| # taz.de -- Kunst und Kompost | |
| > Eine Ausstellung der Akademie der Künste erinnert an Eberhard Roters, den | |
| > 1994 verstorbenen Begründer der Berlinischen Galerie | |
| Eine Schlange beißt sich in den Schwanz und ringelt sich zu einer liegenden | |
| Acht. „Das ist das geheime Zentrum seines Denkens“, sagt Eva Züchner, | |
| Archiv-Leiterin der Berlinischen Galerie, die das grüne Reptil in einem | |
| Notizbuch von Eberhard Roters von 1948 aufgestöbert hat. Schon den | |
| 19-Jährigen interessierte dies Zusammenbiegen von Anfang und Ende. Legt man | |
| die Acht aus einem Gummiband, überkreuzen sich Innen und Außen. Ist das | |
| Dada, Tarot oder Kabbalistik? Für Roters, bewandert auf diesen Gebieten, | |
| gehörte die Untrennbarkeit von Subjekt und Objekt am Punkt des Umschlags | |
| vom Innen ins Außen zur Basis des kunsthistorischen Handwerks. Ein bloßes | |
| „Ding an sich“ interessierte ihn kaum. Wenn er über Kunst schrieb, dann | |
| darüber, wie die Zeitumstände das Erleben formten. | |
| Als er 1975 die Berlinische Galerie gründete, waren schon viele Kontakte | |
| geknüpft zu den Künstlern und Sammlern, die in den Dreißigerjahren aus | |
| Deutschland vertrieben worden waren. In Halle drei der Akademie der Künste | |
| zeigte er die erste Ausstellung, und dort erinnert jetzt eine Wand an erste | |
| Erwerbungen: Selbstporträts von Ludwig Meidner, Conrad Felixmüller und | |
| George Grosz stammen aus einem Konvolut von 180 Werken aus dem Nachlass | |
| eines emigrierten Berliner Kleiderfabrikanten. Ein Tanz leuchtender | |
| Gespenster und unheimlicher Masken war den Gedanken von Paul Gösch | |
| entsprungen, dem die erste monografische Ausstellung des Museums galt. | |
| Gösch war mit der Diagnose Schizophrenie in Nervenheilanstalten abgeschoben | |
| und später von den Nationalsozialisten ermordet worden. | |
| Neben diesem Engagement für die Vergessenen lässt die „Hommage an Eberhard | |
| Roters“ auch seine eigene Person hervortreten. Zeichungen und Kritzeleien | |
| erinnern an den Humor des 1994 verstorbenen Publizisten und Museumsmann, | |
| dem selbst die Kunstgeschichte nicht heilig war. Der „Blaue Reiter“ sitzt | |
| betrunken zu Pferd, ein Leitzordner markiert den „Akt im Wald“. Als | |
| „Ausfluss aus dem Hinterteil der Erkenntnis“ signalisierte Roters in den | |
| Kalauern die Bereitschaft, Kunst mit allen Mitteln gegen die Ruhigstellung | |
| im Museum zu verteidigen. | |
| Auch seine Begeisterung für Dada beruhte auf der Suche nach | |
| nachvollziehbaren Prozessen der Transformation. Das wird nur mit wenigen | |
| Blättern angedeutet, befinden sich die Dada-Inkunabeln doch auf der Tournee | |
| des Museums, das in Berlin zur Zeit keinen eigenen Ort hat. | |
| Viel zu viel und von allem zu wenig zeigt das kleinteilige Mosaik der | |
| Ausstellung, das dennoch den Eindruck „zielgerichteter Zerstreutheit“ gut | |
| vermittelt, mit der Walter Jens als Präsident der Akademie ihren ehemaligen | |
| Präsidialsekretär Roters einmal beschrieb. Ein Ausschnitt aus Roters’ | |
| Bibliothek belegt seinen Wissensdurst in Sachen Chemie, Biologie, | |
| Philosophie und selbst Magie. Er benannte einen von ihm gestifteten Preis | |
| zur Kunstvermittlung lieber nach einem Chemiker des 19. Jahrhunderts, | |
| Friedlieb-Ferdinand Runge, als nach sich selbst. Runge hatte den | |
| „Bildungstrieb der Stoffe“ beschrieben und Roters, allem Wandelbaren in | |
| Kunst und Wissenschaft gleichermaßen auf der Spur, empfahl, zum Verständnis | |
| „den Inhalt des Mülleimers im eigenen Heim über längere Zeit“ zu | |
| beobachten. Kunst und Kompost gehörten für ihn zur gleichen Welt. | |
| Katrin Bettina Müller Die Ausstellung „Kunst ist ein Spiel, das Ernst | |
| macht“ zu Ehren von Eberhard Roters eröffnet am Sonntag um 11 Uhr, Akademie | |
| der Künste, Hanseatenweg 10 (bis 13. Februar). | |
| 8 Jan 2000 | |
| ## AUTOREN | |
| Katrin Bettina Müller | |
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