Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Verlängertes, schön aufgewärmt
> ■ Ein Kochbuch empfiehlt Armeleute-Küche statt Mensafraß
Das kulinarische Mehrzwecktier auf dem Titelbild ist völlig trunken. Und
der Pfälzer Saumagen marschiert den 130 Seiten multikultureller Kochrezepte
vorweg, die das Freiburger Studentenwerk herausgegeben hat. Ausländische
Studierende haben sie aufgeschrieben, Peter Gaymann illustrierte das
Büchlein. Jugoslawische Hühner- und indische Bananensuppe, mexikanische
Sauce und belgischer Salat, persisches Gemüse und finnische Kartoffeln
finden da völkerverbindend zusammen.
Die meisten Rezepte sind einfach nachzukochen und deshalb auch für Ungeübte
in kleinen Studentenbuden geeignet. Viele Gerichte sind leicht als die
Küche der armen Leute zu erkennen, die sich überall in der Welt damit
auszeichnen, mit preiswerten Zutaten auszukommen und auch Reste noch
schmackhaft zu verwerten. Solche Rezepte passen sich nicht nur in ihren
Herkunftsländern der Notwendigkeit an, sondern auch in Freiburg im Breisgau
dem knappen Geldbeutel der heimischen Studentenschaft; viele lassen sich
gut aufwärmen und „beliebig verlängern“. Polnischer Bigos, ein
Sauerkrauteintopf, wird dadurch ganz bestimmt nicht schlechter.
Die langen Garzeiten, die etliche Gerichte laut Angaben erfordern, sind in
Deutschland allerdings inzwischen out. Spätestens seit den 70er Jahren muß
Kohl eben nicht mehr stundenlang kochen. Bohnen und Birnen, ein Schrecknis
aus dem Norden der Bundesrepublik, wird als ein Gericht beschrieben, das
„Planung erfordert“, und laut Kochbuch aus dem ehemaligen Jugoslawien
stammt. Überhaupt sind die kontinentübergreifenden Ähnlichkeiten vieler
Rezepturen ziemlich verblüffend.
Daß die Engländer ihre Lämmer zweimal töten – „einmal beim Schlachten,
einmal beim Kochen“ –, weist das Kochbuch zwar als „übertriebene“
Behauptung zurück. Die zu den Cutlets gereichte scharfe Senfsoße ist
dennoch gewöhnungsbedürftig. Wem die angegebenen Mengen von mächtig viel
Öl, Mehl, Stärke (Mondamin, grr!) allzu heftig sind, kann sie, ein
Vorschlag zur Güte, durch Butter und saure oder süße Sahne ersetzen. Und
die zeit- und geldsparenden Tiefkühl- und Fertigzutaten aus dem Supermarkt
sind zwecks Vermeidung von Mensa-Feeling durchaus gegen frische
austauschbar. Dann allerdings sind die Tafelfreuden nicht ganz so „schnell
fertig“ und machen statt „wenig Arbeit“ ein bißchen mehr. Das kürzeste
Rezept der Welt stammt aus den USA und mischt Fleisch, Brösel, Zwiebel,
Ketchup und Gewürze zu einem Hackbraten zusammen, der hierzulande als
„Falscher Hase“ bekannt ist.
Brownies und Rhabarber-Pie aus den USA, türkische Aprikosencreme und
schwedischer Käsepudding mit Waldbeeren – alles jedenfalls immer noch
besser als Milchschnitte. Das Kochbuch regt zum Ausprobieren und Variieren
an. Im Anhang finden sich ein politischer, leicht verdaulich kurzer
Streifzug durch die Küchen der Welt und der faszinierende Gedanke, daß die
Europäer nur deshalb mit Messer und Gabel essen, weil sie sich schon immer
zu wenig die Finger gewaschen haben. Heide Platen
„Kochen ohne Grenzen – Das StudentInnen-Kochbuch“. Studentenwerk Freiburg,
Unicum Verlag, Bochum, 131 Seiten, 20 DM.
18 May 1994
## AUTOREN
heide platen
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.