# taz.de -- Staatsstreich im Land der Aufrechten | |
> ■ Burkina Fasos Staatschef Sankara abgesetzt und wahrscheinlich | |
> erschossen / Elf seiner engsten Mitarbeiter kamen bei dem Putsch | |
> ebenfalls ums Leben / Putschführer wollen Gefangene freilassen und Lehrer | |
> wiedereinstellen / Palastrevolte oder Gegenrevolution? | |
Abidjan (afp/ap/taz) - Der charismatische Präsident des westafrikanischen | |
Sahelstaates Burkina Faso, Hauptmann Thomas Sankara, ist am Donnerstg | |
nachmittag durch einen blutigen Putsch gestürzt und ebenso wie elf seiner | |
engsten Mitarbeiter getötet worden. Dies wurde am Freitag in der Hauptstadt | |
der benachbarten Elfenbeinküste, Abidjan, bekannt. Die neuen Machthaber in | |
Quagadougou, der Hauptstadt Burkinas, werden von dem ehemaligen | |
Justizminister, Blaise Campaore angeführt, der bislang als Freund und alter | |
Kampfgefährte Sankaras sowie als zweiter Mann in der Regierung galt. Über | |
die Motive des Staatsstreiches und den genauen Ablauf wurde bislang wenig | |
bekannt, da die Kommunikationsverbindungen nach Burkina am Freitag | |
unterbrochen waren. Sprecher der Aufsständischen erklärten jedoch übers | |
Radio, die „Volksfront des 15. Oktober“ habe die Macht ergriffen, um die | |
„Wiederherstellung des Neokolonialismus“ zu verhindern, die der Verräter an | |
der Revolution, Sankara, in die Wege geleitet habe. Die unter Sankara | |
gebildeten Volkskomittees zur Verteidigung der Revolution wurden | |
aufgerufen, eine „schonungslose Bilanz des autoritären Regimes von | |
Hauptmann Sankara aufzustellen und über einen Korrekturprozeß | |
nachzudenken“. Der revolutionäre Prozeß selber werde nicht in Frage | |
gestellt, der Nationalrat der Revolution (das oberste Gremium der | |
Regierung) würden jedoch aufgelöst. Alle politischen Gefangenen würden | |
freigelassen und die Lehrer, die nach einem Streik 1984 entlassen wurden, | |
sollten wieder eingestellt werden. Die Machtübernahme Campaores ist der | |
fünfte Putsch in Burkina seit der Unabhängigkeit des früheren Obervolta | |
1962. Der erst 37jährige Hauptmann Thomas Sankara, der 1983 zusammen mit | |
Campaore ebenfalls per Staatsstreich an die Regierung gekommen war, galt | |
jedoch im Gegensatz zu anderen Putschführern weit über die Grenzen Burkinas | |
hinaus als originelle und charismatische Erscheinung, vor allem bei der | |
afrikanischen Jugend war er sehr beliebt. 1984 hatte Sankara das Land vom | |
kolonialen Obervolta ins selbstbewußte Burkina Faso (Land der aufrechten | |
Menschen) umbenannt. Volksgerichte wurden eingerichtet, die Privilegien der | |
Beamten beschnitten, eine Reihe prominenter Persönlichkeiten und höchste | |
Beamte aus den Nachbarländern wegen Korruption vor Gericht gestellt. In | |
seinen Ansprachen trat er für die Bauern ein, geißelte die Auswirkungen der | |
westlichen Nahrungsmittelhilfe: „Unsere Landwirtschaftsexperten brauchen | |
nur noch Briefe zu schreiben, in denen sie um Nahrungsmittelhilfe betteln. | |
Wir sagen dazu Nein und fordern, daß die Nahrungsmittelhilfe durch | |
Produktionshilfe ersetzt wird...“ Eine der spektakulärsten Aktionen | |
Sankaras war die Einrichtung von Bankkonten für die Beamtenfrauen vor zwei | |
Jahren, auf die die Hälfte der Gehälter der Staatsdiener überwiesen wurden, | |
damit diese nicht mehr „zu 90 Prozent in die Bierhallen fließen“ könnten. | |
Gleichzeitig wurden gegen den erbitterten Widerstand der Bürokratie eine | |
Reihe von Frauen in Führungspositionen befördert. | |
17 Oct 1987 | |
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