# taz.de -- „Es geht darum, daß jemand ein Anliegen hat“ | |
> ■ Ein Gespräch mit dem Sänger der Hamburger Band | |
> Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs, Carsten Hellberg, über große Hypes, | |
> kleinen Rock, überflüssige Remixe und unverständliche Lyrics | |
Manch einer wird von der Geschichte überholt. Oder steht sowieso immer | |
prinzipiell neben der Zeit. So erging es Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs. | |
Drei Jahre nachdem sich das Hamburger Quartett gegründet und sich seinen | |
Bandwurmnamen gegeben hatte, fiel die Mauer. Es war wohl das letzte Mal, | |
daß sie auf der Höhe der Zeit waren, fortan betätigte man sich | |
antizyklisch. Begonnen hatten sie mit schwerverdaulichen englischen Texten, | |
und als um sie herum die sogenannte Hamburger Schule tobte und klare | |
Aussagen gefragt waren, brachten die Suppenwürfel mit „Keinseier“ | |
ausgerechnet eine „relativ radikale Instrumental- Platte“ heraus. Im | |
letzten Jahr, als allgemein vom Ausverkauf der Hamburger Schule die Rede | |
war, veröffentlichten sie mit „Leichte Teile, kleiner Rock“ ihre bis dato | |
eingängigste Platte. Auf ihr singt Carsten Hellberg, den es bis dahin | |
„nicht gedrängt hat, als Sänger konkret etwas zu wollen“, nun vom „Resp… | |
vor dem eigenen Hau“, und die Band adaptiert den locker- luftigen | |
Schrammelrock, den Blumfeld zum Erfolg führten. | |
taz: Seid ihr von den Entwicklungen überholt worden? | |
Carsten Hellberg: Ja, das wird mir jetzt immer wieder gesagt, aber ich | |
empfinde das nicht so. Ich habe nicht das Gefühl, daß sich unsere Musik so | |
sehr auf einen Zeitrahmen bezieht, daß man sagen kann, das ist jetzt vier | |
Jahre zu spät für so was. Ausgerechnet uns die Hamburger Schule um die | |
Ohren zu hauen, ist ja ein Treppenwitz der Geschichte. | |
Vielleicht seid ihr sogar noch auf den Zug aufgesprungen, der noch fährt? | |
Der Zug fährt tatsächlich nicht mehr, ein Zug ist das nicht mehr. | |
Eigentlich finde ich das einen sehr richtigen Zeitpunkt, ein solches | |
Statement abzugeben und auf einer Rockplatte zu bestehen. Gerade zu einer | |
Zeit, in der sich der Konsens eindeutig an anderen ästhetischen Maßstäben | |
orientiert. Es geht nicht darum, ob das Rock oder Elektronik ist, es geht | |
darum, ob jemand ein Anliegen hat und du das spüren kannst. Dafür gibt es | |
verschiedene Möglichkeiten des Ausdrucks, es muß sich nur daran messen, ob | |
das Außen das als solches wahrnehmen kann. | |
Ihr habt immer gerne Experimente gemacht. Jemals über Elektronik | |
nachgedacht? | |
Es gibt ja zunehmend Leute, die aus dem Gitarrenumfeld kommen und sich auch | |
in der Arbeitsweise umorientieren und versuchen ihren Entwurf auf ein | |
zeitgenössisches Level zu bringen. Aber das war für uns nicht relevant, ich | |
hätte das als völlig falsch empfunden. Es war uns kein Bedürfnis, das ist | |
das Wichtigste. | |
Ist das auch für andere falsch? | |
Manchmal schon. Analog-Synthesizer unter Rockmusik zu legen ist ein ganz | |
fauler Trick, Remixe für Rocksongs anzufordern ist ein Standard geworden, | |
der inzwischen völlig öde ist. Ich finde es prinzipiell wichtig, daß sich | |
Künstler auf die Mittel besinnen, die ihnen die Möglichkeit geben, ihren | |
Ausdruck mit Vehemenz und Relevanz zu formulieren. Und genau das haben wir | |
getan. | |
Die neue Platte, so heißt es, entstand aus einer Beschäftigung mit Fragen | |
wie der, was eine Band ist und was ein Song will. Kannst du das Ergebnis | |
auch in Worte fassen? | |
Was eine Band ist, ist eine Frage, die uns von Anfang an beschäftigt, die | |
immer prozeßhaft ist. Es geht darum, immer neu zu erfahren, was das sein | |
kann, wenn man mit mehreren Leuten beschließt, künstlerisch | |
zusammenzuarbeiten und Sachen gemeinsam zu erleben, die auch eine soziale | |
Dimension haben. | |
Nach „Keinseier“ wollten wir für die Band einen neuen Entwurf, eine neue | |
Aufgabe finden. Und was ein Song sei, das ist konkret auf der Platte drauf. | |
Das haben wir in den Jahren zuvor kaum berücksichtigt. Zwar haben wir auch | |
vorher schon Musik gemacht, die sich teilweise auch mal im Songformat | |
bewegt hat, aber wir haben wenig in Kategorien des Songwritings gedacht. | |
Daß man einen Song nehmen kann, um etwas, was vorher schon formuliert ist | |
durch einen Text, musikalisch komplett zu machen. | |
Du hast gesagt, deine Texte seien direkter und zugänglicher geworden. Das | |
mag stimmen, aber allgemein verständlich sind sie noch lange nicht. | |
Diese Art zu schreiben, die Verdichtungen und Metaphern, die will ich auch | |
nicht drangeben. In einem Song ist wenig Platz, um komplexe Sachverhalte | |
darzustellen. Ich weiß nicht, ob das in der Hauptschule verstanden wird, | |
das muß ich zugeben, aber für mich ist es eine Möglichkeit, verstanden zu | |
werden. | |
Interview: Thomas Winkler | |
Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs spielen heute abend live ab 21 Uhr, Insel, | |
Alt-Treptow 6, Treptow | |
16 Jan 1999 | |
## AUTOREN | |
Thomas Winkler | |
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