Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Bremer Kripo gegen „Zigeunerplage“
> ■ Noch Bürgermeister Kaisen ehrte den Kripo-Mann, der die Roma nach
> Auschwitz gebracht hat
Am 16. Dezember jährt sich zum 51. Mal der Himmler-Erlaß zur Deportation
der Roma und Sinti. In Bremen wird es am Vorbend eine feierliche
Veranstaltung geben, Bürgermeister Wedemeier bemüht sich bei den anderen
Bundesländern um die Einrichtung eines nationalen „Gedenktages“ zur
Erinnerung an die Vernichtung der Roma und Sinti. Wer aber in eine
Buchhandlung geht und denkt, es müsse sich doch etwas Gedrucktes über die
Bremer Roma und Sinti geben, die 1943 nach Auschwitz deportiert wurden, der
irrt. Nichts.
In der feierlichen Ansprache des Bremer Bürgermeisters wird deshalb
wahrscheinlich auch jeder Hinweis auf den Mann fehlen, der als
Kriminalassistent die Deportation von 271 Roma und Sinti aus Bremen und
Umgebung organisierte und bis an die Rampe nach Auschwitz begleitete:
Wilhelm Mündtrath. Ein „korrekter und ordentlicher Mensch“, sagte
Kriminaldirektor Krämer später als Zeuge im Entnazifizierungsverfahren.
1952 sprach Senator Ehlers dem Kripo-Mann, der wieder in bremischen
Diensten war, „den Dank und die Anerkennung für die zum Wohle der
Allgemeinheit geleisteten treuen Dienste“ aus. 1958 ehrte der Bremer
Bürgermeister Kaisen den nach der Nazizeit zum Kriminalobermeister
beförderten Mann und sprach ihm „für die der Freien Hansestadt Bremen
geleisteten treuen Dienste den Dank aus“.
Der Historiker Hans Hesse hat jüngst den Fall aus den Akten rekonstruiert.
Kurz nach der Machtergreifung der Nazis, am 1.4.1933, war Mündtrath bei der
Bremer Kripo eingestiegen, zunächst bei der Sittenpolizei. Anfang 1942 kam
er dann ins „Zigeunerdezernat“. Polizeilich erfaßt waren die Sinti und
Roma, die seit dem 14. Jahrundert in Deutschland leben, schon in der
Weimarer Republik. „Zigeuner durften den Bereich Bremen nicht verlassen“,
das zum Beispiel hatte Mündtrath nach eigenen Angaben zu überwachen.
Außerdem habe er darauf „einwirken“ müssen, daß sie ein „sozialangemes…
Verhalten zeigten“.
Am 6.3.1943 hatten die Verhaftungen begonnen. Gesammelt wurde der Transport
am Schlachthof.
In den „Bremer Nachrichten“ waren immerhin die Namen erwähnt, wenn auch
unter der Überschrift: „kommunistisches Eigentum konfisziert“. Aus dem
Bericht eines Überlebenden: „Nach einigen Tagen gelangten wir dann zu einem
mit Stacheldraht umgebenen Lager und fuhren dort an die Rampe. Einige
ältere Zigeuner machten Mündrath darauf aufmerksam, daß wir hier ja in
einem Konzentrationslager gelandet seien...“ Noch an der Rampe erklärte
ihnen Mündtrath, sie kämen dort „schnell wieder weg“.
Seine Mitarbeit an der Deportation 1943 hatte Mündtrath im Rahmen des
Entnazifizierungsverfahrens zunächst verschwiegen, bis Zeugennaussagen ihn
damit konfrontierten. Auch verschwieg er zunächst die Namen der beiden
anderen an der Deportation beteiligten Kriopo-Beamten. Akten waren
jahrenlang überhaupt nicht aufzufinden.
Bei den in Bremen verbliebenen Zigeunermischlingen ( „ZM“) organisierte
Mündtrath die Zwangssterilisation. Einer der „ZM“ entging diesem Schicksal:
Er hatte einmal seine Frau bei einer Vorladung ins Polizeihaus an den Wall
geschickt, Mündtrath lud sie mit eindeutigen Hinweisen zu sich nach Hause
ein...
Aber vom Vorwurf der „sexuellen Nötigung“ wurde Mündtrath später
freigesprochen. Begründung: die Frau habe gewußt, was auf sie zukäme, somit
also zugestimmt. Auch sei nicht bewiesen, daß ihr Mann aufgrund ihres
sexuellen Kontaktes mit dem NSDAP- Mann von der Zwangssterilisation
verschont blieb. Bei der Vernehmung hatte Mündtrath erklärt, er habe wegen
seiner Beschäftigung bei der Sittenpolizei „eine leichte Ader für Frauen“
gehabt.
Der Bremer Kripo-Mann Mündtrath über sich: „Mir persönlich tut es leid, da…
vielleicht durch meine Mitwirkung Zigeunern oder Zigeunermischlingen
Unrecht geschehen ist. Ich konnte mich damals jedoch den gegebenen
dienstlichen Anweisungen nicht widersetzen, habe mich jedoch stets bemüht,
den betroffenen Personen menschlich die besten Ratschläge zu geben.“ K.W.
15 Dec 1993
## AUTOREN
K.W.
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.