# taz.de -- Babylonische Verwirrung | |
> Weil die Nasa und der Raketenhersteller mit unterschiedlichen Maßsystemen | |
> operierten, ging der Nasa ihre Marssonde verloren – so das Ergebnis eines | |
> Prüfberichts ■ Von Matthias Urbach | |
Berlin (taz) – Wer war nicht schon genervt, wenn er in die USA reiste: | |
Gemüse kauft man in Pounds statt in Kilo, bis zum nächsten Ort sind es noch | |
soundsoviel Meilen statt Kilometer, und an einer Tankstelle muss man | |
Gallons zapfen statt Liter. Steig da einer durch. | |
Doch nicht nur Urlauber sind genervt von den verschiedenen Maßen, sondern | |
seit neuestem auch die Nasa. Sie verlor nämlich ihre 125 Millionen Dollar | |
teure Marssonde „Mars Climate Orbiter“, weil die US-Weltraumbehörde Nasa | |
und die Rüstungs- und Raumfahrtfirma Lockheed Martin in unterschiedlichen | |
Einheiten rechneten – und deswegen falsche Steuerinformationen an die Sonde | |
sandten. Das ergab eine interne Überprüfung der Nasa-Experten vom Jet | |
Propulsion Laboratory (JPL). „Unsere Unfähigkeit, diesen simplen Fehler zu | |
erkennen und zu beheben, hatte schwere Folgen“, erklärte JPL-Chef Edward | |
Stone am Donnerstagabend in Pasadena, Kalifornien. | |
Während des Eintritts der Marssonde in die Umlaufbahn um den Mars tauschten | |
das Lockheed-Martin-Team in Denver und die Steuerzentrale der Nasa-Leute in | |
Pasadena ständig Daten über die Sonde aus – nur mit verschiedenen | |
Maßsystemen. Seit 1960 rechnet die Nasa korrekt wissenschaftlich im | |
metrischen System mit Kilogramm und Metern. Lockheed Martin operierte | |
dagegen offenbar noch mit den alten US-Einheiten. Das ist, als würde man | |
sich in verschiedenen Sprachen unterhalten, ohne es zu merken. Freilich hat | |
auch die Nasa nach eigenen Angaben erst 1990 komplett umgestellt. | |
Von einem „menschlichen Versagen“, wie es in anderen Industriebranchen zur | |
Zeit wieder einmal groß in Mode ist, wollte Edward Stone nicht sprechen. | |
„Leute machen Fehler.“ Das sei nicht das Problem. „Es war vielmehr der | |
Fehler der Nasa-Systemsteuerung“, erklärte der JPL-Chef, „und der | |
Kontrollen in unseren Abläufen, um einen Fehler zu finden.“ Eigentlich | |
hätte man den Fehler rechtzeitig bemerken müssen. | |
1960 hatte sich die Generalkonferenz über Gewichte und Maße auf ein | |
internationales System als weltweiten Standard geeinigt, das sogenannte | |
SI-System. Es beruht auf metrischen Maßen, das heißt auf Grundlage des | |
Zehnersystems und auf Kilogramm, Meter und Sekunde. | |
Während sich dieses System im Rest der Welt längst durchgesetzt hat – vor | |
allem in der Wissenschaft, halten sich in den USA und Großbritannien noch | |
immer Maße wie Meile und Foot und Inch, die in sinnlosen Verhältnissen | |
zueinander stehen: Eine Meile sind 1.760 Yards, und ein Yard sind drei Foot | |
und ein Foot wiederum 12 Inches. | |
Die Marssonde war am Donnerstag vor einer Woche verloren gegangen bei dem | |
Versuch, sie in eine Umlaufbahn um den roten Planeten zu bringen. Nach 286 | |
Tagen Flug von der Erde wurde noch einmal das Triebwerk der Sonde | |
eingeschaltet, um dafür den nötigen Schub zu geben. Doch die Sonde geriet | |
auf eine zu tiefe Umlaufbahn und damit zu nah heran. Dadurch überhitzte | |
sich wahrscheinlich das Triebwerk und fiel aus. Die Nasa vermutet, dass die | |
Sonde am Mars vorbeigeflogen ist. | |
2 Oct 1999 | |
## AUTOREN | |
Matthias Urbach | |
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