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# taz.de -- „Ich kämpfe an zwei Fronten“
> ■ Die taz im Gespräch mit Nona Gaprindashvili, der Ex-Weltmeisterin im
> Schach / Die Georgierin spielt gegenwärtig beim Zweiten Internationalen
> Meisterturnier in Neukölln - als einzige Frau neben elf Männern
Nona Gaprindashvili, 47, gilt unter SchachspielerInnen als lebende Legende.
Siebzehn Jahre, von 1962 bis 1979, verteidigte die Georgierin den Titel der
Schach Weltmeisterin, schließlich wurde sie von ihrer Landsmännin Maja
Tschiburdanidse abgelöst. Als erste Frau der Welt lehrte die Gaprindashvili
der exklusiven Männerrunde das Fürchten: Als sie den Titel „internationaler
Großmeister der Herren“ verliehen bekommen hatte, mußten einige Mitglieder
des starken Geschlechts erstmal kräftig Luft holen. Heute rangiert Nona
Gaprindashvili auf dem zweiten Platz der aktuellen Damen-Weltrangliste. Zur
Zeit gastiert sie in Neukölln. Dort findet im Rathaus, täglich ab 15 Uhr,
ein internationales Schachturnier statt. Ein Tschechoslowake, ein Rumäne,
zwei Ungarn, sieben Deutsche und eine Frau Nona Gaprindashvili, die als
Favoritin ins Rennen ging. Am Rande des Spektakels hatte die taz
Gelegenheit zu einem Gespräch mit der Mutter aus Tiflis, die das
Schachspielen „wirklich liebt“.
taz: Frau Gaprindashvili, 1962, haben wir in einer sowjetischen
Schachzeitung nachgelesen, sagten Sie nach dem Gewinn der
Weltmeisterschaft, daß Sie „öfter gedenken an Männerturnieren
teilzunehmen“, denn das sei „eine gute Schule“. Spielen Sie lieber gegen
Männer oder Frauen?
Nona Gaprindashvili: Oh, das muß sehr sorgsam voneinander getrennt werden.
Früher spielte ich lieber gegen Männer. Da lag die Motivation nicht nur
darin, gut abzuschneiden, sondern man spielte hauptsächlich um ernst
genommen zu werden. Damals belächelten viele das Frauen-Schach. Heute ist
das natürlich anders. Im Grunde ist es mir jetzt egal, wer mir gegenüber
sitzt.
Kein Unterschied?
Nicht für meine Psyche. Allerdings hat es natürlich Auswirkungen auf mein
Spiel. Nehmen wir die Zeit 1978/79. Noch nie war ich so erfolgreich
gewesen. Immer vordere Plätze bei Männerturnieren. Einmal, in den USA,
sogar vor 60 Großmeistern. Ich war wirklich in der Form meines Lebens. Und
prompt, vielleicht weil mein Spürsinn beim Spiel gegen Frauen nicht gut
genug geschult war, verlor ich meinen WM -Titel bei den Frauen. Sie sehen,
das Ganze hat auch eine psychologische Komponente.
Erinnern wir uns an den Amerikaner Bobby Fischer. Jeder Frau wollte der
damalige Weltmeister einen Springer vorgeben und dennoch gewinnen können.
Was ging in Ihnen vor, als Ssie das hörten?
Ach, große Denker sind oft sehr reizbar. Sie sehen manchmal Dinge aus einem
unbegreifbaren Winkel. Fischer hätte übrigens unter diesen Voraussetzungen
keine Chance gehabt.
Und wie steht es mit Kasparow, dem aktuellen Champion?
Viele Dinge, die Kasparow sagt und macht, sind in Ordnung. Manche nicht.
Aber das läßt sich nur an konkreten Beispielen festlegen. Die Person
Kasparow muß als Ganzes beurteilt werden und nicht nur teilweise.
Also gut. Nennen wir ein Beispiel. Kasparow spricht im Zusammenhang mit dem
sowjetischen Schachverband von „Kräften der Finsternis“ und einer „Mafia…
die zerschlagen werden müsse. Gegenüber dem 'Spiegel‘ deutete er letzte
Woche an, daß „mächtige Leute“ hinter ihm her seien, und einen „Verrät…
im eigenen Team hat er inzwischen rausgeschmissen...
(Gaprindashvili lacht und schüttelt fröhlich den Kopf.) Also: ich kenne
Kasparow noch als kleinen Jungen. Nur soviel will ich sagen: vom jungen
Garri bis zum WM-Kasparow, diese Karriere hat ihm und seiner Familie sehr
viel eingebracht. Keine materiellen Sorgen, er kann reisen, schachspielen
soviel er will. Eigentlich hat Kasparow alles. An seiner Stelle würde ich
mit den Energien besser haushalten...
Warum kommt eigentlich fast die gesamte Welt-Elite der SchachspielerInnen
aus Georgien?
Das hat bei uns Tradition. Bei der Eheschließung gilt ein Schachbuch und
eine gewisse Kenntnis des Spiels als beste Mitgift. Aber das ist es nicht
allein. In Tiflis steht beispielsweise ein Schach-Palast. Mit Bibliothek,
mit allem drum und dran. Außerdem werden ganz gezielt Trainer eingesetzt,
und Schach, eigentlich das wichtigste, ist in Georgien Volkssport Nummer
Eins. Und glauben Sie mir, es gibt reichlich Fußballfanatiker.
Wie erklären Sie den generellen Leistungsunterschied zwischen Frauen und
Männern im Schach?
Genau läßt sich der wohl nicht fassen. Aber die Physis spielt eine
gewichtige Rolle. Körperliche Fitness ist absolute Voraussetzung, um
Spitzen-Schach zu spielen. Um sich konzentrieren zu können über Stunden,
über Tage, daran führt kein Weg vorbei, bedarf es einer enormen
Konstitution. Da haben die Männer uns Frauen was voraus.
Sie sind verheiratet, haben ein fast erwachsenes Kind. Wie ließ und läßt
sich das mit dem Schachspielen verbinden, das ja inzwischen ein harter
Profisport ist?
Das war natürlich immer problematisch. Überhaupt die Familie. Eigentlich
läßt sich das nur schwerlich miteinander verbinden. Deshalb trenne ich
immer. Im letzten halben Jahr habe ich zum Beispiel kein Turnier gespielt.
Neben meiner Rolle als Mutter, als Mitglied einer großen Familie, bei der
immer etwas los ist, auch noch ganz nebenbei ein fleißiges Genie? Nein,
nein, das ist wohl nicht möglich. Aber: Ich kämpfe an beiden Fronten.
Interview: Holger Schacht
4 Jul 1988
## AUTOREN
holger schach
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