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# taz.de -- Radioheads
> Die „intermedium 1“ möchte die kleine Welt des Hörspiels an die ganz
> große Audiolounge anschließen  ■   Von Thomas Winkler
Wenn Herbert Kapfer über seine Branche spricht, könnte man meinen, einem
Bericht aus einem heilen Paralleluniversum zu lauschen: aus der kleinen
Hörspiel-Welt. Kapfer leitet die Abteilung „Hörspiel und Medienkunst“ beim
Bayerischen Rundfunk und ist verantwortlich für die heute beginnende
„intermedium 1“ – eine dreitägige Veranstaltung, bei der nahezu zwei
Dutzend Produktionen live aufgeführt und gleichzeitig mehr als 20 Stunden
lang im Radio übertragen werden. Auf ein übergreifendes Motto oder Konzept
hat man aus grundsätzlichen Überlegungen verzichtet: „Der rote Faden ist
die Intermedialität.“
Trotz des Booms des Hörbuchs, trotz des Revivals von Kinder- und
Jugendhörspielen der 60er und 70er: Hörspiele werden vom breiten Publikum
ignoriert. Dabei finden auch in den nächtlichen Sendeschienen der
Radioprogramme immer öfter jene Umwälzungen ihren Niederschlag, die alle
Medien momentan beschäftigen. „Wir werden ständig mit Konzepten
konfrontiert“, erzählt Kapfer, „die sich nicht allein auf das Medium Radio
beziehen.“
Die intermedium soll diese Konzepte nun komplett präsentieren, sie nicht
auf ihre aurale Dimension reduzieren und neue Öffentlichkeit für
dieKunstform Hörspiel schaffen – und dabei gerade „keine
Hörspiel-Veranstaltung“ sein: „Das Ziel ist es darzustellen, was sonst noch
an Formen passiert.“ So wird die britisch-deutsche Performance-Gruppe Gob
Squad in „Little White Lies“ am Samstag mit Hilfe des Publikums eine Party
inszenieren, die dann 1:1 übertragen wird. Was ist noch inszeniert, was
schon authentisch? Ist die Party, die vor Ort stattfindet, besser oder
schlechter als die in den Köpfen der Hörer?
Philip Jeck aus Liverpool wird wieder einmal sein Orchester aus dreizehn
Kofferplattenspielern aufbauen, mit denen er von seinem Mischpult aus live
improvisieren wird. Der Münchner Musiker, Schriftsteller und Radiomoderator
Thomas Meinecke wird mit David Moufang alias Move D vom Heidelberger
Source-Label sein letztes Hörspiel „Freuds Baby“ zur Aufführung bringen,
das quasi als Fortsetzung seines Romans „Tomboy“ fungiert. Zusätzlich
sollen auf Panels Themen wie „Medien und ihr Gedächtnis“ oder „Interakti…
und Intermedialität“ diskutiert und auch an Laien „Programmatik vermittelt
werden“. Und am Samstag ab Mitternacht wird in der „audiolounge“ der
Schulterschluss zur Clubkultur geprobt: mit Musikern wie Martin Gretschmann
(Console, Notwist), zwischen Gitarre und Videobeamer. Gretschmann reizt vor
allem der „ähnliche Ansatz wie bei Filmmusik“. Andererseits will er „den
Popappeal behalten“, freut sich aber doch, endlich mal auch vom etablierten
Kulturbetrieb ernst genommen zu werden.
Hörspielredakteure wie Kapfer hoffen nun auf „Zielgruppenerweiterung in
verschiedene Richtungen“ und den Durchbruch in andere als die tradierten
Hörerschichten aus Kunstszene und Bildungsbürgertum: Es geht um nichts
weniger, als „den Hörspielbegriff zu überwinden“. Keine leichte Aufgabe f…
eine Kunstform, die zu schätzungsweise 95 Prozent von
öffentlich-rechtlichen Sendern finanziert wird. So legt
intermedium-Initiator Kapfer denn auch großen Wert auf die programmatische
und organisatorische Trennung von der bis gestern am gleichen Ort
stattgefunden habende Woche des Hörspiels. Für die im Zweijahresturnus
geplanten Fortsetzungen hat man denn auch räumliche Trennung verfügt:
„intermedium 2“ ist bereits für das Jahr 2001 in Karlsruhe geplant und wird
dann weiterziehen.
Auch schon vor und ohne intermedium sollte der Anschluss des Genres an
aktuelle Entwicklungen mit Koryphäen aus entfernteren Medien erreicht
werden. Dabei kommt den avancierteren Radiomachern zu Gute, dass die
elektronische Musik, wie sie in den letzten Jahren hier zu Lande entstanden
ist, viele potenzielle Opfer im Angebot hat. Fühlt man sich doch längst
nicht mehr allein für die Beschallung von Großraumdiscos zuständig, sondern
wagt auch ohne Anstoß aus irgendeiner Hörspielredaktion Experimente
jenseits tanzbarer Schemata.
Als Beispiel sei nur Adolf Noise angeführt, das hoch bekiffte Dub-Projekt
von DJ Koze (Fischmob) und Marc Nesium (5 Sterne Deluxe). Das hat nur noch
wenig mit Musik zu tun. Aber viel mit Hörspiel.
19. bis 21. November in der Akademie der Künste, Hanseatenweg 10,
Tiergarten, Fr. ab 20 Uhr, Sa. ab 14 Uhr, So. ab 12 Uhr. An den
Nachmittagen ist der Eintritt frei.
18 Nov 1999
## AUTOREN
Thomas Winkler
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