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# taz.de -- So schmeckt der Sommer!Pastis! Ricard? Da steht er
> GETRÄNKE Langsam reicht es mit dem sogenannten Trenddrink Aperol Sprizz –
> aber was trinken wir stattdessen in lauen Nächten? Vier Empfehlungen und
> eine Warnung
Es ist ein normaler Sommertag im Leben eines Drogenkonsumenten. Nach der
Arbeit – wann hört die eigentlich genau auf? – setze ich mich ins tazcafé.
Erst trinke ich Espresso, dann ein Weißbier. Ich hole meine Kinder ab, wir
gehen Pizza essen, ich trinke ein Viertel Rotwein. Später kommt ein alter
Freund zu Besuch, wir trinken Allgäuer Flaschenbier, und ich begleite ihn
noch ein Stück nach Haus, auf einen Absacker. Es ist zu spät für einen
arbeitenden Drogenkonsumenten, und es ist zu heiß, zu laut und zu
verraucht. Eigentlich sollte ich hier nicht mehr stehen, denke ich.
„Die Herren …?“, fragt der Barmann. Man muss zur Bestellung schreiten. Und
da sehe ich sie, die Ricard-Flasche, und höre mich auch schon sagen: „Einen
Pastis, bitte“, und dann beginnt ein einminütiges Verständigungsproblem,
mit den abwechselnd gebrauchten Worten „Pastis“ und „Ricard“ und „ja …
– Pastis“, „Ricard, da steht er“. Ist das geklärt, geht es um die Art,…
ich ihn gern hätte. Auch das gelingt. Und nach dem ersten Schluck bin ich
wieder wach.
Ein junger Mann – irgendwie sind seit einiger Zeit die meisten Männer jung,
wenn ich ausgehe – fragt mich, was ich da denn trinke. Pastis, sage ich;
und er nickt anerkennend. Und bestellt auch einen. Ich hätte ihm aber genau
so gut antworten können: Ich trinke den Gin Tonic des kleinen Mannes.
AMBROS WAIBEL
## The Return of Pimm’s No. 1 Cup
Machen wir es wie die britische Oberschicht und betrinken uns gepflegt, mit
kontrollierter Offensive. Pimm’s als No. 1 Cup in der Karaffe ermöglicht
das sachte Abgleiten in eine fröhliche Beschwingtheit, so langsam, dass man
vor dem Delirium jederzeit aussteigen kann.
Pimm’s sieht aus wie Tee – ist also optisch angenehm unverfänglich, fließt
allerdings mit 25 Volumenprozent Alkohol aus der Flasche, verliert diese
Brisanz aber dadurch, dass es mit klarer Limonade verlängert wird und –
ganz wichtig – mit Gurkenschalen den letzten Schliff erhält.
Gurke, hm.
Dass Pimm’s darüber hinaus sehr gerne von den smarten Bankern in der City
getrunken wird, hat ihm vorübergehend etwas Krisenhaftes verliehen, aber
nun sind Gurken ja längst wieder unverdächtig, und die Banker sacken auch
wieder ihre Boni ein. Krise vorbei, Pimm’s steht.
1823 hat der Londoner Austernbar-Besitzer James Pimm das Getränk auf – was
sonst? – Gin-Basis erfunden, gedacht war der Likör als Verdauungshelfer für
hinterher, dann machte er Karriere als sommerlicher Dauerbegleiter. Heute
trinken ihn die feinen Leute – im Cut die Herren, mit Hut die Damen –, wenn
in Wimbledon die Bälle ploppen und bei der Henley Royal Regatta die Boote
sausen. Und wir? Auf der Terrasse, in kurzen Hosen und Schlappen. FELIX
ZIMMERMANN
## Lassi, das Gewürz-Nirvana
WGs sind wie Bahnhöfe: Ein einziges Rein und Raus. Wer auszieht, veerbt
Nachmietern gern ungeliebte Altlasten. Manchmal entsteht daraus sogar ein
neuer Sommer-Drink. Zum Beispiel so: Auf dem Kühlschrank fand ich mein
Erbe. Es war scharf: 57 Gewürzdosen mit Kardamom, Kreuzkümmel, Curry,
Chili, Palmenblütensamen, Cayennepfeffer, Koriander.
Unsere Vorgängerin zauberte nonstop am Herd, aber für mich haben Kochbücher
sieben Siegel. Zum Wegschmeißen waren die Gewürze trotzdem zu schade. Was
tun? Die Antwort lautet: Lassi! Es ist mehr als ein indisches
Erfrischungsgetränk für Maharadschas. Im Kaukasus heißt es Ayran, in
Afghanistan Dugh und dann gibt es noch mehr Varianten in jedem Land
südöstlich des Urals. Wer Lassi mixt, der experimentiert unendlich oft, und
dabei ist eine Gewürzsammlung Gold wert. Im Grunde bleibt es nur ein
Joghurtmischgetränk. Ich mixe Milch, Joghurt oder Kefir, dann kommt Obst,
und dann wird es spannend: etwas Kardamom? Vielleicht aber auch noch ein
wenig aus der Palmenblüten-Dose? Jeder heiße Tag schmeckt nach einem neuen
erfrischendem Lassi. Jetzt kaufe ich sogar schon nach, weil mein
Gewürzbrett nicht jedem Rezept aus dem Internet gewachsen ist. Heute wird
es Estragon sein, verfeinert mit Dill und Petersilie. MARKUS MÄHLER
## Beschwipste Gurken
Gurken sind die neuen Limetten“ – so sprach neulich der Barkeeper
achselzuckend ob des doch leicht indignierten Blickes seines Tresengasts:
Zwei Scheiben Gurken schwammen im Gin Tonic. Nun haben wir den Salat.
Wer diese neue Freizeit-Grille in Umlauf gebracht hat, ist schwer zu
ergründen. Hinterher will es ja nie einer gewesen sein. Vermutlich
verdanken wir die Gurken in unseren Getränken dem britischen Gin namens
„Hendrick’s“, der traditionell mit Gurke angerichtet wird. Die Briten
werden es gewesen sein, sie haben auch sonst einen Hang zum exzessiven
Gurken-Konsum (siehe auch: Pimm’s). Legendär: das Cucumber-Sandwich.
Der Legende nach verleiht die Gurke besagtem „Hendrick’s“ eine besondere,
säuerliche Form der Frische. Was nun aber deutsche Barkeeper dazu animiert,
Salatgurken auch in Billig-Gordons zu hobeln. Wer weiß, wo das enden wird.
Radieschen im Martini, Brokkoli im Amarena-Becher?
Ein weiteres Erklärungsmuster für die Karriere des Gurken-Gin-Tonics wird
erst ab dem Genuss von mindestens fünf dieser Getränke plausibel: Es
handelt sich um einen ausgeklügelten Ehec-Exorzismus. Der Gin – einst bei
Prostituierten als Syphilis-Vernichter geschätzt – soll wenigstens auf
symbolischer Ebene die fiesen Darmkeime zersetzen. Prost! MARTIN REICHERT
## G’spritzter: praktisch ungenießbar
Wasser mit Wein mischen ist wie Geld drucken, weshalb es in der
sommerlichen Gastronomie beliebt ist. Früher hatte das noch hygienische
Gründe: In Deutschland wurde noch im 19. Jahrhundert Trinkwasser mit etwas
Wein versetzt und so sterilisiert, zuletzt 1892 bei der Choleraepidemie in
Hamburg. Ein guter, handwerklich produzierter Wein ist kein Zufallsprodukt,
sein Geschmack wird vom Winzer so eingestellt, dass er einem speziellen
geschmacklichen Konzept entspricht. Wird der Wein aber mit Wasser geflutet,
wird sein Geschmack banalisiert. Verwässerter Wein ist geschmacklich
uninteressant und nur für die Sauferei gut, was ich in Wien oft beim
G’spritzten beobachtet habe.
Der G’spritzte ist eigentlich ein Achtel Wein, das auf ein Viertel
aufgespritzt wird, kommt aber heute häufig wie Cola aus der Leitung, wird
dabei automatisch mit Kohlensäure versetzt. Im Mund reizt das kitzelnde
Prickeln die Geschmacksnerven. Dieser Reiz lenkt von der geschmacklichen
Substanzlosigkeit ab. G’spritzter wird kalt serviert, weil die
Kälteempfindung am Gaumen die gustatorische Täuschung noch mal verstärkt.
Warm und ohne Kohlensäure wäre G’spritzter praktisch ungenießbar. In Wien
ist G’spritzter auch ein Wort für „Trottel“, was aber wohlwollend gemeint
sein soll. TILL EHRLICH
25 Jun 2011
## AUTOREN
AMBROS WAIBEL / FELIX ZIMMERMANN / MARKUS MÄHLER / MARTIN REICHERT / TILL EHRL…
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