# taz.de -- Klimakatastrophe - Chance für die Menschheit? | |
> Sowjetischer Forscher Budyko verwirrt mit „absurden Thesen“ die Experten | |
> beim Weltklima-Kongreß in Hamburg / Für das Forschungsministerium hat die | |
> Klimaveränderung schon begonnen / Überschwemmungen im Sudan schon | |
> man-made? ■ Aus Hamburg Manfred Kriener | |
Schockiert bis verwirrt reagierten die Teilnehmer des Weltklima-Kongresses | |
in Hamburg am zweiten Tag ihres Meetings. Der sowjetische Klimaexperte | |
M.Budyko hatte ihnen zuvor klargemacht, daß sie sich völlig umsonst über | |
die sogenannte Klimakatastrophe aufregen. Der Vorsitzende der Abteilung | |
Klimaforschung der Akademie der Wissenschaften der Sowjetunion sieht mit | |
dem Treibhauseffekt statt dessen rosige Zeiten für die Menschheit | |
hereinbrechen: Hurrah, es wird wärmer! Der „günstige Einfluß“ dieser | |
Erwärmung der Biospähre „wird in der Diskussion kaum erwähnt“, schalt | |
Budyko seine Kollegen. Mit der von ihm prognostizierten globalen | |
Temperaturerhöhung um 2,5 Grad bis 2025 und drei bis vier Grad bis 2050 | |
werde es zwar so warm sein wie vor drei Millionen Jahren, aber die | |
Niederschläge würden beträchtlich zunehmen, das Klima „insgesamt gesünder… | |
werden, und viele Nationen „werden davon profitieren“. Budyko ging noch | |
einen Schritt weiter. Wegen der „positiven Effekte“ müsse überlegt werden, | |
ob man den Ausstoß von Kohlendioxid, dem wichtigsten Treibhausgas, nicht | |
erhöhen sollte durch einen verstärkten Einsatz von Kohle in der | |
Energieerzeugung. Nach dieser Logik wäre die UdSSR, der weltweit | |
zweitgrößte Emittent von Kohlendioxid, ein Segen für die Menschheit. | |
Der Aufschrei im Hamburger Kongreß-Zentrum blieb aus. Die versammelten | |
Klimatologen aus aller Welt wollten Budyko wegen seiner Verdienste um die | |
Anfänge der Klimaforschung nicht attackieren. Nach einer sanften | |
Retourkutsche ließ man den Hofnarren in Ruhe und beschwörte aufs neue die | |
drohende Katastrophe durch Kohlendioxid-Belastung, Treibhauseffekt und | |
weltweite Erwärmung. Als „absurd“ und „lächerlich“ wurde Budykos Beit… | |
nur auf den Gängen gehandelt, verbunden mit dem diskreten Hinweis auf die | |
Kohlevorkommen der Sowjetunion. Im Saale dominierte wissenschaftliche | |
Nächstenliebe. | |
Der Hamburger Klimatologe Klaus Hasselmann hatte die Klimaentwicklung als | |
weitreichendstes Umweltproblem in der Katastrophenliste ganz oben | |
angesiedelt. Der Anstieg des Meeres um einen Meter und eine globale | |
Erwärmung von zwei bis sechs Grad waren seine wichtigsten Prognosen für die | |
nächsten 100 Jahre. Vorsichtig beurteilte Hasselmann die aktuelle | |
Klimasituation. Für ihn ist ungeklärt, ob die Katastrophen der letzten | |
Jahre bereits man-made oder noch „natürlich“ sind. | |
Das Bundesforschungsministerium (BMFT) wagt sich da weiter vor. In einer | |
„Hintergrundinformation“ zum Kongreß werden die letzten Klimaereignisse als | |
Signale und erste Anzeichen einer abrupten Klimaänderung gesehen. Konkrete | |
Beispiele: die extreme Dürre in den regenreichsten Gebieten Indonesiens, | |
die jahrelangen Dürren in Südost-Afrika, 80fache Regenmengen in Peru, | |
tropische Hurrikane an nie zuvor beobachteten Stellen. | |
Auch der in den vergangenen 100 Jahren beobachtete Temperaturanstieg um 0,7 | |
Grad (in der Arktis sogar um 1,7 Grad) signalisiere die beginnende | |
Klimaveränderung. Düsteres Fazit des BMFT-Berichts: „Der Mensch vollzieht | |
gegenwärtig das größte geophysikalische Experiment, das jemals vorgenommen | |
wurde. In nur wenigen Jahrhunderten werden die fossilen Brennstoffe | |
vernichtet, die sich im Laufe von Jahrmillionen gebildet haben. Dabei kann | |
es nicht ausbleiben, daß sich damit das Gesamtklimasystem (Atmosphäre, | |
Ozean, Biosphäre, Kryosphäre) verändert.“ Seit Mitte des 18. Jahrhunderts | |
sei der atmosphärische Kohlendioxidgehalt um rund 25 Prozent gestiegen. Die | |
jährliche Zuwachsrate betrage 0,4 Prozent. In den letzten 30 Jahren seien | |
mehr als 50 Prozent aller Regenwälder der Erde vernichtet worden, jährlich | |
zehn bis 15 Millionen Hektar. | |
Der Energieexperte und Hamburger Ex-Senator Meyer-Abich erhofft sich | |
heilsame Wirkungen aus der Dürre dieses Jahres in den USA. Erst wenn die | |
Klimadaten der Wissenschaftler in ökonomische Daten „übersetzt“ werden, | |
wenn Ernteausfälle, Produktionseinbußen und Arbeitsplatzverluste als Folgen | |
sichtbar würden, reagiere die politische Instanz. Gegen die Tücken unseres | |
linearen Denkens argumentierte der Experte der Welternährungsorganisation | |
(FAO), Prof.Nemec. Niederschlagsverluste von nur 15 Prozent würden die | |
bewässerten Flächen um 75 Prozent reduzieren. Auch Nemec sieht bereits | |
reale Auswirkungen der Klimakatastrophe, z.B. die verheerende | |
Überschwemmung im Sudan. | |
10 Nov 1988 | |
## AUTOREN | |
manfred kriener | |
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