# taz.de -- Knorpelartige Wucherungen | |
> ■ Mikrobenhaft-geheimnisvolle Rätselfragmente: Die Phantasmen des Richard | |
> Oelze | |
Ein surrealistischer Maler aus Deutschland – das kann eigentlich nur Max | |
Ernst sein. Und doch gibt es einen heute weniger bekannten, in den | |
dreißiger Jahren gleichwohlinternational anerkannten Maler: Richard Oelze, | |
der vor hundert Jahren in Magdeburg geboren wurde. Seine fragmentierten, in | |
mancher Hinsicht eher der phantastischen Kunst des späten 19. Jahrhunderts | |
verwandten Bilder sind in der Kunstgeschichte irritierende Außenseiter. Am | |
bekanntesten ist sicherlich das Bild Die Erwartung, das das Museum of | |
Modern Art in New York 1940 erwarb: Eine Reihe von Hutträgern in | |
Rückenansicht beobachtet über eine Baumgruppe hinweg etwas Düsteres, nicht | |
begrifflich Erkennbares in der Ferne. | |
Eine Studie zu diesem als Vorahnung der Kriegsgreuel gedeuteten Bild von | |
1935 ist jetzt in der kleinen Ausstellung zu sehen, die die Hamburger | |
Kunsthalle noch bis September zeigt. Der Anlass zu dieser nur zwei Räume | |
und etwas mehr als dreißig Arbeiten umfassenden Präsentation ist nicht nur | |
das Jubiläum des 1980 gestorbenen Künstlers, sondern auch die schöne | |
Tatsache, dass der Kunsthalle das olivdüstere Gemälde Orakel und zwei | |
Zeichnungen in Erinnerung an den Sammler und unermüdlichen Oelze-Förderer | |
Siegfried Poppe zum Geschenk gemacht wurden. | |
Trotz seiner Studien am Bauhaus in Weimar und Dessau und über seinen | |
Kontakt zu den französischen Surrealisten hinaus blieb Richard Oelze ein | |
fast altmeisterlicher Landschaftsmaler im meist kleinen Format. Bildtitel | |
wie Hommage à Altdorfer und Hommage à Rembrandt bestätigen diese Suche nach | |
den Geheimnissen in den Dunkelstellen alter Meister und in den | |
Zwischenräumen schon definierter Bildauffassungen. | |
Und so durchdringen sich mikrobenhafte Wucherungen mit knorpelhaften | |
Verdickungen, scheinen Augen nachtmahrischer Tiere aufzuscheinen, während | |
all das dann doch zu einer Oberflächenstruktur eher großräumlich zu | |
lesender Formen zurücktritt. So entstehen ganz eigene Gedankenräume, denen | |
der wohlfeil gewordene Kitsch all zu plakativer Surrealismen wie brennender | |
Giraffen und weicher Uhren ebenso gänzlich abgeht wie andererseits auch die | |
trancehaften Produktionstechniken der Surrealis-ten. Dass Oelze seinen Stil | |
gegen alles von Informel bis Pop weiter beibehalten hat, macht ihn zu einer | |
ebenso interessanten wie singulären Erscheinung, der selbst Max Ernst | |
ausdrücklich mehr Beachtung wünschte. Hajo Schiff | |
„Richard Oelze - 1900-2000“ Hamburger Kunsthalle, Räume 009 und 010, bis | |
September. Katalog in der Reihe der „kleinen Schriften“, 56 Seiten, 16 | |
Mark. | |
19 Aug 2000 | |
## AUTOREN | |
Hajo Schiff | |
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