# taz.de -- herr tietz macht einen weiten einwurf: Meinhofs Höhenflug | |
> FRITZ TIETZ würdigt den Flop des Herrn Fosbury und misst seine | |
> Teppichstange im Garten aus | |
Dick Fosbury, Erfinder des gleichnamigen Flops, ist unlängst sechzig | |
geworden. Im Radio widmeten sie der Hochsprunglegende einen kurzen Beitrag; | |
einen zu kurzen, um genau zu sein. Denn mit zwei Minuten achtzehn, wie ich | |
eigens mitgestoppt habe, fehlten dem Beitrag am Ende ganze sechs Sekunden. | |
Erst dann hätte seine Länge zahlenmäßig der Metermarke von 2,24 | |
entsprochen: die Höhe bekanntlich, mit der Fosbury 1968 in Mexiko so | |
sensationell, weil als erster Flopspringer überhaupt, olympisches Gold | |
gewann. Schade, aber offenbar legen sie beim Radio keinen Wert auf solche | |
kleinen zahlenallegorischen Spielereien. Oder sollten die fehlenden sechs | |
Sekunden ein dezent versteckter Fingerzeig auf Fosburys Geburtsdatum (6. | |
März) gewesen sein? | |
Als ich Freund Hein davon erzählte, meinte der, dass dann der Radiobeitrag | |
zu seinem 60. Geburtstag eigentlich zwei Minuten dreißig dauern müsste. – | |
Wieso das? – Weil sein Rekord im Hochsprung, als er ihn während des | |
Studiums noch fleißig betrieb, bei einem Meter neunzig gelegen habe. | |
Einsneunzig aber ergebe nun mal in Minuten ausgedrückt 2’30’’. Im Übrig… | |
so Hein weiter, sei diese, seine Rekordhöhe exakt die, mit der die berühmte | |
deutsche Fosburyfloperin Ulrike Meinhof 1972 olympisches Gold holte. – | |
Ulrike Meinhof? – Quatsch, er meine natürlich Ulrike Meyfarth. Andauernd | |
würde er diese beiden Ulrikes verwechseln. Ich darauf: Waren es nicht sogar | |
ein Meter zweiundneunzig, die Ulrike Meyfahrth damals in München … ? Hein | |
wusste es besser. Die Goldmedaille hatte sie sich bereits mit den | |
einsneunzig ersprungen. Sie wollte sich dann noch an der damaligen | |
Weltrekordhöhe von einszweiundneunzig versuchen, packte sie an diesem Tag | |
aber nicht. Mal sehen, so Hein dann noch, wie lange der Radiobeitrag zu | |
Ulrike Meinhofs Sechzigsten sein wird. – Meinhof? – Ach, Quatsch … | |
Keine Ahnung, wie lang dereinst der Radiobeitrag über mich sein wird. Wenn | |
ich denn überhaupt einen kriege, dann sicher nicht wegen meiner Leistungen | |
im Hochsprung. Tatsächlich hatte ich da sogar mal einen Wettkampf, und das | |
kam so: Der hier schon häufiger erwähnte Dieter Halle, mein ehemaliger | |
Sportlehrer, fing mich eines Morgens noch vor Unterrichtsbeginn auf dem | |
Schulflur ab. Ob ich zufällig meine Sportsachen dabei hätte. Da wir an | |
diesem Tag keinen Sport hatten, hatte ich nicht. Egal, so darauf Herr | |
Halle, er würde mir schon was Passendes besorgen. Hauptsache, ich stünde ab | |
der ersten großen Pause zur Abfahrt auf dem Lehrerparkplatz bereit. Er | |
werde mich dann mit seinem Auto ins Bielefelder Rußheidestadion bringen, wo | |
an diesem Tag die Leichtathletikmeisterschaften der Schulen stattfänden. | |
Er, Halle, habe es leider versäumt, die Sportcracks unserer Schule | |
(Wagemann, Niedergerke usw.) rechtzeitig dafür zu rekrutieren. Nun ständen | |
die wegen wichtiger Klassenarbeiten kurzfristig nicht zur Verfügung. Ob ich | |
freundlicherweise einspringen könne. | |
Ich war so freundlich. Und trat zwei Stunden später, angetan mit einer viel | |
zu knapp sitzenden Leihhose und einem Paar ausgelatschter Turnschuhe aus | |
dem Fundsachenschrank des Hausmeisters, als einziger Vertreter meiner | |
Schule bei den Stadtmeisterschaften im Fünfkampf an. Zu dem, wie ich jetzt | |
erst realisierte, neben Sprint, Weitsprung, Kugelstoß und 1.000-Meter-Lauf | |
auch der Hochsprung gehörte – eine Disziplin, in der ich mich bis dahin | |
noch nie versucht hatte (und es auch hinterher nie wieder tat). Ich sprach | |
beim Riegenführer vor. Ob er mir den Hochsprung wegen der erwartbar | |
immensen Blamage nicht erlassen könne. Doch der Mann mit der Trillerpfeife | |
scheuchte mich fort. Ich sollte mich wenigstens darum bemühen, egal wie, | |
über die Latte zu kommen. Ergebnis: dreimal die Anfangshöhe gerissen. | |
Höhnisches Gelächter. Null Punkte. | |
Beim Müllwegbringen vorhin die Teppichstange im Garten taxiert. Dann eigens | |
einen Zollstock geholt, um deren Höhe exakt auszumessen: zwo Meter elf. | |
Spaßeshalber Anlauf genommen und mal einen Sprung angedeutet. Unglaublich! | |
Wie manche so hoch springen können. Und das sogar rückwärts. Nicht zu | |
fassen! | |
22 Mar 2007 | |
## AUTOREN | |
FRITZ TIETZ | |
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