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# taz.de -- Haftstrafe für Kampfhundbesitzer
> Knapp ein halbes Jahr nach dem Tod des sechsjährigen Volkan verurteilt
> das Hamburger Landgericht den Hundehalter wegen fahrlässiger Tötung zu
> dreieinhalb Jahren Haft. Die Staatsanwaltschaft hatte eine deutlich
> höhere Freiheitsstrafe gefordert
aus Hamburg ELKE SPANNER
Sie hatten darauf vertraut, dass nichts passieren würde. Sie wussten, dass
ihre beiden Kampfhunde gefährlich waren, und führten sie trotzdem
unangeleint und ohne Maulkorb aus. Am 26. Juli letzten Jahres bissen „Zeus“
und „Gipsy“ den sechsjährigen Jungen Volkan auf dem Hof einer Grundschule
im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg tot. Das Hamburger Landgericht
verurteilte Besitzer Ibrahim K. gestern zu dreieinhalb Jahren Haft und
seine Freundin Silja W. zu einer Jugendstrafe von einem Jahr auf Bewährung.
Die beiden hätten sich nicht, wie es noch in der Anklage hieß, wegen
Körperverletzung mit Todesfolge, sondern wegen fahrlässiger Tötung strafbar
gemacht: „Die Tat war vorhersehbar.“
„Ich habe Achtung vor deutschen Gerichten. Aber ich denke, dass die Strafe
zu gering ist“, sagte der Vater des kleinen Jungen, der zur
Urteilsverkündung erschienen war. Obwohl er sich entttäuscht über die
Strafe zeigte, geht sein Anwalt nicht davon aus, dass Volkans Familie
Rechtsmittel dagegen einlegen wird. Dennoch könnte es zu einer weiteren
Verhandlung kommen. Der Anwalt von Ibrahim K. hatte Freispruch beantragt
und erwägt nun, gegen die Verurteilung vorzugehen.
Am 26. Juli hatte Ibrahim K. die Kampfhunde „Zeus“ und „Gipsy“ ohne Lei…
und Maulkorb in einem Hof ausgeführt, der an das Schulgelände grenzt.
Nebenan spielten Kinder Ball. Die Kampfhunde sprangen über die Mauer und
direkt auf den sechsjährigen Volkan zu. Zehn Minuten lang bissen sie immer
wieder zu, bis der Junge verblutet war. Die Staatsanwaltschaft hatte für
Ibrahim K. eine Haftstrafe von achteinhalb Jahren gefordert und für Silja
W. zwei Jahre und neun Monate, weil sie ihre Hündin „Gipsy“ dem Freund ohne
Maulkorb mitgegeben hatte und wusste, dass der die Hunde auch frei laufen
lassen würde.
Für die von den Anklägern verlangte schärfere Verurteilung wegen
Körperverletzung mit Todesfolge hätten Ibrahim K. und Silja W. die
Verletzung anderer Menschen durch die Hunde zumindest in Kauf nehmen
müssen. Das aber verneinte gestern das Landgericht: Beide Angeklagten
hätten zwar gewusst, dass ihre Hunde die Mauer zum Schulhof überwinden
konnten. Sie hätten auch gewusst, dass dahinter Kinder spielten und dass
die Tiere für Menschen gefährlich geworden waren, denn schon zuvor hatten
„Zeus“ und „Gipsy“ zugebissen. Doch „sie rechneten nicht damit, dass …
Probleme geben würde“, sagte der Vorsitzende Richter: „Sie zeigten beide
eine Neigung zum Verdrängen etwaiger Gefahren.“
Beiden Angeklagten warf das Gericht vor, aus einer Mischung „von
Unwissenheit, Unverstand, vor allem aber aus in Egoismus wurzelnder
Rücksichtslosigkeit“ gehandelt zu haben. Der 19-jährigen Silja W. hielt es
zugute, dass sie durch den Tod von Volkan selbst hoch traumatisiert sei und
um den Jungen trauere. Sie habe sich verantwortlich bekannt und „von Anfang
an einfühlsam mit den Gefühlen der Angehörigen von Volkan
auseinandergesetzt“. Für den Angeklagten Ibrahim K. spreche, dass er mit
allen Kräften versucht hatte, die Hunde von Volkan wegzuzerren, um dessen
Tod zu verhindern. Während Silja W. bei der Urteilsbegründung eingesunken
dasaß und kaum wagte, ihren Blick zu heben, hörte Ibrahim K. äußerlich
regungslos zu. Der Vorsitzende Richter sprach den Vater von Volkan direkt
an. „Ihr Schmerz kann auch durch ein Gerichtsurteil nicht ausgelöscht oder
gelindert werden“, sagte er. Und fügte hinzu, er hoffe, dass die
„Transparenz des Hauptverfahrens dazu beitragen konnte, dass Sie und Ihre
Frau nicht für immer in grenzenloser Verzweiflung verharren“.
18 Jan 2001
## AUTOREN
ELKE SPANNER
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