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# taz.de -- Über den Dächern von Kreuzberg
> ■ Die Designerin Claudia Skoda erwarb sich mit ihren ausgefallenen
> Strick-Kreationen einen Ruf als internationale Kultfigur/ In
> spektakulären Shows präsentierte sie ihre Arbeiten/ Zur Zeit hält sie
> sich mit ihren öffentlichen Auftritten zurück
Wenn man die vier Treppen erklommen hat und an diesem herbstlichen
Spätnachmittag aus dem Fenster blickt, sieht man hinab auf umliegende
Häuser, Straßen und Bäume, hinter denen dekorativ die Sonne versinkt. In
der geräumigen Etage des großen Fabrikgebäudes, hoch über den Dächern von
Kreuzberg arbeitet seit über fünfzehn Jahren Claudia Skoda.
Die alte gestalterische Forderung »Form follows function« scheint auch auf
die Erscheinung der Designerin selbst zuzutreffen. Mit ihren scharf
konturiert geschnittenen schwarzen Haaren und dem engen schwarz-weißen
Strickkleid, das ihre Silhouette wie einen Scherenschnitt erscheinen läßt,
hat sie etwas ungemein Graphisches. Nur der rote Mund setzt einen farbigen
Akzent in ihrem schmalen, blassen Gesicht.
Den Ruf einer internationalen Kultfigur erwarb sich Claudia Skoda mit ihrer
Strickmode. Ob hautenges Schlauchkleid oder Pullover mit komplizierten,
ausgefallenen Mustern — Skoda hat einen Stil entwickelt, den man auf Anhieb
als ihre Kreation erkennt.
Bekannt wurde die ehemalige Lektorin, die auch fünf Jahre lang in New York
ein eigenes Geschäft gehabt hatte, nicht zuletzt durch spektakuläre
Modenschauen. So trat sie mit Shows wie »Trommelfeuer« im Jahr 1983 hervor
oder 1988 mit »Desaster« im Hamburger Bahnhof, einer Mixed-Media-Show, bei
der sechs internationale DesignerInnen ihre Kollektionen zeigten — die
Modeperformance als Synthese der schönen Künste von Malerei bis Live-Musik.
Offiziell gab es danach nichts mehr von Claudia Skoda zu sehen. Gehen der
Gallionsfigur der achtziger Jahre die Einfälle aus? »Mit Sicherheit nicht«,
heißt ihre Antwort, »aber als ich mit den Schauen anfing, gab es in der
Richtung noch nicht viel. Ich habe keine Lust, mich in ein inflationäres
Geschehen einzureihen. Ich käme mir blöd vor, mich mit diesen
Veranstaltungen vergleichen zu müssen.« Öffentliche Vorführungen würde sie
heute nur noch veranstalten, wenn sie eine besonders gute Idee, eine »tolle
Location« und vor allem einen ausreichenden Etat zur Verfügung hätte.
Bis dahin hält sich die Designerin vorerst im Hintergrund. Die Professur an
der Hamburger Fachhochschule für Gestaltung mache ihr zwar viel Spaß, doch
für eine Dauerstellung konnte sie sich nicht entscheiden. Derzeit entwirft
die Skoda Kollektionen für einen großen Hersteller, dessen Namen sie nicht
nennen möchte. »Es macht Spaß, für die Industrie zu arbeiten«, behauptet
sie, »und hinzu kommt, daß ich auf diese Weise meine relativ kleine Firma
gesund halte.« Hätte es sie nie gereizt, unter ihrem eigenen Namen ein
Massenpublikum zu erreichen? »Früher hatte ich keine Lust dazu, und
mittlerweile muß ich damit leben. Ich bin nicht in dem Maße etabliert wie
Jil Sander oder Wolfgang Joop. Ich bewege mich über die Jahre in einem
Kultbereich, aber es hat den Vorteil, daß einen niemand kontrolliert.« Den
Modenachwuchs und sogenannte Off-Messen wie die »Select« sieht Claudia
Skoda kritisch: »Da werden junge Talente in ein kommerzielles Korsett
gesteckt, dessen pseudo-professioneller Anstrich überhaupt nicht ihrem
Arbeiten entspricht. Wer etwas davon hat, sind die Veranstalter. Die
Designer wären auf der >Ave< sicher besser aufgehoben.«
Für einen Grundfehler hält sie die Tendenz noch unbekannter Designer,
kommerziell arbeiten zu wollen: »Das kann die Industrie besser und
billiger. Diese Leute sind zum Untergang verurteilt. Ich glaube, wenn man
nicht gerade eine große Firma hinter sich stehen hat, muß man sich
spezialisieren. Strick ist dabei für mich ideal, weil meine Sachen so
aufwendig verarbeitet sind, daß die Industrie sie nicht so einfach kopieren
kann.« Ihre ausgefallenen Kreationen sind in der Massenherstellung nicht in
derselben Qualität produzierbar. »Das Muster kriegen sie vielleicht hin,
aber nach drei mal Tragen sehen die Sachen aus wie ein Lappen.«
Zum Abschluß macht Claudia Skoda eine kleine Führung durch die Etage und
zeigt ihr »Reich«. Bunte Garnrollen stapeln sich in den Regalen und bringen
kräftige Farbe ins Ambiente. An der Wand hängt ein Porträt von Luciano
Castelli. Während des Rundganges dringt plötzlich unverkennbar die Stimme
unserer Gastgeberin aus dem Radio in der Küche. »So ein Zufall!«, ruft
Claudia Skoda lachend. »Das war mein Ausflug zur Musik. Ich war damals
besessen von dem Gedanken, Musikerin zu werden.« Das Ergebnis der
musikalischen Ambitionen waren »Die Dominas«, ein Pop-Projekt, das eine
Platte mit ironischen Sado-Maso-Songs herausbrachte, die zum Teil auf
Bayerisch vorgetragen wurden:
»I bin a Domina«, herrscht es aus dem Radio. »Hier wird nicht geweint, hier
wird auch nicht gelacht, hier wird gelitten.« Leider kommen wir nicht dazu,
das Ende des sechzehnminütigen Quäl-Stückes mitzuerleben. Freund »Skipper«,
ein stiller Amerikaner mit einer runden Intellektuellen-Brille, wartet
bereits. Martin Schacht
28 Oct 1991
## AUTOREN
martin schacht
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