# taz.de -- DIE GESELLSCHAFTSKRITIK: Ende der Vorstellung | |
> WAS SAGT UNS DAS? In Italien stirbt ein Bühnenhilfsarbeiter beim Aufbau – | |
> und der Popstar Jovanotti sagt die gesamte Tournee ab | |
Sterben für fünf Euro die Stunde – jedenfalls für nicht mehr als acht. Es | |
sind solche Zahlen, die dafür sorgen, dass sich eine Menge Zorn in die | |
Trauer um Francesco Pinna mischt. Der gerade zwanzigjährige Student und | |
Gelegenheitsroadie war am Montag in Triest beim Aufbau der Bühne des | |
Italo-Popstars Lorenzo Jovanotti von herabstürzenden Stahlträgern | |
erschlagen worden. Sieben weitere prekär Beschäftige wurden verletzt, einer | |
von ihnen liegt im Koma. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, Jovanotti hat | |
nicht nur das Konzert abgesagt, sondern die ganze „Ora-Tour 2011“. Über | |
Twitter ließ er verbreiten, dass ihm der Tod des jungen Mannes „den Atem | |
raubt“. | |
In diesem Jahr ist Francesco Pinna in Italien das 691. Todesopfer eines | |
Arbeitsunfalls, des sogenannten „morte bianca“, des weißen Todes. In | |
Deutschland waren es im Jahr 2010 493. Das Bewusstsein, wie schnell die | |
Arbeit und ihre Bedingungen zum Mörder werden können („Lavoro Killer“, | |
titelt die linke Tageszeitung il manifesto zum Tod von Pinna), ist in der | |
italienischen Gesellschaft tief verwurzelt. So wurde der deutsche Manager | |
Harald Espenhahn für den Tod von sieben Arbeitern in einem | |
Thyssen-Stahlwerk verantwortlich gemacht und im Frühjahr zu über 16 Jahren | |
Haft verurteilt. | |
Jovanotti ist kein hässlicher Deutscher, kein Kahlschlagsanierer, sondern | |
eine nett-linke Ikone. Trotzdem blieben hämische Kommentare nicht aus: In | |
Jovanottis „großer Kirche, die von Che Guevara bis zu Mutter Teresa“ reiche | |
– wie es in seinem berühmten Song „Io penso positivo“ heißt –, verdie… | |
eben auch nur fünf Euro: weniger als bei Thyssen. AMBROS WAIBEL | |
14 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
AMBROS WAIBEL | |
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