# taz.de -- Schuhhölzer als Schattenträger | |
> ■ Die Hamburger Kunsthalle zeigt bis zum 25. Juni unter dem Titel Die | |
> neue Sicht der Dinge Carl Georg Heises Fotosammlung der 20er Jahre | |
Was 1929 zur Film- und Fotoausstellung des Deutschen Werkbundes geschrieben | |
wurde, ist noch heute die entscheidende Attraktion der Fotografie aus jener | |
Zeit: „Eine neue Optik hat sich entwickelt“, hieß es da im | |
Ausstellungsführer. „Wir sehen die Dinge um uns anders als früher. Auch | |
sind uns heute Dinge wichtig, die früher gar nicht beachtet wurden: | |
Schuhhölzer, eine Dachrinne, Fadenrollen, Stoffe, Maschinen usw. Sie | |
interessieren uns in ihrer materiellen Substanz, in ihrer einfachen | |
Dinglichkeit; sie interessieren uns als Mittel zur Raumgestaltung in der | |
Fläche, als Licht- und Schattenträger.“ | |
Unter dem Titel Die neue Sicht der Dinge zeigt die Hamburger Kunsthalle | |
Carl Georg Heises Fotosammlung der 20er Jahre. Der damalige Leiter des | |
Museums für Kunst- und Kulturgeschichte in Lübeck hatte, angeregt durch den | |
befreundeten Fotografen Albert Renger-Patzsch, seit 1927 eine der ersten | |
Museumssammlungen zeitgenössischer Fotografie zusammengetragen. Nach 1933 | |
wurde der engagierte Verfechter der Moderne entlassen und als | |
„Kulturbolschewik“ verfehmt. Seine damals hochmoderne Sammlung ist zwar | |
erstaunlicherweise noch 1934 in Mannheim gezeigt worden, danach aber bis | |
heute nicht mehr. | |
Hans Finsler, Emil Otto Hope, Robert Petschow, Albert Renger-Patzsch und | |
Umbo bieten schräge Perspektiven, verfremdete Ein- und Überblicke und | |
sachliche Dokumentationen der neuen Technik- und Warenwelt der 20er Jahre. | |
Dazu dokumentieren sogenannte Kalotypien der englischen Pioniere David | |
Octavius Hill und Robert Adamson aus dem 19. Jahrhundert die Frühzeit der | |
Fotografie. | |
Die jetzige Präsentation ehrt in ihrem Sammler auch den ersten | |
Nachkriegsdirektor der Kunsthalle. Unter den vielen Neuanfängen vor fünfzig | |
Jahren, deren pflichtschuldige Erinnerungsfeiern schon wieder in Ermüdung | |
umzukippen drohen, war auch der Wiederaufbau der teilzerstörten Kunsthalle | |
und ihrer Sammlungen. 1945 begann das zehnjährige Hamburger Direktorat von | |
Carl Georg Heise, der den Kunsttempel wieder auf die Höhe der Zeit brachte, | |
was unter anderen Umständen, aber mit dem gleichen Ziel, die | |
Sammlungspolitik und der Museumsneubau des heutigen Direktors Uwe M. | |
Schneede erreichen wollen. Hajo Schiff | |
28. April bis 25. Juni, Eröffnung heute, 19 Uhr. Katalog 128 S., 60 Abb., | |
28 Mark. | |
27 Apr 1995 | |
## AUTOREN | |
Hajo Schiff | |
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