# taz.de -- ■ Mexiko: War die Volksbefragung der Zapatisten ein Erfolg?: Di… | |
Die alte Frage: Ist das Glas nun halb voll oder halb leer? Zwei bis drei | |
Millionen MexikanerInnen haben am Sonntag ihr Kreuzchen bei der Consulta, | |
der zapatistischen Volksbefragung für indigene Rechte und gegen den | |
militarisierten Ausnahmezustand im Südosten der Republik, gemacht. „Ein | |
Riesenerfolg“, freuen sich die Veranstalter. Keine fünf Prozent des | |
Wahlvolks, höhnen ihre Gegner. Beide haben recht. | |
Zweifellos spiegelt das Ergebnis auch die Indifferenz der schweigenden | |
Mehrheiten im Lande. Allerdings: Es waren eben gerade keine Wahlen. Sondern | |
eine Demonstration, diesmal eben per Papier und Bleistift, die sich wie | |
jede andere Protestaktion bekanntlich immer aus politisierten Minderheiten | |
rekrutiert. So gesehen sind ein paar Millionen Unterzeichner eines Aufrufs | |
aus der Feder einer bewaffneten Guerilla schon eine bemerkenswerte | |
Minderheit. | |
Viel entscheidender als der zahlenmäßige Output der Consulta aber war | |
ohnehin die aberwitzige Promotion-Tour von 5.000 maskierten Zapatistas, die | |
im Vorfeld die gesamte Republik bereisten. Die sagenumwobene | |
Masken-Guerilla bekam mit einem – und für viele wohl zum ersten – Mal | |
Konturen, jenseits der TV-Stereotype. Der mehr als fünf Jahre andauernde | |
Flirt der Aufständischen mit La Senora Zivilgesellschaft, wie Subcomandante | |
Marcos die schwer definierbare Masse aller Unzufriedenen im Lande zu nennen | |
pflegt, wurde wieder aufgefrischt – diesmal nicht als Brieffreundschaft, | |
sondern als Tête-à-tête. Und das war dringend nötig. | |
Denn nach der Weigerung der Regierung, die im Februar 1996 ausgehandelten | |
Selbstbestimmungsrechte Wirklichkeit werden zu lassen, standen die | |
Zapatistas mit dem Rücken zur Wand. Und spätestens seit dem Massaker Ende | |
1997, das die chiapanekischen Indios in der öffentlichen Wahrnehmung wieder | |
zu stummen Opfern degradierte, geriet die von der EZLN anfangs noch so | |
vehement gestellte Demokratiefrage völlig aus dem Blick. „Frieden in | |
Chiapas“ statt „Demokratie in Mexiko“ lautete nun der Slogan der | |
Solidaritätsdemonstrationen. Mit ihrer Consulta- Werbung hat sich die | |
Indio-Guerilla nun vom Rand wieder ins Zentrum der Wahrnehmung | |
katapultiert. Und damit auch in das Zentrum der tobenden Debatten und | |
Bewegungen um Privatisierung und Studiengebühren, um Wahlbetrug und die | |
oppositionelle Mobilmachung für die Wahlen im Jahr 2000. So ist zu | |
vermuten, daß die Kreuzchen am Sonntag weniger einem Solidaritäts- oder gar | |
Mitleidseffekt, sondern eher einem Anflug von Komplizenschaft zu verdanken | |
sind. | |
Am Sonntag ist klar geworden: Die wechselhafte Liebesgeschichte zwischen | |
ziviler Gesellschaft und zivilisierter Guerilla ist in Mexiko noch lange | |
nicht vorbei – und bleibt, wie es die Liebe so an sich hat, unberechenbar. | |
Anne Huffschmid | |
24 Mar 1999 | |
## AUTOREN | |
Anne Huffschmid | |
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