# taz.de -- waltraud schwab über den klimawandel im kleinen: Das Auto, die hei… | |
England säuft ab, Griechenland verbrennt – doch in Berlin ist das Auto | |
weiter eine heilige Kuh. „Nein, nein“, widersprechen VertreterInnen der | |
Parteien im Abgeordnetenhaus, wenn man sie fragt, ob sie sie schlachten | |
wollen. | |
Jetzt aber mal der Reihe nach: In der Berlin wohnen 3,39 Millionen | |
Menschen. Dazu kommen 1,23 Millionen Privatautos. Verkehrsflächen | |
verbrauchen in Berlin 15 Prozent des gesamten Stadtgebiets. Bahn | |
inbegriffen, Parkplätze auf Privatgrundstücken nicht. | |
Ein Parkplatz benötigt mindestens 11,5 Quadratmeter. Wer ein Haus baut, | |
musste bis vor Kurzen für jede Wohneinheit eineinhalb Parkflächen | |
nachweisen. Eine halbe extra wegen der möglichen Besucher. | |
Stellplatzverordnung heißt das dazu passende Gesetz. In letzter Zeit wird | |
es nicht mehr so streng gehandhabt. Berlin platzt parkplatztechnisch aus | |
allen Nähten. | |
Einem Arbeitnehmer steht hingegen gerade mal ein Quadratmeter Pausenraum | |
zu, allerdings darf er nicht kleiner als sechs Quadratmeter und damit halb | |
so groß wie ein Autoparkplatz sein. Ein halber Autoparkplatz ist auch für | |
ein Kind an einer Ganztagsschule für Unterricht und Betreuung vorgesehen. | |
Das wird in den seltensten Fällen eingehalten. | |
So viel Bevorzugung des Autos? Wann ist Schluss? Sind Sie dafür, die Zahl | |
der Autozulassungen endlich zu begrenzen? „Um Gottes Willen“, ruft Jutta | |
Matuschek, Verkehrsexpertin von der Linkspartei, ins Telefon und lacht. | |
„Wie wollen Sie das machen? Unvorstellbar ist das.“ Aber warum? Es ist doch | |
ganz einfach. Sie sagen: Ab 1,5 Millionen Autos in Berlin gibt es | |
Wartelisten. „Das ist mir zu dirigistisch. Wen wollen Sie ausgrenzen?“ | |
Frau Matuschek, überall gibt es Wartelisten! Auf dem Arbeitsamt, vor der | |
Nationalgalerie, auf der Ausländerbehörde, bei OPs, bei der Anmeldung zur | |
Grundschule. Es gibt den Numerus clausus und Zulassungsbegrenzungen bei | |
Ärzten. Selbst wenn man ins Gefängnis muss, muss man warten, bis ein Platz | |
frei ist. Was ist schlimm daran, Berlin nicht noch mehr Autos zuzumuten? | |
„Wir sind nicht die DDR.“ | |
Flankenschutz bekommt die Linksfraktion von der FDP. „Die Zahl der Autos | |
begrenzen – auf keinen Fall“, ruft Klaus-Peter von Lüdecke, Spezialist für | |
Verkehrsfragen bei den Liberalen in sein Handy. „Es hat ja auch noch | |
niemand die Zahl der Bananen begrenzt. Wir leben in einem System der | |
Marktwirtschaft. Ich bin der Falsche, den sie fragen.“ | |
Der Falsche also. Ja. Von Lüdecke braucht Nachhilfe. Sie lautet: Wenn es | |
den Profit steigert und konkurrenzbedingt möglich ist, sind die Akteure der | |
Marktwirtschaft sofort bereit, die Zahl der Bananen zu verknappen. | |
Aber Bananen sind nicht das Thema hier. Das Thema ist: Wer gibt in Berlin | |
den Ton an: Menschen oder Fahrzeuge? „Was soll das“, unterbricht der | |
Rechtsexperte der SPD, Fritz Felgentreu, „Sie vergleichen Äpfel mit | |
Birnen.“ Er sei Jurist, und so eine Begrenzung der Zulassungszahlen sei ein | |
schwerer Eingriff in das Eigentumsrecht. „Obwohl“, sinniert er kurz, „Sie | |
könnten natürlich sagen, jeder könne sich weiterhin ein Auto kaufen, nur | |
zugelassen wird es nicht.“ Aber nein, die Leute müsse man anders zum | |
Verzicht aufs Auto bewegen. Man müsse Stadträume sperren, Tempolimits | |
einführen, Straßen verengen. Finden Sie das nicht traurig, dass Sie als | |
Politiker so zum Dompteur der Autofahrer verkommen? „Glücklich bin ich | |
darüber nicht.“ | |
Bleiben die Grünen. Dirk Behrendt, seines Zeichens Rechtsexperte, steht im | |
Fahrstuhl, als er angerufen wird. Die Verbindung ist schlecht. | |
„Autozulassungen begrenzen – charmanter Gedanke, ich sehe ein | |
Gerechtigkeitsproblem –, war zu Ostern in Peking im Dauerstau.“ Danach | |
bricht die Verbindung ab. Die CDU ist erst gar nicht zu sprechen. | |
England säuft ab, Griechenland verbrennt – doch in Berlin ist das Auto eine | |
heilige Kuh. „Nein, nein“, widersprechen VertreterInnen der Parteien im | |
Abgeordnetenhaus, wenn man sie fragt, ob sie sie schlachten wollen. | |
Ein Tagesticket für die Bereiche ABC der BVG kostet 6,30 € Das | |
Wochenendwetter: ein bisschen von allem – Sonne, Regen, Wind | |
29 Jun 2007 | |
## AUTOREN | |
Waltraud Schwab | |
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