# taz.de -- Wohnen mit Wappensaal | |
> Schaffermahl Heute wird erstmals weiblich geprasst und geschaffert. Doch | |
> wie leben die, denen das Mahl zugute kommen soll? Ein Hausbesuch in Grohn | |
Das kleine Wohnzimmer in Bremen-Grohn ist mit neun Menschen und einer | |
Kamera eindeutig überfüllt. Kapitän Peter Bründer, etwas überrumpelt von | |
diesem Andrang, schickt die Leute von der Presse erstmal auf den großen | |
Balkon. „Es gibt hier nur vier Wohnungen mit Balkon“, erklärt er – froh | |
darüber, eine davon bekommen zu haben. Der 77-Jährige lebt seit 14 Jahren | |
auf dem Seefahrtshof, der Wohnanlage der Stiftung Haus Seefahrt. | |
Auf dem parkähnlichen Grundstück stehen acht Häuser für bedürftige | |
seemännische Mitglieder. 36 Menschen wohnen hier mietfrei. In erster Linie | |
Kapitäne im Ruhestand, mit und ohne Ehefrauen, aber auch sieben Witwen und | |
drei Nautik-Studierende. „Dass Jung und Alt hier zusammenkommen, kommt Haus | |
Seefahrt sehr zugute“, meint der verwaltende Kapitän, Holger Janssen. Neben | |
den Wohnhäusern gibt es noch ein Verwaltungsgebäude mit dem Wappensaal, der | |
etwa für Stiftungsveranstaltungen oder Treffen der Bewohner genutzt wird. | |
Die Wappen der seemännischen Mitglieder sind, aus Mangel an „echten“ | |
Familienwappen, meist selbst gestaltet: „Ich habe unter anderem das Wappen | |
meines Geburtsortes Bremerhaven in mein eigenes mit aufgenommen“, sagt | |
Janssen. | |
Neben kostenlosem Wohnraum gibt Haus Seefahrt auch finanzielle Hilfen an | |
Witwen von seemännischen Mitgliedern. Auch wenn Frauen bisher nicht zur | |
Schaffermahlzeit eingeladen wurden, ist immerhin der Stiftungszweck nicht | |
exklusiv männlich. Dieses Jahr wird das erste mit regulären weiblichen | |
Gästen sein, viel mehr wird nicht zur Frauenfrage gesagt. Zu lange wollen | |
die diesjährigen Schaffer offenbar nicht bei dem Thema bleiben – als ob | |
nicht genau darüber jahrzehntelang erbittert gestritten worden wäre. Klaus | |
Thormählen, der Janssen dieses Jahr als verwaltenden Kapitän ablöst, sieht | |
das so: „Bei den seemännischen Schaffern gibt es keine Frauen und Männer, | |
sondern männliche und weibliche Kapitäne.“ | |
Bei der Schaffermahlzeit werden 80 Prozent der Spenden für die Stiftung | |
gesammelt. Die anderen 20 Prozent des Bedarfs werden im Wesentlichen aus | |
Mitgliedsbeiträgen gedeckt. Um welche Summen es insgesamt geht, scheint | |
allerdings den Status eines Staatsgeheimnisses zu haben. Lediglich, dass | |
die Spendenbereitschaft im vergangenen Jahrzehnt relativ konstant geblieben | |
sei, wird „verraten“. | |
In den letzten sieben Jahren wurden 17 der 1952 gebauten Wohnungen komplett | |
saniert. Unter anderem mussten alle Türen verbreitert werden – die hatten | |
vorher nur 45 Zentimeter. „Das ist für die breiten Menschen von heute zu | |
wenig“, sieht Janssen ein. | |
In Haus Nr. 1 hängt neben jeder Wohnungstür eine Tafel: „An Bord“ – oder | |
„An Land“. Auch an Schiffen hängt bei Landgängen neben der Gangway immer | |
eine Tafel, die zeigte, wer an Bord war und wer nicht. Kapitän Bründer ist | |
im Übrigen froh, als seine Wohnung wieder leerer wird. Vielleicht stellt er | |
sein Schild beim nächsten Pressebesuch lieber auf „An Land“.JÖRDIS | |
FRÜCHTENICHT | |
13 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
JÖRDIS FRÜCHTENICHT | |
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