# taz.de -- Papa verspricht nichts mehr | |
> Die Berliner SPD feiert ihren Bundeskanzler, ihren Regierenden | |
> Bürgermeister und sich selbst.Das Wahlprogramm: Ein Mentalitätswechsel | |
> soll den alten Glauben an Subventionen brechen | |
von ROBIN ALEXANDER | |
Beginnen wir mit dem Unvermeidlichen: „Und das ist gut so.“ Fünf Worte, die | |
über dem Landesparteitag der SPD schweben. Die Delegierten tragen die fünf | |
Worte als Anstecker an ihrer Kleidung und kaufen sie gedruckt auf | |
Stofftaschen. Kein Gespräch auf den Fluren des Maritim-Hotels kommt ohne | |
ein augenzwinkerndes Zitat der omnipräsenten Sentenz aus, sie gehört zum | |
offiziellen Wahlkampflogo der Berliner SPD. | |
Die ist obenauf: Die Partei stellt den Regierenden Bürgermeister, sie wird | |
heute ein Programm verabschieden und hat laut Umfragen alle Chancen, damit | |
die Neuwahlen im Herbst tatsächlich zu gewinnen. Und aus irgendeinem Grund | |
bündelt sich die ganze Freude darüber in den fünf Worten, die Klaus | |
Wowereit vor genau vier Wochen in ebendiesem Saal seinem Coming-out | |
hinzufügte und die längst zu einem sinnleeren Mantra geworden sind. | |
Christine Bergmann, Bundesministerin, tritt ans Mikro und begrüßt ihre | |
Genossen: „Wir sehen uns ja jetzt öfter auf Landesparteitagen – und das ist | |
auch gut so.“ | |
Der Bundeskanzler ist zu Gast, aber nicht er ist der Liebling der Partei an | |
diesem Sonntag. Jubel und vereinzelte Hoch-Rufe sind nur bei der Begrüßung | |
des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereits zu hören. Aber der „liebe | |
Klaus“ scheint nicht gekommen, um sich feiern zu lassen. In kurzen | |
Hemdsärmeln lehnt er am Pult, ignoriert das vorbereitete Manuskript in | |
großen Teilen und berichtet aus seiner Arbeit als Regierender | |
Bürgermeister. Da schlucken einige Parteitagsteilnehmer: „Eine | |
Herkulesaufgabe“, nennt Wowereit die Veränderungen, die in der Stadt | |
anstehen, und macht den Genossen unmissverständlich klar, wer die | |
Augiasställe ausmisten und die Häupter der Hydra abschlagen soll: Berlin | |
selbst und niemand anderes! „Mentalitätswechsel heißt, die Ressourcen der | |
Stadt zu mobilisieren, sich auf die eigene Kraft zu besinnen.“ Auf der | |
Versammlung, die den Start des Wahlkampfs markiert, wagt Wowereit sogar | |
eine Kritik an den Menschen, um deren Stimmen er werben muss: „Machen wir | |
uns nichts vor. Wir haben uns alle an die Parole gewöhnt: Der Papa wird’s | |
schon richten.“ Und mit Blick auf den rechts neben ihm sitzenden | |
Bundeskanzler und die Hoffnung auf irgendeine neue Form von | |
Berlinsubventionen: „Neuerdings ist es Papa Gerhard. Der soll nett zu uns | |
sein. Und der ist ja in der SPD, da muss er noch viel netter sein.“ | |
Wowereit holt Luft und ruft beschwörend in den Saal: „Und immer wenn wir | |
einen neuen Papa ausgeguckt haben, vergessen wir ganz schnell, dass wir auf | |
eigenen Beinen stehen und laufen müssen.“ | |
Stürmischer Applaus. Aber sind wirklich alle hier einverstanden mit | |
Wowereits scharfem Sparkurs? Ein Änderungsantrag zum Wahlprogramm verlangt | |
die Relativierung des Zieles, im Jahr 2009 keine neuen Schulden mehr zu | |
machen. Wird sich die Aussprache zum Richtungsstreit auswachsen? Nein. | |
Antrag auf Schluss der Debatte, kaum sind die Argumente ausgetauscht. | |
Abstimmung. Kein Dutzend Stimmen für eine Änderung. Es bleibt beim | |
Sparziel. | |
Ein pädagogisches Lob verteilte der „Genosse Gerhard Schröder“: „Die | |
Bundespartei ist stolz auf eure Arbeit!“ Oohs und Aaahs im Saal. „Das war | |
nicht immer so, damit wir uns richtig verstehen.“ Gelächter. Von stärkerem | |
Engagement des Bundes in Berlin redet Schröder nicht. Keinen Pfennig | |
verspricht er. Schröder verteidigt die Politik seiner Bundesregierung. Fast | |
scheint es, als sei plötzlich eine schlechte Stimmung im Bund, das größte | |
Risiko für einen Erfolg der Berliner SPD. Auch das hätte vor Jahresfrist | |
kaum jemand für möglich gehalten. | |
9 Jul 2001 | |
## AUTOREN | |
ROBIN ALEXANDER | |
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