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# taz.de -- Hommage in Containern
> FOTOGRAFIE Markus Schaden hat in Köln ein temporäres „Photo Book Museum“
> errichtet – der Initiator will damit auch das Fotobuch als
> Gebrauchsgegenstand würdigen
VON CHRISTIAN WERTHSCHULTE
Ohne Autos kann Köln tatsächlich schön sein. Zumindest, wenn man es durch
das Objektiv des Kölner Fotografen Chargesheimer sieht. Drei Meter hoch
sind die Abzüge der Fotos, die er in den 60ern morgens um halb sechs von
seiner Heimat machte. Jetzt werden sie im Photo Book Museum in seiner
Heimatstadt ausgestellt; jene Stadt, die Chargesheimer liebte, die ihn aber
auch verzweifeln ließ.
## Köln 5 Uhr 30
Morgens um halb sechs hingegen ist Köln noch in Ordnung, selbst an der
Nord-Süd-Fahrt, einer vierspurigen Straße, die die Kölner Innenstadt an
ihren belebtesten Stellen durchschneidet. Gleich mehrere Bilder in seinem
Fotobuch „Köln 5 Uhr 30“ hat Chargesheimer diesem Sinnbild für eine
verkorkste Stadtplanung gewidmet, meist mit den Nachkriegsbürohochhäusern
des WDR im Hintergrund.
„Köln 5 Uhr 30“ ist eines der Fotobücher, von denen Markus Schaden erzäh…
wenn er über die Gründung seines Photo Book Museums spricht. „Die DNA von
Chargesheimer lag in seinen Fotobüchern, er hat dafür ein großes Archiv mit
Matrizen und Briefwechseln angelegt“, sagt der 49-Jährige. Irgendwann wurde
das Chargesheimer-Archiv aufgelöst. Die Prints kamen ins Museum, die
Negative ins Archiv – der Rest wanderte in den Müll.
Ein Unding, findet Schaden, der selbst Fotobücher verlegt. „Unser
Fotobuchmuseum will die Institution sein, die ein Bewusstsein für den
Stellenwert des Fotobuchs schafft.“ Mehrere Container hat er nun in einer
alten Fabrik im rechtsrheinischen Köln aufgestellt, jeder ist einem anderem
Fotobuch gewidmet.
„The Pigs“ von Carlos Spottorno parodiert Layout und Fotosprache des
Economist, aber anstelle von Managern in Anzügen haben die Fotografen den
Alltag in den Krisenregionen Europas abgebildet. Teile ihrer Auflage
versteckte Spottorno schließlich in den Regalen des Zeitschriftenhandels.
Aber das Fotobuchmuseum stellt nicht aus, sondern fragt auch nach den
Auswirkungen von Fotobüchern auf nachfolgende Generationen von Fotografen.
In einem Projekt namens „La Brea Matrix“ haben Fotografen sich gefragt, wie
ein ikonisches Foto, das Stephen Shore von einer Tankstelle in Los Angeles
geschossen hat, sich auf ihre eigenen Arbeiten ausgewirkt hat. Shores Foto
läutete eine neue Ära der Dokumentarfotografie des Nebensächlichen ein und
hängt nicht umsonst direkt neben einem Container mit Fotobüchern von Ed
Ruscha, der gemeinsam mit Shore diese Ästhetik am prägnantesten verkörpert.
## Aktueller Fotoboom
Das Photo Book Museum ist eine Hommage an das Fotobuch als
Gebrauchsgegenstand, als erschwingliches Objekt alltäglichen Luxus. An
einer Wand hat Schaden einzelne Seiten aus dem dritten, gerade erschienenen
Band von „Geschichte des Fotobuchs“ von Martin Parr und Gerry Badger
aufgehängt. Mit der Veröffentlichung des ersten Bands „20TK“ löste der
Fotograf Parr, selbst ein großer Sammler von Fotobüchern, den momentanen
Boom des Fotobuchs aus.
Mittlerweile ist um das Medium ein veritabler Sammlermarkt entstanden. Für
eine Originalauflage der Fotobücher des japanischen Fotografen Daido
Moriyama kann man problemlos einen fünfstelligen Betrag zahlen. Schaden
konterkariert diese Sammelleidenschaft, indem er ein Cover von Moriyamas
Fotobuch aufhängt, nur um dann auf eine kostenlose App hinzuweisen, die das
Buch digital nachbildet.
„Das Fotobuch muss nicht unbedingt eine analoge Form annehmen“, meint
Schaden. „Für uns ist es ein Denken in Serien, Konzepten, Narrationen. Die
meisten Fotobücher nehmen ihren Anfang auf Webseiten.“ Das haben
Kunstfotografen und Fotojournalisten mit Amateuren und ihren Urlaubsbildern
gemeinsam. „Bei den Amateuren hat das Fotobuch mittlerweile das klassische
Fotoalbum abgelöst“, erläutert Markus Schaden. „Für 7,95 Euro kann man s…
ein eigenes Fotobuch zusammenstellen, diesen demokratischen Aspekt von
Fotografie mag ich.“
Kein Wunder also, dass Papier die Container im Fotobuchmuseum dominiert,
und zwar in den verschiedensten Formen.
Der Chinese Jiang Jian veröffentlicht seine Porträts der chinesischen
Landbevölkerung auf einer traditionellen Papierrolle, Stephen Gills
impressionistische Porträts junger Menschen werden erst durch die Körnung
von Film- und Fotopapier so charakteristisch. Nur in der Installation von
„The Afronauts“ von Christina de Middel, die dokumentiert, wie die Sambier
afrofuturistische Fantasien über die Weltraumfahrt dazu nutzten, eine
postkoloniale Identität zu bilden, darf man kunstvoll auf zwei kleinen
iPads herumwischen.
■ Noch bis zum 12. Oktober, Körnerstraße 6–8, Köln. Weitere Stationen be…
Fotofestival in Arles, in Amsterdam, Los Angeles und Dubai sollen folgen
9 Oct 2014
## AUTOREN
CHRISTIAN WERTHSCHULTE
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