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> von WIGLAF DROSTE | |
Lange war der letzte Freitag im Monat Heftchentag. Die neuen Ausgaben von | |
Titanic, Kowalski und konkret erschienen, man ging zum Kiosk und holte | |
sich, was man brauchte: alles, was im lahmen Zock nicht stand, der | |
euphemistisch „Presselandschaft“ genannt wird – ein angemessenes Nullwort | |
für die fade Mischung aus freiwilliger Gleichschaltung, Wüste und | |
Anzeigengeschäft. | |
Nachdem ich später für alle diese Blätter geschrieben hatte, wich die | |
anfängliche stolze Freude darüber bald der Erkenntnis, dass es ist nicht | |
ratsam ist, aus allzu großer Nähe kennen zu lernen, was einem von Ferne gut | |
gefiel. Das liegt nun Jahre zurück, längst ist Kowalski still verschieden; | |
konkret hat es noch nicht hinter sich und bringt im August-Heft ein | |
Geplänkel zwischen Jürgen Elsässer und Sahra Wagenknecht im Sound der | |
Elefantenrunden an Wahlabenden. Elsässer: „Die PDS scheint in | |
Mecklenburg-Vorpommern stabil, trotz Koalition.“ – Wagenknecht: „Warten w… | |
die nächsten Wahlergebnisse ab.“ Wird so die pathetische | |
konkret-Eigenwerbung eingelöst: „Der SCHREI nach Aufklärung verhallt nicht | |
ungehört“? Es sieht ganz so aus. Und was es über die Haltung des | |
konkret-Herausgebers zu seinen Autoren zu sagen gibt, hat der Dichter Peter | |
Hacks in seinem Couplet „Gremlizas Dementi“ ausführlich genug dargestellt: | |
„Er zahlt verläßlich, druckt er. Keiner zuckt? / Er lügt, der Schelm. Wie | |
lügt er? Wie gedruckt.“ | |
Und Titanic? „Kaufen Sie dieses Heft, bevor Nachwuchsschriftstellertalent | |
Stuckrad-Barre es verbieten lässt!“, brüllt die Werbung für die | |
Augustnummer. Das habe ich nicht getan – ich habe das Heft wie immer | |
umsonst zugeschickt bekommen, mich über fast alle Zeichnungen gefreut und | |
zwei ganz besonders beglückende Sondermann-Seiten von Bernd Pfarr wieder | |
und wieder angesehen. | |
Die aktuellen Nachwuchsschreiber der Titanic aber müssen ohne das Talent | |
auskommen, das sie einem anderen in grinsender Ironie attestieren. Dass im | |
Zuge der juristischen Auseinandersetzung zwischen Benjamin von | |
Stuckrad-Barre und Titanic ein neuer Stuckrad-Barre-Fotowitz kommen musste, | |
war sozusagen arschklar. Im neuen Heft gibt es gleich drei davon; die Maus | |
wird so lange gemolken, bis es wehtut. Ein Ende ist nicht in Sicht: | |
„Schicken Sie uns Bilder von Leuten, die dem Berliner | |
Nachwuchsschriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre ähnlich sehen“, fordern | |
die Redakteure Sonneborn und Schiffner. | |
Das Titelblatt bringt Helmut Kohl als „Single des Jahres“, die Frage, wen | |
der Mann als Nächstes heirate, und Fotos einiger Aspirantinnen (Hella von | |
Sinnen, Gräfin Dönhoff usw.). Und es gibt das durchge-X-te Foto von | |
Hannelore Kohl. Hier reproduziert Titanic Ästhetik und Geist des | |
RAF-Fahndungsplakats, mit dessen Hilfe reaktionäre, verhockte und feige | |
Existenzen ihren Rachebedarf stillen durften: Mit Kuli oder Filzer wurde | |
die staatliche Erledigung des Feindes nochmal ganz persönlich | |
nachvollzogen. Um die Lustischkeit dieses Titanic-Titels nachvollziehen zu | |
können, bedürfte es einer schweren Humor- und Intelligenzallergie. | |
3 Aug 2001 | |
## AUTOREN | |
WIGLAF DROSTE | |
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