# taz.de -- „Da passiert gar nix“ | |
> Bei der Nordischen Ski-WM 2009 steht erstmals auch das Frauenskispringen | |
> auf dem Programm. Jahrelang haben die mächtigen Verbandsfunktionäre | |
> verhindert, dass eine der letzten verbliebenen Domänen des Männersports | |
> fällt | |
MÜNCHEN taz ■ Eva Ganster hat ihre Karriere ein paar Jahre zu früh beendet. | |
2009 ist das Frauenskispringen erstmals Bestandteil des WM-Programms. Die | |
Österreicherin aus Kitzbühel hat lange für die Anerkennung ihrer Sportart | |
gekämpft, sie wagte sich in den 90er-Jahren auf eine Skiflugschanze und | |
durfte 1994 bei Olympia in Lillehammer Vorspringerin sein. Ihr Vater Paul | |
setzte sich dafür ein, dass die Springerinnen eine eigene internationale | |
Wettkampfserie bekamen. 2005 hat sie sich verabschiedet. Sie wollte | |
studieren und im Berufsleben Fuß fassen, nicht ihr ganzes Leben einem Sport | |
unterordnen, in dem sie gegen viele Vorurteile und Widerstände zu kämpfen | |
hatte. Und dennoch sagt sie: „Mir hat es einfach Spaß gemacht. Und so habe | |
ich viele Kritiker und Bedenkenträger meist überhört.“ | |
Es gab die abstrusesten Argumente, die vorgebracht wurden, um die Schanze | |
als eine der wenigen verbliebenen Bastionen des Männersports zu bewahren. | |
„Ihre Wirbelsäulen halten das gar nicht aus“, warnte der einstige | |
Generalsekretär des Deutschen Skiverbandes (DSV), Helmut Weinbuch. Und | |
Gian-Franco Kasper, Präsident des Weltskiverbandes FIS, meinte gar: „Bei | |
der Landung zerreißt es die Gebärmutter.“ Über diese Art der Fürsorge kann | |
Eva Ganster auch heute noch den Kopf schütteln. „Blödsinn, da passiert gar | |
nix.“ | |
Sportlerinnen haben den Boxring erobert, fahren Bob. Auch Biathlon war bis | |
Anfang der 80er-Jahre reine Männersportart. Heute sind die Wilhelms, | |
Henkels und Neuners aus Loipe und Schießstand nicht mehr wegzudenken. An | |
der Sprungschanze aber waren Mädchen und Frauen nur als Beiwerk der Show | |
geduldet: Sie durften Plakate hochhalten und darauf ihre Verehrung für die | |
Helden Schmitt und Hannawald zum Ausdruck bringen („Martin, ich will ein | |
Kind von dir“), sie durften laut kreischen, wenn die Springer zu Tale | |
segelten. Doch weitab dieser Schanzenspektakel versammelte sich eine Gruppe | |
von Springerinnen, die mit Heldenverehrung nichts am Hut hatten, sondern | |
sich selbst auf den Absprungturm wagten. | |
Um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, reichte es für die Springerinnen | |
irgendwann nicht mehr, durch kleinere Orte zu ziehen und den so genannten | |
Ladies Grand Prix auszutragen. Daniela Iraschko aus Österreich wagte sich | |
2003 auf die Skiflugschanze Bad Mitterndorf und segelte 200 Meter weit – | |
Rekord, Sensation und eine Attraktion, weil Fräulein Iraschko feuerrote | |
Haare trug und kein Blatt vor den Mund nahm. Sie wurde in ein paar | |
Fernsehsendungen eingeladen, gab Interviews. Dann war der Rummel schon | |
wieder vorbei. | |
Juliane Seyfarth aus Ruhla in Thüringen ist im vergangenen Jahr mit 15 | |
Jahren Juniorenweltmeisterin geworden. Zuvor erlebte sie eine für ihren | |
Sport nicht unwichtige Premiere: Im Oktober durften sie und ihre | |
Kolleginnen erstmals an der Einkleidung des DSV teilnehmen. Dort erhalten | |
die besten Skisportler ihre Ausrüstung, lassen sich von Sponsoren | |
fotografieren und plaudern mit Journalisten. Die Skispringerinnen und ihr | |
Trainer Daniel Vogler sind nun integriert. Im DSV-Jahrbuch werden sie noch | |
vor den männlichen Kollegen aufgelistet. Sie durften sogar im Sommer 2006, | |
als der Fernsehsender RTL ein bisschen Promotion mit den deutschen | |
Springern in einem Freizeitpark machte, dabei sein. | |
„Die Arbeit muss schon von unten kommen, von den Vereinen“, sagt Vogler, | |
der keine allzu lauten Forderungen stellen will. Erst wenn die Basis stabil | |
sei, könne man eine Aufnahme ins Olympiaprogramm ernsthaft anstreben. | |
Andererseits: „Natürlich brauchen die Mädchen eine Perspektive. Viele | |
müssen aus finanziellen Gründen aufhören.“ Er streitet gar nicht ab, dass | |
das Niveau nicht überall gleich ist. Walter Hofer, Renndirektor der FIS, | |
sagt: „Wir sind von einigen Trainern sogar gebeten worden, in die | |
Frauen-Serien wie den Continental-Cup keine Großschanzen aufzunehmen.“ | |
Eva Ganster freut sich für ihre jungen Nachfolgerinnen, dass sie 2009 in | |
Liberec erstmals um WM-Edelmetall springen dürfen. „Ich werde mir nie eine | |
Medaille um den Hals hängen dürfen. Aber ich bin stolz, dass ich vielleicht | |
bei dieser Entwicklung ein bisschen mitgeholfen habe.“ | |
KATHRIN ZEILMANN | |
8 Mar 2007 | |
## AUTOREN | |
KATHRIN ZEILMANN | |
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