# taz.de -- Pole-Dancing mit etwas Farbe | |
> KINO „Fick, Fick, Fixation“: Bruce LaBruce versucht sich mit seiner | |
> Bearbeitung von Arnold Schönbergs Melodram „Pierrot Lunaire“ an | |
> darstellender Kunst | |
Mit seinen camp-orientierten, pornografischen Filmen wurde der kanadische | |
Filmemacher Bruce LaBruce zum Helden der schwulen Filmkultur. Filme wie die | |
RAF-Travestie „The Revolution Is My Boyfriend – The Raspberry Reich“ (200… | |
oder der Zombiefilm „Otto; or, Up with Dead People“ (2008) waren | |
vielbesprochene kleine Hits. Mit Arnold Schönbergs „Pierrot lunaire“ geht | |
der kanadische Filmemacher nun Richtung Hochkultur. | |
Arnold Schönbergs 1912 uraufgeführtes Musiktheater, eine Melange aus | |
atonaler Musik und den makabren Gedichten von Albert Girauds, ist ein | |
Klassiker. 2011 inszenierte LaBruce den Stoff am Hebbel-Theater und nun als | |
Film mit vielen stummfilmmäßigen Untertiteln. | |
„As our story begins, our hero, Pierrot Lunaire, and his girlfriend, | |
Columbine, are out on a date.“ Man sieht eine Frau im nächtlichen | |
Scheinwerferlicht, auf der Straße andeutungsweise striptanzen. Im Auto | |
sitzt gespannt ihr Freund, Pierrot (Susanne Sachsse) mit Schnapsflasche. | |
Alles ist schwarz-weiß, stilisiert, zeitlos expressionistisch, auch wenn es | |
heißt, die Handlung spiele in den 70er Jahren. Später knutschen beide, und | |
das Schwarzweiß wird experimenteller. | |
Pierrot wirkt ein bisschen wie ein kesser Vater, erinnert zuweilen auch an | |
Giuletta Masina aus „La Strada“ und in einem schönen Moment auch an Marc | |
Almond. | |
Man sieht das Pärchen an einem Tisch im Cabaret mit dem reichen Vater von | |
Colombine. Später auf der Bühne spielt Pierrot im billigen Arbeiteranzug | |
einen Mann, der eine Frau spielt, die einen Mann spielt. Hinter ihr steht | |
der anvisierte fette Schwiegervater, die 20er-Jahre-Karikatur eines | |
Kapitalisten, und zieht ihr die Hosen runter: es kommt, wie zu erwarten | |
war: „Your mister is a sister.“ | |
Vor dem Spiegel steht Pierrot, bindet sich ein Tuch um die Brüste, um sie | |
zu verstecken. Ihr Wunsch, stolzer Besitzer eines Penis zu sein, ist die | |
eine Ebene der Geschichte. Die parallel mitlaufende andere Ebene besteht | |
aus dem Schönberg’schen Sprechgesang der Pierrot-Lunaire-Gedichte. Der | |
Sprechgesang von Susanne Sachsse ist deutlich; wer die Gedichte nicht | |
kennt, wird trotzdem nur Fetzen verstehen. | |
Der Haupteindruck ist: Kunst. | |
Man hört diesen kunstvollen Sprechgesang, man sieht das blankgebohnerte | |
Schwarzweiß oder Pierrot im offenen Napoleon-Mantel mit appliziertem | |
Gummischwanz und denkt immer nur: Kunst. | |
Eher neidisch als erotisiert sieht sie einem Mann beim Pole-Dancing zu, wie | |
er sich auszieht, seinen Schwanz reibt und schließlich kommt. Später steht | |
einer vor einer „Gloryhole-Guillotine“, der Schwanz ist ab und der Film | |
bekommt ein wenig Farbe. Noch einmal später schneidet Pierrot einem | |
Liebhaber den Schwanz ab, um diesen dem Vater ihrer Geliebten zu | |
überbringen, zum Beweis, dass sie ein Mann ist. | |
Manchmal gibt es Ausdruckstanz, manchmal singt jemand „Fick, Fick, | |
Fixation“, eine Weile ist man gelangweilt, dann geht es wieder. Fans von | |
Bruce LaBruce werden auch diesen Film mögen, irgendwie hat man ihn auch | |
gerne angeguckt, aber letztlich ist man doch enttäuscht. | |
DETLEF KUHLBRODT | |
■ „Pierrot Lunaire“. Regie: Bruce LaBruce. Mit Susanne Sachsse, Luizo Vega | |
u. a. Kanada/Deutschland 2014, 51 Min. Läuft nur am 2. Oktober im | |
Moviemento | |
1 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
DETLEF KUHLBRODT | |
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