# taz.de -- Bayers teuerste Entschuldigung | |
> ■ Der deutsche Konzern zahlt für japanische Opfer des Bluterskandals. | |
> Weltweit neue Chancen für Betroffene | |
Tokio/Taipeh (taz) – Die Betroffenen im japanischen Bluterskandal stehen | |
kurz vor einem Erfolg, der weltweit neue Maßstäbe für die Entschädigung von | |
Aidsopfern setzen könnte. Die deutsche Bayer AG machte gestern eine | |
überraschende Kehrtwende: Als letzter Angeklagter im japanischen | |
Bluterprozeß fand sich der Konzern zu einer unmißverständlichen | |
Entschuldigung und der Einwilligung in einen umfangreichen | |
Vergleichsvorschlag bereit. „Wir wollen uns aus tiefstem Herzen für das | |
Leiden der Bluterpatienten und ihrer Familienmitglieder entschuldigen“, so | |
gestern Wolfgang Plischke, Präsident von Bayer Yakuin. | |
Plischke empfing gestern in der Osaka- Zentrale von Bayer eine 60köpfige | |
Delegation der japanischen Bluteropfer. Nach Angaben von Konzernsprecher | |
Thomas Reinert, der zu diesem Anlaß von Leverkusen nach Osaka gekommen war, | |
fanden die Gespräche in einer „ruhigen und würdigen Atmosphäre statt“. K… | |
vor ihrem Eintreffen hatten die Betroffenen in einer Presseerklärung ihrer | |
Anwälte mitgeteilt, daß sie das Bayer-Gebäude in Osaka „nur nach dem Erhalt | |
einer überzeugenden Antwort wieder verlassen würden“. | |
Wie in den meisten westlichen Ländern waren auch in Japan zwischen 1983 und | |
1985 Blutpräparate mit dem Aidsvirus vertrieben worden, obwohl Firmen und | |
Behörden über die Ansteckungsgefahr, die mit der Behandlung durch diese | |
Medikamente einherging, informiert waren. Bayer war zu dieser Zeit | |
Weltmarktführer der todbringenden Präparate. Seither fordern die | |
HIV-infizierten Bluter weltweit Entschädigungen und ein Schuldbekenntnis | |
der Verantwortlichen. Allein in Japan starben bereits 400 Bluter an den | |
Folgen der Behandlungen. | |
In den letzten Tagen hatte sich der Druck auf Bayer verstärkt, nachdem | |
Ärzte-, Apotheken- und Krankenhausvereinigungen in Japan einen Boykott des | |
größten deutschen Chemiekonzerns beschlossen hatten, falls dieser dem von | |
den Gerichten vorgelegten Vergleich nicht zustimme. Die Vergleichfrist | |
läuft am 29. März aus. | |
Die Rettung des eigenen Ansehens auf dem wichtigen japanischen Markt wird | |
Bayer teuer bezahlen müssen: Jedem Opfer sollen eine einmalige Summe von | |
630.000 Mark sowie eine monatliche Rente von bis zu 2.000 Mark gezahlt | |
werden. Entsprechend seinem Marktanteil im Blutgeschäft in Japan soll Bayer | |
für etwa 15 Prozent der Geschädigten aufkommen. Dabei übernimmt Bayer | |
jeweils 60 Prozent der Kosten und die ebenfalls angeklagte japanische | |
Regierung 40 Prozent. | |
Die Entschädigungssummen übersteigen damit bei weitem ähnliche Zahlungen, | |
die bei außergerichtlichen Übereinkünften für HIV-infizierte Bluter in | |
Deutschland und anderen Ländern gezahlt wurden. Während der achtziger Jahre | |
hatten sich deutsche Bluteropfer meist mit einmaligen Summen unter 100.000 | |
Mark zufriedengeben müssen. Gleiches gilt für die USA. | |
Ein Grund für den Erfolg der japanischen Bluter war die Zulassung eines | |
gerichtlichen Gruppenverfahrens, in dem 400 Betroffene seit 1989 gegen | |
Bayer, vier weitere Konzerne und die japanische Regierung geklagt hatten. | |
Georg Blume | |
15 Mar 1996 | |
## AUTOREN | |
Georg Blume | |
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