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# taz.de -- Moderne Kunst im Fertigpack
> Der Wunsch, die Flick-Sammlung nach Berlin zu holen, ist umstritten: Sie
> soll auf Grundlage „arisierten jüdischen Vermögens“ entstanden sein.
> Problematisch ist jedoch auch, dass Museen sich zunehmend auf die
> Angebote privater Sammler verlassen
von BRIGITTE WERNEBURG
Bis vor kurzem waren Thomas Demand und Olafur Eliasson, zwei prominente
Berliner Künstler, davon ausgegangen, dass sie in einer Halle neben dem
Hamburger Bahnhof ihr Atelier beziehen würden. Doch kurz vor
Vertragsabschluss kam von der Gegenseite der Rückzieher. Peter-Klaus
Schuster, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, hat nämlich ein
Auge auf die Halle geworfen. Hier soll die „Flick Collection“ ihren Platz
finden, die er nach Berlin holen will.
Die Sammlung von Friedrich Christian Flick ist freilich eine besondere
Sammlung, nicht nur weil sie von Fachleuten, die sie kennen, als hochwertig
eingestuft wird, sondern weil sie gewisse moralische Fragen aufwirft.
Christoph Marthaler, Intendant des Schauspielhaus Zürich, sagte, er könne
den Gedanken nicht verdrängen, „dass die Exponate dieser Sammlung mit
Kriegsverbrechergeld und enteignetem, arisiertem jüdischem Vermögen bezahlt
wurden“. Friedrich Christian Flick ist Enkel und Erbe von Hitlers größtem
Rüstungslieferanten, Friedrich Flick. Marthaler initiierte mit anderen
Kulturschaffenden, unter anderen dem Bildhauer Stephan Balkenhol, den
Fotokünstlern Anna und Bernhard Blume, dem Galeristen Anselm Dreher, dem
Künstler Jochen Gerz sowie Frank Castorf von der Volksbühne einen offenen
Brief gegen die Absicht von Friedrich Christian Flick, für seine Sammlung
moderner Kunst in Zürich ein Museum zu bauen.
Nachdem Peter-Klaus Schuster in Absprache mit dem Regierenden Bürgermeister
Klaus Wowereit Interesse an einem Berliner Standort für die Sammlung
bekundet hatte, fand die Berliner Grünen-Politikerin Alice Ströver, Flick
solle den Ausbau des in finanziellen Schwierigkeiten steckenden
zeitgeschichtlichen Dokumentationszentrum „Topographie des Terrors“
finanziell unterstützen. In einer Presseerklärung nannte sie es eine
Dreistigkeit, wenn der Generaldirektor der Staatlichen Museen Peter-Klaus
Schuster davon ausgehe, dass es in Berlin anders als in Zürich keine
Probleme mit der Sammlung Flick geben werde. Gerade in Berlin, der
ehemaligen Zentrale nationalsozialistischer Macht, müsse darüber diskutiert
werden, zu welchem Preis die sicher hochwertige Kunst gezeigt werden könne.
Einen Preis hat Flick schon entrichtet. In Potsdam nahm im September
letzten Jahres die mit 5 Millionen Euro dotierte „FCF Stiftung gegen
Fremdenfeindlichkeit, Rassisimus und Intoleranz“ ihre Arbeit auf, die
seither 16 Projekte der Jugendarbeit in den östlichen Bundesländern mit
einer Gesamtfördersumme von knapp 100.000 Euro förderte. Der Streit in
Zürich hatte sich nämlich vor allem daran entzündet hatte, dass sich die
Familie Flick weigerte, einer Bitte der Stiftungsinitiative der deutschen
Wirtschaft um einen Beitrag aus ihrem Privatvermögen (die ehemaligen
Flick-Firmen sind der Stiftungsinitiative beigetreten) zur Entschädigung
der Zwangsarbeiter nachzukommen. Diese Weigerung wollte Friedrich Christian
Flick mit seiner Stiftung in ein differenzierteres Licht setzen. Doch dass
damit alle Fragen ausgeräumt wären, ist keine gute Annahme.
Zur gleichen Zeit, als die Berliner Pläne bekannt wurden, hatte die
Süddeutsche Zeitung gemeldet, dass die „Flick Collection“ nach New York ans
Dia Center for the Arts gehen solle. Auch hier sah sich der Direktor des
Dia Center, Mark Govan, plötzlich genötigt, sich zu der Frage zu äußern, ob
Flicks Verweigerung gegenüber der Stiftungsinitiative ihm Schwierigkeiten
bereite. Da allerdings von Plänen, die Sammlung nach New York zu holen,
beim Dia Center nicht die Rede ist, antwortete er mit dem Verweis auf das
Museum of Modern Art, das sich für seine diesjährige große
Gerhard-Richter-Retrospektive Werke von Flick geliehen habe. Für sein neues
Haus in Beacon, nördlich von New York, das im Mai 2003 eröffnet wird, plant
das Dia Center eine Reihe mit 18 bis 20 monografischen Ausstellungen. Nur
dafür möchte man sich aus Flicks Sammlung einen Werkkomplex von Bruce
Nauman ausleihen.
In Berlin scheinen die Pläne konkreter. Trotzdem heißt es in den
Presseerklärungen der Staatlichen Museen, man wolle die „Flick Collection“
in Berlin temporär zeigen. Man darf daraus schließen, dass „temporär“ ni…
die Dauer der Präsentation meint, sondern die Besitzverhältnisse. Die
Sammlung bleibt bei Friedrich Christian Flick, die öffentliche Hand,
vertreten durch die Staatlichen Museen, wird freilich einiges Geld
investieren, um ihm bei der öffentlichen Präsentation behilflich zu sein.
Und hier gesellen sich zu den moralischen Fragen hinsichtlich der Sammlung
Flick noch einige andere Fragen hinsichtlich der Museums- und
Sammlungspolitik der Staatlichen Museen unter der Regie von Peter-Klaus
Schuster.
Noch vor vier Jahren haben die Staatlichen Museen mit großer Fanfare eine
andere ambitionierte Unternehmung in Sachen Gegenwartskunst angekündigt.
Danach sollte dieses Jahr im östlichen Stülerbau beim Charlottenburger
Schloss, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Sammlung Berggruen, das
Deutsche Centrum für Photographie (DCP) eröffnen. Neben Platz für wertvolle
Sammlungen und Nachlässe sollte hier auch Raum für kunsthistorische,
technische und restauratorische Aufgaben geschaffen werden. Doch davon ist
längst nicht mehr die Rede. Das stets fehlende Geld hat zu einem
vorläufigen Arrangement minimalster Art geführt, von dem man freilich
befürchten muss, dass es tatsächlich die endgültige Lösung sein soll.
Die schnöde Art, in der das Projekt von Seiten der Staatlichen Museen und
der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, fallen gelassen wird, führte im
Dezember letzten Jahres zu einer kleinen Anfrage auf Seiten der
CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Der Abgeordnete Norbert Lammert wollte
wissen, ob die Bundesregierung als Träger der Stiftung Preußischer
Kulturbesitz über das Zurückfahren der Pläne informiert war; ob die Option
des östlichen Stülerbaus im Jahr 2008/09 überhaupt noch gültig ist und,
besonders brisant, wie sich das Desengagement der Stiftung für das DCP vor
dem Hintergrund ausnimmt, dass für kostenaufwändige Ankäufe privater
Kunstsammlungen, zuletzt der Sammlung Marzona, das Geld immer vorhanden
ist.
Dass inzwischen in der Presse die private Initiative für Fotografie mit dem
Namen c/o Berlin als veritabler Ersatz für das in der Versenkung
verschwundene DCP gehandelt wird, erscheint symptomatisch – nicht nur für
die Belange der Fotografie. Auch im Bereich der zeitgenössischen Kunst
scheint man sich in Berlin ganz auf die Angebote privater Sammler zu
verlassen, die richten werden, was man selbst versäumt hat und oft genug
aus nachvollziehbaren Gründen versäumen musste. Man kann bei einer solchen
Museumspolitik „auf Zuruf“, wie Norbert Lammert sie nannte, für 12
Millionen Euro auch ein Schnäppchen machen, wie es mit der Sammlung Marzona
geschah, die als weltweit unvergleichliche Quelle für Minimal, Conceptual
und Land Art sowie die Arte Povera gilt. Zumal Egidio Marzona selbst ein
Glücksfall ist, weil er für seine Sammlung eben kein eigenes Museum und
andere teure Versprechen für die Zukunft verlangt, sondern die Einbindung
seiner Kollektion mit einem jährlich zu vergebenden Preis für eine
herausragende Doktorarbeit unterstützt.
Trotzdem, der Einkauf im Fertigpack wirft grundsätzliche Fragen auf. Als
Lösung kann er nicht gelten. Zürich zum Beispiel mangelt es nicht an
Kandidaten, die hier ihre Sammlung zeigen möchten. Es mangelt also auch
ohne Flick nicht an Arbeiten von Nauman und Richter. Seit Mai 2001 hat etwa
die Daros Collection von Stephan Schmidheiny im Löwenbräu-Areal eigene
Ausstellungsräume, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft der Kunsthalle,
des Migros Museums für Gegenwartskunst und einer florierenden Galerieszene
befinden. Dort ist auch die Galerie Hauser & Wirth AG zu Hause. Statt die
„Flick Collection“ in Zürich zu bewundern, kann man im nahe gelegenen St.
Gallen die Sammlung Hauser & Wirth besuchen. Das kommt dann fast auf das
Gleiche heraus, denn Flick hat fast ausschließlich bei Hauser & Wirth
gekauft. In Hinblick auf die Qualität der Sammlungen muss das nichts
heißen. Es bedeutet aber sehr wohl, dass hier über den Sammler & Galeristen
und seinen Sammler ein Insiderspiel läuft, bei dem die Museen, das Publikum
und die Kritik nur noch Zaungäste sind. Die Öffentlichkeit jedenfalls wird
durch die Bereitschaft der Museen, das private Fertigpack zu kaufen,
zunehmend nur noch diejenige aktuelle Kunst zu sehen bekommen, die von
solchen Sammlern gewollt und unterstützt wird. Uniformität und
Einseitigkeit sind absehbar.
Friedrich Christian „Mick“ Flick hat sich, so hört man, durch die Kunst aus
seinem vormaligen, elenden Partyleben gerettet. Yachten, die Côte d’Azur
sind passé: und das gilt nicht nur für ihn. Mehr und mehr ist die Sammlung
zeitgenössischer Kunst das Prestigeobjekt, das dem vielen Geld einiger
weniger endlich ein attraktives Gesicht gibt. Man darf in Zukunft mit
ganzen Elefantenherden reicher Sammler auf dem Weg in die Lichtung der
Öffentlichkeit rechnen. Sie werden wild entschlossen sein, ihr ihre Schätze
anzudrehen. Häufig genug werden es wirkliche Schätze sein, viele Male aber
auch nicht. Das wird sich oft erst aus der zeitlichen Distanz entscheiden.
Die staatlichen Museen und die öffentliche Hand sind jedenfalls aufgerufen,
ihre Position zu den finanzstarken und leidenschaftlichen Privatsammlern
klar zu definieren. Was können, was wollen die Museen leisten? Und wo und
wie können mit den privaten Sammlern Abkommen zum beiderseitigen Nutzen
getroffen werden? Es geht tatsächlich darum, wie das Museum der Zukunft
aussehen wird, wie sich Matthias Henkel ausdrückte, der Pressesprecher der
Staatlichen Museen zu Berlin, als er die Frage nach den öffentlichen
Geldern im Zusammenhang mit den Verhandlungen mit Flick durch den Begriff
der „Private-Public-Partnership“ zu umgehen suchte.
In Berlin fällt auf, dass generell gerne eingekauft wird, auch bei
Ausstellungen. Heiner Bastians Warhol-Ausstellung war eine der wenigen
Berliner Ausstellungen, die umgekehrt auch mal nach draußen verkauft wurde.
Auch wenn die Besprechungen zum Beispiel in der New Yorker Presse eher
negativ ausfielen, wurde dort wenigstens wieder einmal deutlich, dass die
Nationalgalerie in Berlin noch lebt. Im Hamburger Bahnhof wurde erst
kürzlich zum zweiten Mal der Preis der Nationalgalerie für junge Kunst
vergeben. Doch dieses Minispektakel, das trotzdem möglichst mit den
Turner-Preis konkurrieren will, findet inmitten einer Terra vasta statt.
Denn von Seiten der Nationalgalerie hört und sieht man sonst nichts in
Hinblick auf die junge Kunst in Deutschland und Berlin. Wahrscheinlich muss
erst das Art Institute in Chicago mit einer Wanderausstellung nach Berlin
kommen, damit wir hier die eigenen Leute sehen. So wie es 1996
groteskerweise mit der Retrospektive von Dieter Appelt, der an der HdK
unterrichtete, passierte. Aber da ging es ja um Fotografie, die hier keine
Lobby hat. Damals wie heute.
30 Jul 2002
## AUTOREN
BRIGITTE WERNEBURG
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