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# taz.de -- Die moderne starke Hand
> ■ Ein Bankdirektor als sozialdemokratische Erfolgsfigur PORTRÄT
Franz Vranitzky ist in Österreich zu einem Synonym für „Modernität“
geworden. Während sein Gegenspieler und bisheriger Vizekanzler Josef
Riegler tatsächlich als biederer „Waldbauernbub“ vermarktet wurde und damit
nicht einmal in ländlichen Gemeinden punkten konnte, gilt der frühere
Bankdirektor Vranitzky als der große Sanierer der verstaatlichten Industrie
und als ein Wirtschaftsfachmann ersten Ranges, der auch und gerade für
bürgerliches Stammwählerpublikum attraktiv wirkt. Er gilt vor allem auch
als einziger Staatsmann des Landes, der Österreich europa- und damit
EG-reif machen kann. Zumal Präsident Waldheim isoliert ist, übernahm er in
den vergangenen Jahren zusehends die Vertretung Österreichs auf
internationaler Ebene.
Durch einen taktisch klugen Winkelzug wurde die One-man-Wahlshow im
Wahlkampf noch unterstützt: Die SPÖ forderte unschlüssige Wähler auf, dem
„Vranz“ eine „Vorzugstimme“ zu geben. Wähler und Wählerinnen konnten …
Wahlzelle in die Spalte der SPÖ den Namen Vranitzky hinschreiben, und auch
somit, ohne die SPÖ als Partei anzukreuzen, gültig SPÖ wählen. Rund 15
Prozent der Wähler gaben über den Personenumweg letztendlich auch der
Partei ihre Stimme.
Es wäre nun weit verfehlt, Franz Vranitzky aufgrund seines Wahltriumphes
als wahnsinnig populären Politiker zu beschreiben. Er redet in Interviews
in unverständlichen Schachtelsätzen, schmeißt mit Fachausdrücken um sich,
wirkt oft mürrisch und gilt als kaltschnäuzig. In Wahlkampfdiskussionen mit
seinem Gegenspieler gelangen ihm keine witzigen Polemiken, alles, was er
vermittelt, ist kühle Arroganz. Bei Pressekonferenzen fertigt er
Journalisten ziemlich barsch ab. Positiv formuliert, ist er kein
Schulterklopfpolitiker, der ordinäre Witze erzählt und mit jedem
Bezirksfunktionär bis Mitternacht Bier säuft. Bei einem Betriebsbesuch in
einer maroden Glasfabrik im Grenzland zur CSFR zeigte er recht deutlich
das, was ihn von manchen seiner führenden Parteigenossen unterscheidet:
Seine Distanz zu den Arbeitern ist ständig und immer unübersehbar. Er ist
keiner von den ihren und will das auch gar nicht sein. Er ist eher einer,
zu dem die kleinen Arbeiter aufschauen, den sie nicht verstehen, der sich
aber mit einer Aura von Kompetenz und Stärke umgibt, daß er auch für sie
wählbar wird. Außerdem präsentierte sich der Kanzler als ein mächtiger
Aufräumer, als Stallausmister. Dazu kam die Angst vor einer kleinen
Koalition zwischen ÖVP und FPÖ, und die sozialdemokratischen Funktionäre
wußten wieder, für wen sie sich stark machen sollten. Vranitzky, der
Bankdirektor, fungiert als neuer Identitätsstifter der Sozialdemokratie.
Othmar Pruckner
9 Oct 1990
## AUTOREN
othmar pruckner
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