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# taz.de -- „... wer wirklich dahinter steckt“
> Bestseller-Autor und Verschwörungstheorieforscher Mathias Bröckers über
> die Ungereimtheiten des 11. September 2001, die ungeklärte Rolle der CIA
> im Vorfeld der Anschläge und die eklatanten Versäumnisse der Medien, die
> richtigen Fragen zu stellen
Interview BERND PICKERT
taz: Wenn man danach fragt, wem die Anschläge vom 11. September genutzt
haben, dann muss man zwangsläufig auf den Verlag Zweitausendeins und den
Autor Mathias Bröckers kommen. Die auffällige Übereinstimmung des Jahres
der Anschläge mit dem Verlagsnamen, der angeblich überraschende
Verkaufserfolg … Das kann doch kein Zufall sein!
Mathias Bröckers: Stimmt. Der 11. 9. hat mir genutzt. Ich saß im letzten
Sommer an einem historischen Buch über Verschwörungstheorien, da kam ein
Anruf, ich solle mal schnell den Fernseher anmachen, es sei etwas passiert.
In dem Moment bin ich zum Kriegsgewinnler geworden, weil ich das, was ich
eigentlich historisch untersuchen wollte, die Entstehung und Funktion einer
Verschwörungstheorie, jetzt auf einmal live in freier Wildbahn betrachten
konnte. Zwanzig Minuten nach dem Einsturz der Türme war die Theorie von der
Täterschaft Ussama Bin Ladens in der Welt, und sie ist es bis heute.
Dennoch liegt auch ein Jahr danach nicht mehr Beweismaterial vor als eine
Stunde nach dem Anschlag.
Und was ist mit den Videos, auf denen Bin Laden seine Urheberschaft
eingesteht, und mit dem, was man über die Zelle in Hamburg-Harburg und die
Kontakte etwa Mohammed Attas nach Afghanistan weiß?
Die beiden Videos, die da nachgereicht wurden, sind als Beweisstücke
einfach nur lachhaft. Und die Verbindung von Atta zu afghanischen
Ausbildungslagern ist nicht klar: Er soll vor einigen Jahren mal da gewesen
sein, heißt es. Auch die These von der Terrorzentrale Hamburg-Harburg
scheint mir völlig grotesk. Niemand guckt, woher Atta sein Geld bekommen
hat. Das FBI und die indischen Geheimdienste haben schon Ende September
2001 berichtet, dass Atta vom damaligen Chef des pakistanischen
Geheimdienstes, Mahmud, und Omar Sheikh, der jetzt wegen der Ermordung des
Journalisten Daniel Pearl zur Verantwortung gezogen wird, Geld bekommen
hat. Davon findet sich heute keine Zeile mehr.
Das widerspricht doch der These von der Urheberschaft al-Qaidas überhaupt
nicht.
Ich will das ja auch gar ausschließen. Aber die Art und Weise, wie uns hier
ein Verdächtiger mit andauernder Wiederholung als der Schuldige präsentiert
und der gesamte Rest von Möglichkeiten ausgeblendet wird, das spricht allen
Kriterien Hohn.
Mein Generalverdacht, für den ich keinen Beweis habe, ist, dass es sich
womöglich mit al-Qaida ähnlich verhält wie in Deutschland mit der NPD, dass
also dieser Verein zum großen Teil mit Agenten unterwandert ist und eben
deshalb nicht weiterermittelt wird, weil überall die eigenen Leute dahinter
stecken.
Und da wird schon mal eine einfache Behauptung plötzlich zur Tatsache. Etwa
die Meldung vom französischen Figaro vom November 2001, Bin Laden sei im
Juli 2001 in Dubai operiert und im Krankenhaus von CIA-Leuten besucht
worden. Die Meldung ist nie verifiziert worden, niemand hat sie
nachrecherchieren können. Bei Ihnen taucht sie als Wahrheit auf.
Ja, okay, ich nehm das auf, weil es natürlich prima passt …
Danke, das wollte ich hören.
… und wenn ich das nicht im Konjunktiv formuliert habe, dann bin ich dabei
genau der Gefahr des Tunnelblicks erlegen, die Verschwörungstheorien eigen
ist. Dennoch: Es ist in jedem Fall nicht abwegig, dass al-Qaida von
Geheimdiensten unterwandert ist.
Existiert al-Qaida eigentlich wirklich?
Naja, ich habe ja die schöne Geschichte drin von dem Arzt, der berichtet,
dass „al-Qaida“ einfach eine Gästeliste von allen Leuten ist, die mal in
Bin Ladens Gästehaus in Peschawar ein- und ausgegangen sind. Die haben alle
Billigtickets von der saudischen Airline bekommen, weil sie dort den
Dschihad-Kurs machen sollten, der von Saudi-Arabien subventioniert wurde.
Die Amerikaner kennen diese 30.000 Namen, weil sie ja von ihren eigenen
Freunden selbst gesponsert wurden. Insofern wundert es einen doch, dass
einem al-Qaida nach dem 11. September plötzlich als neues Weltübel
präsentiert wurde.
Sie glauben, der 11. 9. war ein von den USA bewusst geduldeter Anschlag mit
dem Ziel, den Krieg gegen Afghanistan zu legitimieren, weil die
Verhandlungen mit den Taliban über eine Pipeline gescheitert waren?
Es ist doch ein Mysterium, dass die fortgeschrittenen FBI-Ermittlungen
plötzlich weitgehend gestoppt wurden. Im Mai wurde bekannt, dass das FBI
angeblich schon lange Dossiers über die ganzen Flugschüler hatte, aber sie
nicht hochnehmen durfte. Wenn man das mit dem Fall John O’Neill
zusammenbringt …
… dem Sicherheitschef des World Trade Centers …
O’Neill war ein Cop, wie man ihn sich wünscht. Schon als Sechsjähriger will
er Polizist werden, wird der oberste Terroristenjäger des FBI – und dann
wird er zurückgepfiffen, darf nicht mehr in den Jemen, wo eine
Al-Qaida-Zentrale seit 1998 observiert wird und er offenbar zugreifen
wollte. Das spricht auch für die Hypothese, dass der Trupp unterwandert
ist. Dann will der gute Cop sie hochnehmen, und das State Department lässt
ihn nicht. Dann tritt er zurück, wird Sicherheitschef im WTC und kommt am
11. September ums Leben. Wenn man O’Neill hätte machen lassen, wäre der 11.
September so nicht geschehen.
Kann das nicht alles auch Zufall sein, Institutionenkonkurrenz, fehlende
Abstimmung?
Es gibt Leute, die es für völlig bewiesen halten, dass die USA selbst für
den Anschlag verantwortlich zeichnen. Das tue ich nicht. Aber aus den
Recherchen ergibt sich, dass ein Vorauswissen existierte – es gab sehr
viele Vorwarnungen und sehr konkrete Hinweise, dass Flugzeuge als Bomben
eingesetzt werden sollten. Man hat nicht reagiert. 75 Minuten lang gab es
selbst am Weißen Haus keinerlei Flugabwehr. Das ist alles ziemlich
merkwürdig. Wenn man in diese Richtung spekuliert, dann ermöglicht
natürlich die Frage nach dem Motiv immer einen ganz kurzen Schluss: Wem es
genutzt hat, der muss es gewesen sein. Bush hat zweifellos von diesem
Anschlag profitiert.
Das heißt überhaupt nicht, dass er damit etwas zu tun hat. Aber es spricht
viel dafür, dass die Amerikaner „al-Qaida“ unterwandert haben bzw. immer
genau wussten, was die vorhaben. Da sind auch die offenen Fragen über die
Verbindung des pakistanischen Geheimdienstes und der CIA zu al-Qaida. Was
ist mit General Mahmud? Warum war der am 11. September in Washington und
hat mit zwei Geheimdienstleuten gefrühstückt?
Hat er? Dann wusste er bestimmt nichts, sonst wäre er sicher nicht dort
gewesen …
Mag ja sein. Aber dieser Mahmud taucht in der ganzen Berichterstattung
nicht auf, dabei ist die Verbindung zu ihm in den letzten zehn Jahren
durchaus interessant – immerhin ist er derjenige, der in Absprache mit
Amerika die Taliban installiert hat. Jetzt werden uns die Taliban als
grauenhafte Fundis und Islamisten vorgeführt …
… sind sie das nicht?
… was sie auch sind. Aber vor ein paar Jahren waren sie noch gut genug, um
an die Regierung gebracht zu werden. Da hat kein Mensch protestiert. Das
gilt analog für Saddam Hussein. Wer hat ihn denn installiert, wer hat ihm
denn Biowaffen verschafft? Diese nette Hurensohnpolitik der USA wird nicht
problematisiert. Das hat mich maßlos frustriert, weil ich in den
70er-Jahren mal Journalismus so gelernt habe, dass die Medien als vierte
Gewalt im Staate auch mal eingreifen müssen, wenn was schief läuft. Davon
hab ich im letzten Jahr nichts gesehen.
Sie bauen stattdessen aufs Internet. Aber da steht doch auch viel Quatsch.
Wenn man die 285 Quellen ansieht, die ich benutzt habe, dann sind davon 70
Prozent CNN, New York Times, Washington Post und solche normalen Quellen.
30 Prozent sind andere Quellen von Leuten, die zum Teil genau wie ich
unabhängig als Journalisten den Fall recherchiert haben, zum Teil natürlich
auch von ausgewiesenen Verschwörungstheoretikern, die eine bestimmte These
vertreten, die ich mir aber in der Regel nicht zu Eigen mache.
Aber auch Sie vermischen Fragen zum politischen Background mit manchen
recht banalen Fragen, etwa die nach den Passagierlisten.
Das sehe ich anderes. Laut offizieller Version war man von diesem Anschlag
völlig überrascht, präsentiert aber bereits 36 Stunden später 19 Täter mit
Bild. Und auf den ganzen Passagierlisten war kein einziger arabischer Name.
Alle, die das behaupten, verweisen lediglich auf die bei CNN
veröffentlichten Listen. Aber das waren nicht die Originale, sondern
redaktionell bearbeitete Opferlisten.
Das Original hat doch kein Mensch je gesehen. Warum nicht? Wer hat diese 19
Täter herausgefiltert?
CNN?
Glaub ich nicht. Dann hätte doch CNN auf Nachfrage gesagt …
Hat denn jemand mal nachgefragt?
Ich nehme es an. Aber selbst wenn es so wäre, dass die veröffentlichten
Namen plus die 19 Täter die komplette Besatzung der Maschinen ergeben
würden, dann stellt sich die Frage, wer diese Herren eigentlich sind. Bei
sieben dieser Leute wissen wir, dass sie noch leben. Von den meisten der
anderen zwölf wissen wir eigentlich nichts, auch wenn das zum Teil
vorgegeben wird. Etwa in diesem Spiegel-Buch: Da werden die 19 Hijacker
groß und mit Bild präsentiert, und auf Seite zweihundertnochwas heißt es
dann, die Identität sei gar nicht geklärt. Ich finde das einen Skandal!
Überhaupt reiht das Buch belanglose Fakten aneinander, stellt sich aber
nicht den wirklich wichtigen Fragen.
Die beantworten dann Sie?
Ich stelle sie wenigstens. Was ich als kleine Wühlmaus mit Notebook und
Internetanschluss ohne Honorar im letzten Jahr gemacht habe, wäre
eigentlich der Job von 50 oder 100 überbezahlten Spiegel-Redakteuren
gewesen. Stattdessen überlässt man das so einem „Spinner“ wie mir. Ich
hätte am 13. September damit aufgehört, wenn ich gesehen hätte, dass sich
Spiegel, taz und so weiter an die Recherche machen. Stattdessen lese ich
von morgens bis abends Pentagon-Propaganda. Ich mache mich nicht
anheischig, das investigative Buch zum 11. 9. geschrieben zu haben. Aber
auch wenn sich von den 100 Fragen, die ich am Schluss aufwerfe, vielleicht
50 oder 60 einfach klären lassen – erst wenn alle beantwortet sind, werden
wir sicher wissen, wer dahinter steckt.
1 Oct 2002
## AUTOREN
BERND PICKERT
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