# taz.de -- Der Entdecker des „Archivs des Terrors“ | |
> Der paraguayische Menschenrechtsaktivist Martín Almada ist ein Träger des | |
> Alternativen Nobelpreises 2002 | |
Martín Almada konnte seinen Augen kaum trauen, als er am 22. Dezember 1992 | |
in einer kleinen Polizeistation 20 Kilometer außerhalb von Paraguays | |
Hauptstadt Asunción stand. Inmitten abertausender Akten und Notizen, | |
Aufzeichnungen und Dokumente fand der damals 55-jährige Wissenschaftler und | |
Menschenrechtsaktivist die Papiere, nach denen er jahrelang gesucht hatte | |
und deren Existenz die Behörden Paraguays immer bestritten hatten: | |
Detaillierte Aufzeichnungen über die Verschleppten, Gefolterten und | |
Ermordeten aus 35 Jahren Diktatur in Paraguay, ein von der | |
US-amerikanischen „School of the Americas“ herausgegebenes Handbuch „Wie | |
man Gefolterte am Leben erhält“ – und eine ganze Reihe Dokumente und | |
Briefe. Die kamen aus dem Innenleben der geheimen „Operation Cóndor“, also | |
der Zusammenarbeit der Militärs und Geheimdienste von acht | |
südamerikanischen Staaten gegen die „subversive Gefahr“. Dieses „Archiv … | |
Terrors“ war die „wichtigste Sammlung dokumentierten Staatsterrorismus, die | |
je gefunden wurde“, schreiben die Juroren des Alternativen Nobelpreises, | |
die gestern bekannt gaben, Martín Almada mit dem Preis zu ehren. | |
Den Staatsterror der Militärdiktaturen hatte Almada noch 15 Jahre zuvor am | |
eigenen Leibe erfahren. Der gelernte Jurist und Reformpädagoge galt dem | |
Regime des Diktators Alfredo Stroessner als subversiv. Am 26. November 1974 | |
wurde er von der politischen Polizei direkt von seinem Arbeitsplatz | |
verschleppt, auf einer Polizeistation zu seiner großen Überraschung nicht | |
nur von paraguayischen, sondern auch von argentinischen, brasilianischen | |
und bolivianischen Militärs verhört und beschimpft, schließlich gefoltert. | |
Seine Frau, die in Freiheit verbliebene Lehrerin Celestina Pérez, überlebte | |
den Terror nicht. „Zehn Tage nach meiner Verschleppung“, erinnerte sich | |
Almada einmal gegenüber der chilenischen Zeitung La Nación, „weckten sie | |
sie um Mitternacht auf, damit sie die Leiche des subversiven Lehrers | |
abholt, der verstorben sei. Die Nachricht löste bei ihr einen Herzinfarkt | |
aus. An den vorangegangenen Tagen hatte sie Anrufe der politischen Polizei | |
empfangen. Sie ließen sie meine Schreie und mein Heulen in der Folterzelle | |
anhören. Sie starb, weil sie keine ärztliche Versorgung erhielt. Die Ärzte | |
aus der Gegend trauten sich aus Angst vor der Repression nicht, ihr zu | |
helfen.“ | |
Nach knapp drei Jahren Haft und Folter, nach einer groß angelegten Kampagne | |
von amnesty international für sein Leben, wurde Almada im September 1977 | |
aus der Haft entlassen. Er entzog sich neuen Verfolgungen durch die Flucht | |
in die panamaische Botschaft und konnte zusammen mit seinen drei Kindern im | |
Februar 1978 nach Panama ausreisen. Nach dem Sturz Stroessners 1989 kehrte | |
Almada, inzwischen Berater bei der Unesco für Lateinamerika, nach Paraguay | |
zurück. Seither kämpft er darum, die Täter der Diktatur zur Rechenschaft zu | |
ziehen – teils mit unkonventionellen Mitteln, oft aber mit Erfolg. So | |
gründete er die Paraguay-Sektion der Amerikanischen Juristenvereinigung, | |
veranstaltete eine Reihe von Tribunalen gegen führende Militärs und | |
Polizisten und konnte so mehrfach genug Beweise für ein ordentliches | |
Gerichtsverfahren und eine Verurteilung zusammentragen. Derzeit bemüht er | |
sich um die Auslieferung Stroessners aus Brasilien. BERND PICKERT | |
11 Oct 2002 | |
## AUTOREN | |
BERND PICKERT | |
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