Studenten aus Großbritannien studierten hier | |
| Medizin, Jura oder Philosophie. | |
| Die Ausstellungen zur Personalunion – einige laufen auch in London – hätten | |
| in Großbritannien den Blick auf die Welfen verändert, glaubt | |
| Vetter-Liebenow. „Heute wird geschätzt, was in der Zeit für England getan | |
| wurde“, sagt die Museumsdirektorin. „Und dass das Baby George heißt, war | |
| für uns natürlich ein Knaller“, sagt Smidt und lacht. | |
| Nur einen Dämpfer gab’s. Zu den offiziellen Feierlichkeiten zur | |
| Personalunion im wiederaufgebauten Schloss Herrenhausen kam nicht etwa die | |
| Queen persönlich oder gar Baby-George mit seinen berühmten Eltern. Das | |
| britische Königshaus schickte die Nummer fünf der englischen Thronfolge: | |
| Prinz Andrew. Da war mancher Hannoveraner not amused. | |
| „Königliches Theater“, Wilhelm-Busch-Museum; „Als die Royals aus Hannover | |
| kamen“, Niedersächsisches Landesmuseum Hannover, bis 5. Oktober | |
| 23 Aug 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| ANDREA SCHARPEN | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA |