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# taz.de -- Vergeltungsschläge in der PDS
> Er war der bunte Vogel in der oft so grauen Friedenspartei:
> Pressesprecher Hanno Harnisch. Jetzt hat ihn seine Chefin gefeuert. Die
> PDS-Vorsitzende Gabi Zimmer wirft ihm Illoyalität vor. Harnisch soll
> vertrauliche Informationen ausgeplaudert haben
von JENS KÖNIG
Hanno Harnisch ist am Montag für eine Woche in den Urlaub gefahren. Die
Reise wird wohl länger dauern als geplant. Um ganz genau zu sein: Harnisch
wird gar nicht mehr zurückkommen. Der Pressesprecher der PDS hat jetzt
frei. Für immer.
Harnisch ist gefeuert worden. Am Sonntagnachmittag, unmittelbar nach dem
Parteitag in Dresden, auf dem sich die PDS als Friedenspartei gefeiert hat,
holte Gabi Zimmer zum Vergeltungsschlag aus. Die Parteichefin zitierte
ihren Pressesprecher zu sich und teilte ihm mit, dass dies sein letzter
Arbeitstag gewesen sei. Sie sehe keine Basis mehr für eine vertrauensvolle
Zusammenarbeit. Dietmar Bartsch, der mächtige Bundesgeschäftsführer, saß
bei diesem kurzen Entlassungsgespräch daneben und konnte nichts für
Harnisch tun.
Er wusste, dass zwischen Zimmer und Harnisch der Ofen aus war. Das wussten
auch die meisten Journalisten. Sie konnten es sehen. Hanno Harnisch lief
auf dem Parteitag in Dresden herum, als sei er nicht der Pressesprecher,
sondern der Friedhofsbeauftragte der PDS: lustlos, melancholisch, mit einem
ausgeprägten Sinn für die Endlichkeit der Dinge. Als seine Chefin eine
ihrer fulminanten, langweiligen Reden hielt, fiel Harnisch in den hinteren
Reihen des Saales in einen tiefen Schlaf. So richtig wach wurde er erst
wieder, als Gabi Zimmer ihm eröffnete, warum sie ihn feuern wird: Er soll
vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit gegeben haben.
Hintergrund ist ein Artikel, der in der vorigen Woche im Spiegel erschienen
war. Der Tenor des Textes: Die Parteichefin Gabi Zimmer ist blass, ideenlos
und ohne Einfluss. Eine glatte Fehlbesetzung. Die eigenen Genossen würden
versuchen, sie vor der Öffentlichkeit zu verstecken. Der Artikel war mit
ein paar fiesen Details gespickt, die nur aus der unmittelbaren Umgebung
der Parteivorsitzenden kommen konnten. Zimmer beschuldigte Harnisch am
Sonntag, er sei der Informant gewesen. Das hätten ihr mehrere Journalisten
erzählt. Den Spiegel-Autor hat sie nicht gefragt. Harnisch bestreitet
gequatscht zu haben. Aber das war für die Chefin schon nicht mehr wichtig.
Hanno Harnisch ist ein Chaot – aber einer von den Chaoten, bei denen man
gar nicht anders kann, als sie zu mögen. Er ist locker, unkonventionell,
witzig. Über zehn Jahre lang hat er in der PDS alles mitgemacht, was man
nur mitmachen konnte: Er hat den quirligen Gysi und den staubtrockenen
Bisky in der Öffentlichkeit vermarktet. Er hat sich Mitte der
Neunzigerjahre am Hungerstreik der Parteiführung beteiligt (und das bei 120
Kilogramm Lebendgewicht). Er hat eines Nachts den roten Trabant des
berühmten Ballettchefs Johann Kresnik vor der „Paris-Bar“ geklaut und ist
damit besoffen durch die Stadt gefahren. Er hat in der DDR über zehn Jahre
lang als Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi gearbeitet, nach der Wende
aber so lange geschwiegen, bis er 1997 enttarnt wurde.
Harnisch erregte mit seinen Eskapaden mehr Aufmerksamkeit als mit seinen
oft handschriftlichen Pressemitteilungen. Seine Chefs hat er damit mehr als
einmal zur Verzweiflung getrieben, aber überlebt hat er sie alle. Sie haben
ihn nie gefeuert – weil er immer viel mehr war als der Sprecher der PDS. Er
war das Maskottchen der Partei.
Gabi Zimmer verzichtet jetzt auf diesen Glücksbringer. Vielleicht weil
Hanno Harnisch selbst das Glück verlassen hat. Er konnte nicht mehr
verbergen, dass er seit Monaten an seiner Chefin verzweifelt. Der bunte
Vogel musste eine graue Maus vermarkten. Damit ist er gescheitert. Vom
Frieden, der in der PDS gerade ausgebrochen ist, hat Harnisch nichts mehr
gehabt. Das nennt man – Kollateralschaden.
10 Oct 2001
## AUTOREN
JENS KÖNIG
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