| # taz.de -- Freie Wunschmaschinen | |
| > ■ Das theorielastige Electronic-Listening-Label Mille Plateaux stellt mit | |
| > Alec Empire, DJ Spooky und Techno Animal seine krawallmacherische Seite | |
| > vor | |
| An dem Mille-Plateaux-Label kam in den letzten Jahren keiner vorbei, der | |
| sich für elektronische Musik und deren diskursive Effekte interessierte. | |
| Inspiriert durch „Mille Plateaux“, dem zentralen Werk des | |
| psychoanalytischen Philosophengespanns Deleuze/Guattari, entwarf Achim | |
| Szepanski in Frankfurt sein pointiertes Labelprofil. | |
| Maschinen sind hierbei ein zentrales Thema. Diese sind nicht einfach nur | |
| Technologie zur Erzeugung von Produkten, im Fall des Labels Töne, sondern | |
| Wunschmaschinen, die Soundmoleküle in Schwingung versetzen. Dieses, wenn | |
| man so will, Eigenleben der Wunschmaschinen illustrieren etwa Oval, deren | |
| drei bisher auf Mille Plateaux erschienenen Klangexperimente Fehler und | |
| Restgeräusche der elektronischen Klangerzeugung in endlose Loops vertäuen | |
| und so eine Kritik an der gängigen Hardware formulieren. | |
| Diese Umsetzung von Theorie in Töne gelingt aber nicht bei allen | |
| Formationen des Labels so überzeugend. So überfrachtet Paul Miller aka DJ | |
| Spooky, der am Sonntag den Reigen hart eröffnen wird, das Booklet seines | |
| Debüts Songs Of A Dead Dreamer mit Semiotik-Samples, um die Rolle des DJs | |
| zu unterfüttern. Dieser sei mit einem Archivar zu vergleichen, heißt es da | |
| etwa vollmundig. Allerdings ist der New Yorker Konzeptkünstler nicht in der | |
| Lage, seine eigene Vorlage aufzunehmen und verleimt schlichte Texturen aus | |
| HipHop, Ambient und abstrahierter Weltmusik zu griffigen Großstadtcollagen. | |
| Anders verhält es sich bei Alec Empire. Während der 24jährige Berliner, ein | |
| rastloser Maniac, mit Atari Teenage Riot bisher seine Punkwurzeln zu einem | |
| furiosen Hardcore mit linksradikalem Gebrabbel verbrämte, gibt er sich bei | |
| seinen letzten beiden Veröffentlichungen auf Mille Plateaux seinen | |
| stilleren Seiten hin. Dabei springt er mühelos von einem Plateau zum | |
| nächsten. So skizziert er auf den konsequent im Duktus der französischen | |
| Symbolisten gehaltenen Titeln von Les étoiles des filles mortes | |
| schaurig-schöne Seelenlandschaften. Hochtöner zerren an mäandernden Loops, | |
| die entfernt an Stockhausen erinnern. Der Tod, der Tod und immer wieder der | |
| Tod. Todessehnsucht gerinnt Empire hier zu einleuchtenden Tönen. | |
| Das konnte man dem aktionistischen Alec Empire kaum zutrauen. Genausowenig | |
| wie sein ebenso eleganter wie vertrackter Space Jazz auf Hypermodern Jazz | |
| 2000.5, mit dem der juvenile Berliner so nebenbei einen gelungenen Stilmix | |
| aus Electro und jazzigen Keyboard-Patterns gestaltete. Wegen dieser | |
| hybriden musikalischen Persönlichkeiten – wechselweise zarte Seele, | |
| Tanzbodeninnovator und politischer Berserker – geriert sich Alec Empire | |
| langsam zu einem faszinierenden Gegenstück des ebenso multiplen Aphex Twin. | |
| Hinter Techno Animal, der letzten Formation der 1000 Plateaus, verbergen | |
| sich Justin Broad-rick und der Musikjournalist Kevin Martin. MitTechno | |
| Animal hat letzterer sich auf die andere Seite des Tresens begeben, um | |
| HipHop-Elemente zu einem Sud zu verquir-len, der dem Band-namen alle Ehre | |
| macht. V. Marquardt | |
| So, 26. Januar, Markthalle, 21 Uhr | |
| 23 Jan 1997 | |
| ## AUTOREN | |
| Volker Marquardt | |
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