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| > KULTURHAUS Das Acud erfindet sich nach einem Eigentümerwechsel gerade | |
| > neu. Heute ist Tag der offenen Tür | |
| VON NINA APIN | |
| Aus dem Innenhof des Acud an der Veteranenstraße schallt um die Mittagszeit | |
| klassische Musik. Aus der Kneipe kommt der leicht quäkige Sound nicht – die | |
| macht erst abends auf. Klangquelle ist das Radio eines Handwerkers, der im | |
| Hof Bretter streicht. Es wird wieder gewerkelt im Acud. Um den Handwerker | |
| herum führen Julie Gayard und Johannes Braun ein paar Besucher. | |
| Journalisten, Schaulustige, die wissen wollen, was sich hier tut. Und | |
| Künstler und Konzertveranstalter auf der Suche nach Auftrittsmöglichkeiten | |
| und Kontakten. | |
| „Das Acud erfindet sich gerade neu“, sagt Julie Gayard ganz unbescheiden. | |
| Die junge Designerin und ihr Kollege gehören zu einer kleinen Gruppe von | |
| Leuten, die im Januar das insolvente alternative Kulturhaus übernahmen – | |
| und jetzt wiederbeleben wollen. Genau genommen aber war die Kultur nie weg | |
| im Acud – das Kino im zweiten Stock zeigte Filme, im Theatersaal | |
| präsentierte sich die Off-Szene. Und im Vorderhaus malten, probten, | |
| schrieben die Kreativen, die sich dort eingemietet hatten. Nur fehlte | |
| irgendwann das Geld: Eine aufwendige Renovierung hatte den Trägerverein des | |
| Hauses 2010 in die Pleite gerissen, auch bei der Suche nach Investoren | |
| hatte man kein Glück. | |
| Als 2014 die Zwangsversteigerung drohte, klagte ein Acud-Vereinsmitglied | |
| Gayard und Braun sein Leid. Die beiden, selbst Zweidrittel einer | |
| Design-Agentur, die gerade eben der hohen Mieten wegen ihre Büroräume in | |
| der Brunnenstraße verlassen mussten, dachten: „Da muss man was tun.“ Mit | |
| dem Acud war ein Projekt in Gefahr, das nach dem Ende des Tacheles als | |
| letztes größeres selbst verwaltetes Nachwendeprojekte von Mitte übrig | |
| geblieben ist – in einer Nachbarschaft, die längst durch Bars, Hostels und | |
| „Concept Stores“ geprägt ist. Als der Entschluss gefällt war, ging alles | |
| ganz schnell, wie Johannes Braun erzählt: „Wir gründeten mit anderen | |
| zusammen eine GmbH, bekamen einen Kredit von der GLS-Bank – und sind jetzt | |
| Eigentümer.“ Braun scheint selbst immer noch darüber zu staunen, wie | |
| schnell er zum Kulturentrepreneur wurde. | |
| ## Die nächsten 22 Jahre | |
| Das neue Konzept sieht so aus: Für die nächsten 22 Jahre bleibt das Acud | |
| als Kulturhaus erhalten, Wohnen bleibt, wie auch bisher, untersagt. Das | |
| sind Auflagen der Investitionsbank Berlin, die dafür die Mieten im Haus | |
| subventioniert. So können die Künstler, Schriftsteller, Musiker, die Musik- | |
| und die Sprachschule, die zum Teil seit vielen Jahren im Gebäude sind, | |
| bleiben. Und neue Mieter kommen hinzu. Vor Kurzem ist, berichtet Gayard, | |
| das Organisationsbüro des CTM-Festivals eingezogen, bald kommt ein | |
| Community Radio. Auch das vom weiter bestehenden Altverein betriebene Kino | |
| und das Theater bleiben, ebenso wie die Kneipe im Vorderhaus. | |
| Dass die Fusion des Alten und des Neuen, von | |
| Do-it-yourself-Nachwende-Spirit und hippem Neu-Kulturunternehmertum noch im | |
| Fluss ist, zeigt sich vielleicht am besten im Internet: die Acud-Website | |
| ist im altmodisch orange-blauen Design gehalten und sieht arg selbst | |
| programmiert aus. Wenn man auf „Galerie & Club“ klickt, wird man zu einer | |
| aufgeräumt-schicken neuen Seite geleitet: „Acud macht neu“ heißt es da, | |
| Bands, Ausstellungen, Symposien und Workshops werden angekündigt. Die | |
| „Neuen“ betonen, das Haus gemeinsam mit den bisherigen Betreibern „als | |
| einen zentralen unabhängigen Ort für die Künste in Berlin“ etablieren zu | |
| wollen. | |
| „Wir wollen niemanden verdrängen und auch nicht alles besser wissen“, | |
| betont Gayard. Sie selbst sei auch zu kurz in Berlin, um sich an die | |
| glorreichen Jahre des Acud erinnern zu können, die Drum-’n’-Bass-Partys in | |
| der Remise, die Siebdruckfestivals. Oder gar an die legendären Anfänge, als | |
| die Wohnungsbaugesellschaft Mitte 1991 den Besetzern einer Ruine in der | |
| Rykestraße als Ausgleich eine beliebige Immobilie in Mitte anbot, woraufhin | |
| sie sich mit dem Acud in der Veteranenstraße niederließen. | |
| Was die neuen Eigentümer aber unbestritten mitbringen, ist ein Draht zum | |
| Zeitgeist in der europäischen Kulturszene. Eine Verbindung, die dem alten | |
| Kulturhaus Acud zwischenzeitlich abhandengekommen war: Events im ganzen | |
| Haus beschränkten sich in den Jahren nach der Renovierung auf ein Minimum, | |
| das Haus wirkte – bis auf den laufenden Theater- und Kinobetrieb – nach | |
| außen abgeschottet. | |
| Das soll jetzt anders werden: Im August führte das Theater ein | |
| Open-Air-Stück im Innenhof auf, auch beim Torstraßenfestival brummte das | |
| ganze Haus vor Leben. | |
| Gayard und Braun zeigen bei einem Rundgang die Orte, an denen sie das Acud | |
| wieder zurück auf die Landkarte der Clubgänger und Kunstgucker holen | |
| wollen. Club und Bar im Erdgeschoss sind frisch renoviert, riechen aber | |
| bereits gut abgehangen wie ein altgedienter Amüsierschuppen. Die | |
| Band-Auswahl besorgen kleine Booking-Agenturen wie Am Start, Puschen oder | |
| Eine Welt aus Hack. Das Studio im ersten Stock mit rotem Lineoleumboden und | |
| freiliegenden Rohren an der Wand dient als Multifunktionsraum für Lesungen, | |
| Workshops und Performances. Der Projektraum im Erdgeschoss zeigt gerade | |
| unter dem Titel „Data & Disaster“ Werke der Grafikerin und Malerin Katrin | |
| von Maltzahn. | |
| Wie weit das alte und das neue Acud bereits zusammengewachsen sind, können | |
| Besucher am heutigen Samstag beim „Offenen Haus“ erleben. Das Tagesmotto | |
| klingt schon mal vielversprechend geschichtsbewusst: „Der lange Weg zurück | |
| nach Mitte“. | |
| 27 Sep 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| NINA APIN | |
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