# taz.de -- KUNST | |
Wilhelm Mundt ist ein wahrer Trickster. Denn er versteckt die Dinge so, | |
dass man sie nicht vermisst. Vor über 30 Jahren fing der Bildhauer an, | |
Produktionsabfälle aus seinem Atelier zu durchnummerierten „trashstones“ | |
zusammenzuklumpen. Beim Betrachten fragt man sich trotzdem selten, was | |
drinsteckt, die Oberfläche tritt in den Vordergrund. Wie schafft er das | |
bloß, etwas unsichtbar zu machen, ohne dass der Wegschluss frustriert? | |
Vielleicht ist es das ganz und gar Haptische der trashstones. Wie | |
überdimensionale Kieselsteine liegen sie da, mal rau, mal glatt | |
geschmirgelt, dann wieder uneben und poppig bunt. Inzwischen gibt es gut | |
600 dieser „Klumpen“, wie die Buchmann Galerie auch Mundts aktuelle | |
Einzelausstellung betitelt. Die neue Werkgruppe „Regal III“ von 2015 treibt | |
den seriellen Aspekt der Arbeiten auf die Spitze: Sauber aufgereiht liegen | |
9 trashstones auf einem Stahlregal. Ihr beige-gräulicher Überzug aus | |
glasfaserverstärktem Kunststoff wirkt gummiartig, wie zum Weiterkneten. Die | |
kleineren Klumpen auf dem Boden sind vergoldet oder matt schwarz, so glatt | |
wie Handschmeichler. Anziehend auch die Tuschezeichnungen „Werkzeugecke“ | |
und „Stühleklumpen“, auf Computeranimationen beruhend. Wie man erfährt, | |
zeichnet Mundt Gegenstände auf dem trackpad nach und erweitert sie mittels | |
Kreisbewegungen zu elliptischen Formationen, die die Grundlage seiner | |
Klumpen-Verstecke bilden (Di.–Sa., 11–18 Uhr, Charlottenstr. 13). Um ganz | |
andere Formen der Wiederverwertung geht es am Samstag in den Sophiensælen | |
bei Bettina Knaups Vortrag „Materialist Becomings in Performance | |
Art/Examples from the Re.Act.Feminism Archive“. Im Rahmen der zweitägigen | |
Mini-Konferenz „The Cloud: A Cosmo-Choreography“ des Performance Kollektivs | |
SXS Enterprise geht es nämlich um posthumanistische Beziehungen zwischen | |
Menschen, Tieren, Pflanzen und Materie. Knaup stellt entsprechende | |
Beispiele aus dem Ausstellungsprojekt und Archiv „re.act.feminsim“ vor, | |
Sammel- und Referenzpunkt der feministischen Performancekunst der 1960er | |
und 70er und ihrer Wiederaufführung. Man denke zum Beispiel an Cornelia | |
Sollfranks Schießübungen à la Niki de Saint Phalle von 2008. De Saint | |
Phalle zerschoss schon Ende der 50er ihre Gips-Gemälde-Skulpturen, bis | |
diese Farbe auskotzten. Hier war es das Aufbrechen der Oberfläche, das | |
willkürliche Heraustreten des verklumpten Inneren, das ein Eigenleben der | |
Materie suggerierte. Ich bin gespannt, welchen Weg ins Innen und Außen | |
Knaup wählt (The Cloud: Fr.+Sa., 30.–31. 1., Info: | |
[1][www.sophiensaele.com], Bettina Knaup: 31. 1., 18.30 Uhr; Sophienstr. | |
18). | |
29 Jan 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.sophiensaele.com | |
## AUTOREN | |
NOEMI MOLITOR | |
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